Winfried Baijens‘ persönlicher Ansatz in „Die Erde bebt“ ist kaum mehr als ein etwas eitles Stilmittel

1705264188 Winfried Baijens‘ persoenlicher Ansatz in „Die Erde bebt ist kaum


Arno Haijtema

Ein Thema wie die Gasförderung in Groningen scheint zwar bereits in all seinen positiven und negativen Aspekten entlarvt zu sein, scheint aber auch eine noch unerschöpfliche Quelle an dokumentarischem Material zu sein. Das zeigt die erste Folge (Freitag) von Die Erde bebtein vierteiliges Special von NTR’s Anderen Zeitenin dem Moderator Winfried Baijens die mehr als sechzigjährige Geschichte des niederländischen Wohlstands auf Kosten der Provinz nacherzählt. Schockierende Menge an Gasheißt der erste Teil.

Winfried Baijens forscht in Groningen, in „Die Erde bebt“.Bild NTR

Baijens hat sich in einem malerischen Haus vor Ort niedergelassen, um mit Hilfe von Anwohnern, Whistleblowern und anderen direkt Beteiligten geduldig die Geschichte der Gasförderung und anderer Missbräuche der ton- und torfreichen Provinz als Provinz zu untersuchen. Er muss etwas gutmachen, gibt er zu. Wie viele seiner Medienkollegen hat er zu lange von den tiefen Narben abgeschaut, die die Gasförderung bei den Menschen in Groningen hinterlassen hat.

Der für die Staatskasse so lukrative Abbau verursachte nicht nur Erdsenkungen, Erdbeben und Risse in den Häuserfassaden, sondern zerstörte nach und nach auch das gesamte Vertrauen der ungehörten Bevölkerung in die Behörde. Das Ergebnis ist eine Menge unterdrückter Wut, Frustration und regelrechtes Trauma. Baijens macht nun darauf aufmerksam.

Baijens Ansatz ist persönlich und folgt dem einst von VPRO im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgegebenen Trend: Der Reporter ist der Erzähler und Vernehmer, dem der Zuschauer über die Schulter schaut. Wir erleben zum Beispiel, wie Baijens am Steuer seines Mini wartet, bis eine Gruppe Kühe die Straße überquert hat. Wie er seine schönen Klamotten gegen Overalls eintauscht, bevor er eine Baustelle besucht. Und bringt Salbeibüsche als Geschenk für Sängerin Marlene Bakker mit. Er singt in einem leicht melancholischen Dialekt über den Groninger Boden – einer der vielen Barden, die die Geschichte umrahmen.

Manchmal schreckt Baijens‘ persönlicher Ansatz ab, doch viel mehr als ein etwas eitles Stilmittel ist er hier nicht. Trotz Baijens‘ angeblicher Affinität zur Traurigkeit von Groningen – er wurde in Zeeland geboren, ebenfalls einer Provinz mit einer dramatischen Geschichte – berührt ihn das nicht. Nirgends sieht es so aus, als ob er selbst in irgendeiner Weise die Armut, die Ängste oder das langfristige Nichthören der Groninger Menschen erlebt hätte. Er ist und bleibt der geschliffene und liebenswürdige Reporter, der Profi, der den besorgten Bewohnern den Raum gibt, ihre Geschichten zu erzählen.

Baijens ist lakonisch, er verwendet keinen Bombast und würzt das Drama nicht. Der traumatisierte Blick eines Anwohners, der vom dramatischen Erdbeben vom 16. August 2012 in Huizinge – einem Wendepunkt in der Affäre – erzählt, sagt fast alles. Andere Zeugen erzählen vom Fliesenboden, der durch die Erschütterungen klapperte, von hängenden Lampen, die schwankten, und von einem Sohn, der dachte, „ein Lastwagen sei gegen die Hinterfassade gekracht“. Immer noch schockierend. In Folge zwei: Torfabbau in Groningen. Ich freue mich.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar