Zwei Jahre nach der „Ever Given“ ist der Suezkanal erneut unpassierbar: Droht eine ähnliche Störung des Welthandels?

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Ein Houthi-Hubschrauber in der Nähe des Frachtschiffs Galaxy Leader im Roten Meer.Bild Reuters

Sie sind vielen noch in frischer Erinnerung: die 130.000 Schafe, 500.000 Erotikartikel und 3.500 Schultagebücher, die vor mehr als zwei Jahren im Suezkanal steckengeblieben sind. Dann führte die Blockade des Containerschiffs „Ever Given“ zu einer tagelangen Blockade einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt, doch nun sind es die Houthi-Rebellen, die große Containerschiffe zwingen, den Kanal zwischen dem Roten und dem Mittelmeer zu meiden.

Das bedeutet, dass Seeschiffe 5.500 Kilometer über das Kap der Guten Hoffnung zurücklegen müssen. Für bereits unterwegs befindliche Containerschiffe wird dies zu einer Verzögerung von etwa zwölf Tagen führen; Gerade abgefahrene Transporteure können auf der Alternativroute vorsortieren und brauchen sieben Tage länger. Insgesamt schätzt die Rotterdamer Hafenbehörde, dass etwa dreißig bis vierzig große Containerschiffe verspätet eintreffen werden – gut für 80.000 Container voller Elektronik, Gartenmöbel und Kleidung sowie weitere 600 Tonnen Öl(produkte).

Über den Autor
Marieke de Ruiter ist Wirtschaftsredakteurin für de Volkskrant. Sie schreibt unter anderem über den Arbeitsmarkt und die soziale Sicherheit.

Die Verzögerung stellt die Reedereien im Hafen vor ein großes logistisches Rätsel. Schließlich ist Rotterdam nicht der endgültige Bestimmungsort für den Großteil der Ladung: Vieles muss per LKW oder Binnenschiff weiter nach Europa transportiert werden. Auch diese Ketten geraten durcheinander. Das bedeutet, dass Leute wie Rob van den Eijnden vom koreanischen Reeder HMM – der mit sieben Schiffen pro Woche von und nach Asien fährt – fast ununterbrochen mit Kunden und Spediteuren telefonieren. „Das Schwierige ist, dass wir einfach nicht genau wissen, wann ihre Ware ankommt.“

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Die zusätzliche Reisezeit bringt auch zusätzliche Kosten mit sich. Nicht nur wegen des Treibstoffs und des längeren Personals an Bord, sondern auch wegen der längeren Vorlaufzeit der Waren. Laut dem Hafenökonomen Bart Kuipers von der Erasmus-Universität variiert der Preis je nach Produkt stark. „Aber im Durchschnitt kostet eine Verzögerung im ‚Zeitwert‘ 3 Dollar und 50 Cent pro Container und Stunde.“ Nach seinen Berechnungen wären das bei einer zusätzlichen Fahrzeit von zehn Tagen etwa 12,6 Millionen Dollar pro Schiff mit 15.000 Containern.

Dem Verbraucher wird das nicht sofort auffallen – abgesehen von der Frühlingsmode, die vielleicht etwas später in den Läden steht. Die Kosten für den Containertransport betragen bei den meisten Produkten nur etwa 2 Prozent des Einzelhandelspreises. „Aber es ist äußerst ärgerlich, dass dies geschieht, denn es zeigt erneut, wie verwundbar die internationale Schifffahrt gegenüber dem ist, was in der Welt passiert“, sagte Kuipers. „Gleichzeitig mit dieser Blockade können aufgrund der Dürre weniger Schiffe den Panamakanal passieren.“

Vergleich mit vor zwei Jahren

Das bedeutet, dass die beiden Hauptverkehrsadern des Welthandels gleichzeitig verstopft sind. Und das, obwohl es sowieso nicht so blühend aussah. Aufgrund der Inflation und der hohen Zinsen haben Verbraucher und Unternehmen in den letzten zwei Jahren ihren Geldbeutel knapp gehalten. Dadurch sank die internationale Containerschifffahrt im vergangenen Jahr um 4 Prozent und in den ersten zehn Monaten dieses Jahres noch einmal um 1 Prozent. Wobei Letzteres nun vielleicht ein Segen ist, denn die Probleme mit den Ever Given waren zum Teil deshalb so störend, weil während der Pandemie eine enorme Nachfrage nach Artikeln herrschte.

Dadurch kam es damals zu erheblichen Engpässen bei Containern und Transportkapazitäten, doch das hat sich inzwischen geändert. Laut Kuipers können es sich viele Schiffe daher leisten, etwas länger unterwegs zu sein. Darüber hinaus hat sich im Vergleich zu vor zwei Jahren etwas geändert: Die ägyptische Regierung hat die Hafengebühren für den Suezkanal deutlich erhöht. Diese seien inzwischen so hoch, dass laut dem Ökonomen einige Reeder bereits den Umweg über Afrika gewählt hätten.

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Van den Eijnden stimmt auch zu, „dass die Situation dieselbe, aber auch sehr unterschiedlich sein kann“. Er geht davon aus, dass der Schaden für sein Unternehmen geringer sein wird als während der Situation mit den Ever Given. Allerdings sei seiner Meinung nach die große Frage, wie lange es dauern wird, bis der 134 Kilometer lange Kanal wieder in Betrieb genommen werden kann. „Wann wird es wieder sicher genug sein? Denn das Versprechen, dass es eine Marinekoalition geben wird, nützt uns noch nichts.“

Zusätzlicher Druck

Was auch Druck auf die Dinge ausübt, ist das bald bevorstehende chinesische Neujahr: eine Zeit, in der Chinesen in Massen die Städte und Fabriken verlassen, um ihre Familien in der Provinz zu besuchen. „Das bedeutet, dass es viele Container gibt, die China vor diesem Zeitpunkt verlassen oder vor diesem Zeitpunkt in China ankommen müssen“, sagt Van den Eijnden. „Das wird extrem dringend sein, denn bis dahin wollen alle mitmachen.“ Die Reeder werden sich daher vorerst noch in turbulentem Fahrwasser befinden.



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