Utrecht denkt über Katastrophenszenarien nach: Was, wenn russische Hacker das Gas abstellen?

Utrecht denkt uber Katastrophenszenarien nach Was wenn russische Hacker das


Der Kontrollraum in Utrecht. Funktioniert die Notrufnummer nach einem Cyberangriff oder Stromausfall nicht mehr, muss die Gemeinde alle Feuer- und Polizeiwachen besetzen.Statue Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Sie wählt ihre Worte mit Bedacht. Bürgermeisterin Sharon Dijksma möchte uns erzählen, wie sich die Gemeinde Utrecht auf all die schlimmen Folgen vorbereitet, die der Krieg in der Ukraine für ihre Stadt haben könnte. Aber sie will nicht sofort eine Atmosphäre der „totalen Panik“ erzeugen. Das sei unnötig, sagt sie. „Wir sollten unseren Bewohnern nicht den Eindruck vermitteln, dass der Krieg so kommt.“

Trotzdem haben die Stadtverwaltung und die Sicherheitsregion Utrecht seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine zusätzliche Schritte unternommen – wie übrigens auch andere Regionen. In Utrecht zum Beispiel haben sie kürzlich eine Bestandsaufnahme gemacht, wie viele Luftschutzräume es in der Region für den Fall eines militärischen Zusammenstoßes gibt. Die Antwort: keine.

Auch der Fokus der Sicherheitsleute hat sich verschoben. Bis vor kurzem zielte dies vor allem auf lokale und regionale Ereignisse ab, bei denen Systeme für maximal 48 Stunden ausfallen: zum Beispiel der Ausfall einer Leitwarte oder ein lokaler Stromausfall. Inzwischen finden aber auch größere Szenarien Beachtung – Szenarien, in denen die Stromversorgung, die Banken oder die Gasversorgung für längere Zeit ausfallen.

„Wir haben keinen konkreten Grund zu der Annahme, dass wir heute oder morgen mit massiven Störungen zu kämpfen haben“, sagt Luuk Steenwelle, Leiter für öffentliche Ordnung und Sicherheit bei der Stadtverwaltung. „Aber es ist nicht völlig undenkbar.“

„Wir müssen alle Szenarien ernst nehmen“, sagt Dijksma. „Die Unwahrscheinlichen auch.“

Flugblätter und Soundautos

Diese großen Szenarien werden nun auch in Verwaltungsschulungen behandelt. Erst letzte Woche diskutierten unter anderem der Bürgermeister, der Generalstaatsanwalt und Mitarbeiter der Gemeinde und der Sicherheitsregion Utrecht ein Szenario, in dem das Gasnetz nicht mehr funktioniert.

Geschieht das beispielsweise durch einen Cyberangriff, entstehen schnell große Probleme. Beispielsweise wird ein Großteil des Stroms mit Gas erzeugt. Und ohne Strom fallen Sendemasten aus, obwohl sie in den ersten Stunden noch mit ihren Batterien strahlen können.

„Solche Probleme kann die Gemeinde nicht selbst lösen“, sagt Bürgermeister Dijksma. Diese Verantwortung liegt bei den Ministerien. „Wir sind da, um mit den Konsequenzen fertig zu werden: Wir kümmern uns um die Menschen, die in Schwierigkeiten geraten.“

Während des Trainings wurde beispielsweise deutlich, wie wichtig es in solchen Extremfällen ist, schnell mit dem Bürger zu kommunizieren. Dies muss in den ersten Stunden erfolgen, wenn die Funk-, Fernseh- und Telekommasten noch in Betrieb sind. Danach kann die Kommune nur noch auf altmodische Mittel zurückgreifen: Sie muss bei Stadtteilbüros und Feuerwachen Flugblätter auslegen oder Soundautos herumfahren lassen.

Und wie stellen Sie sicher, dass die Feuerwehr trotzdem ausrückt, wenn die Notrufnummer nicht mehr funktioniert? Dazu muss die Gemeinde alle Feuer- und Polizeiwachen personell besetzen. „Dann musst du auf Socken zur Kaserne laufen“, sagt Steenwelle.

rotes Team

Die Gemeinde Utrecht ist derzeit auch an anderen Fronten „extra wachsam“, sagt die Informationsleiterin Mariëlle van der Zanden. Es stellt sicher, dass kommunale Informationssysteme nicht von Cyberterroristen angegriffen werden. Denn fallen diese Systeme beispielsweise durch einen russischen Hack aus, ist die Erfüllung kommunaler Aufgaben gefährdet.

„Wir haben kürzlich festgelegt, welche Teile unter allen Umständen weitergeführt werden müssen“, sagt Van der Zanden. „Zum Beispiel Leistungen auszahlen. Das darf nie ins Wanken geraten, denn das hat direkte Folgen für die Menschen, die davon abhängig sind.“

Deshalb hat die Gemeinde auch damit geübt. Einem Krisenstab wurde ein Szenario präsentiert, in dem sich noch ein Hacker in den Systemen befand. Ob er Schaden angerichtet hatte, war nicht bekannt. Was sollten die Fahrer tun? Welche Pläne könnten sie sich ausdenken? Wie kann der Dienst fortgesetzt werden?

Auch die Techniker werden geschult. Ein sogenanntes Red Team von Hackern dringt regelmäßig in die Systeme ein, ohne dass die Mitarbeiter dies vorher wissen. „So können wir sehen, wie schnell sie reagieren“, sagt Van der Zanden.

Dosen Bohnen

Und was ist mit der Bevölkerung von Utrecht? Ist es gut auf jede Katastrophe vorbereitet?

„In anderen Ländern sind sie besser auf schwierige Situationen vorbereitet“, sagt Dijksma. „Zum Beispiel auf Inseln in der Karibik, wo sie regelmäßig mit Wirbelstürmen zu kämpfen haben. Da sagt die Regierung: Versiegelt euer Haus und macht daheim eine Bestandsaufnahme. Das ist hier nicht üblich.“

„Einige Leute erwarten, dass die Regierung innerhalb von 10 Minuten nach einer Katastrophe vor ihrer Haustür steht, um sie zu retten“, sagt Steenwelle. ‚Das stimmt aber nicht. Das erste Mal muss man sich selbst tragen können. Deshalb würden wir sagen: Kauft ein paar Dosen Bohnen und einen Kanister Wasser. Obwohl wir auch keine Angst einflößen wollen.“

„Ich denke auch nicht, dass die Gemeinde die Bürger darüber informieren sollte“, sagt Dijksma. „Das ist die Aufgabe der nationalen Regierung.“ Danach stellt sich zwangsläufig die Frage, wie viele Dosen Kidneybohnen der Bürgermeister in seinem Haus hat. Sie muss lachen. Dann: ‚Ich mag keine braunen Bohnen.‘



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