Ungarn ist das letzte Land, das dem NATO-Beitritt Schwedens zustimmt

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Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson (links) schüttelt seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán die Hand.Bild AFP

Fast alle Abgeordneten im Parlament, wo Orbáns Fidesz-Partei über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, stimmten dafür. „Dies ist ein historischer Tag“, sagte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson. Schweden musste mehr als eineinhalb Jahre warten.

Kurz nach der groß angelegten Invasion der Ukraine trat das skandinavische Land aufgrund der akuten russischen Bedrohung zusammen mit Finnland der NATO bei. Doch bei der Aufnahme, die Einstimmigkeit unter den Mitgliedern des Militärbündnisses erfordert, erwiesen sich zwei Länder als Hindernisse: die Türkei und Ungarn.

Über den Autor
Arnout le Clercq ist Korrespondent für Mittel- und Osteuropa de Volkskrant. Er lebt in Warschau.

Sie hatten mit Schweden noch ein Hühnchen zu rupfen und übten mit ihren Einwänden Druck auf das Land aus. Im Fall der Türkei waren diese einigermaßen deutlich: So ist Präsident Recep Tayyip Erdogan der Ansicht, dass Schweden gegenüber der kurdischen PKK und ihren Terroranschlägen in der Türkei zu nachsichtig sei.

Doch die ungarischen Einwände waren weniger konkret. So glaubten Ministerpräsident Viktor Orbán und andere Mitglieder der Fidesz-Parteiführung, dass Schweden sein Land beleidigt habe, indem es die Erosion der ungarischen Demokratie und des Rechtsstaats unter Orbán kritisierte. Was genau die Schweden tun mussten, um Budapest zu überzeugen, blieb unklar.

Politisches Theater

Orbán sagte wiederholt, dass sein Land nicht das letzte Land sein werde, das einem schwedischen Beitritt zustimmt. Doch Anfang dieses Jahres stimmte das türkische Parlament zu, gefolgt von einer Unterschrift von Präsident Erdogan. Der Schritt der Türkei überraschte Budapest. Was folgte, war ein bemerkenswertes Stück politischen Theaters. Orbán sagte, er unterstütze die NATO-Mitgliedschaft Schwedens, verwies jedoch darauf, dass das ungarische Parlament dieser zunächst zustimmen müsse.

Oppositionelle und andere Kritiker warfen Orbán vor, das Parlament als Schande zu nutzen: Die Fraktionsdisziplin der größten Partei Fidesz sei grundsolide. Orbán ist derjenige, der entscheidet. In den letzten Wochen waren auch Parlamentarier in der Pause. Eine Dringlichkeitsdebatte zu Schweden wurde von Fidesz boykottiert.

Unterdessen spielte Orbán ein diplomatisches Spiel mit den Schweden. Er lud Ministerpräsident Kristersson nach Budapest ein, um die – noch nicht sehr konkreten – Unstimmigkeiten zwischen den beiden Ländern zu glätten. Es schien, dass Orbán vom schwedischen Ministerpräsidenten nichts Geringeres als eine Reise nach Canossa erwartete.

Die Schweden lehnten dies zunächst ab, suchten dann aber eine Annäherung. Letzten Freitag war Kristersson in Budapest. Die beiden Länder schlossen einen Verteidigungsvertrag über vier schwedische Kampfflugzeuge ab, der, wie beide Regierungschefs beschworen, völlig unabhängig von der Diskussion über den NATO-Beitritt sei.

Seit der groß angelegten Invasion in der Ukraine kritisiert Orbán, der Beziehungen zu Putin unterhält, die Erweiterung der NATO und die Unterstützung der Ukraine. Allerdings schien der Premierminister auch davor zurückgeschreckt zu sein, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und Zugeständnisse zu erzwingen, wie es bei EU-Verhandlungen in Brüssel regelmäßig zu beobachten ist.

Respekt zeigen

Er sieht sich als wichtigen europäischen Anführer und möchte auch als solcher behandelt werden, sagen ungarische Experten. Péter Krekó von der Denkfabrik Political Capital erwähnte es Die New York Times „Ein typisches Merkmal des Autoritarismus: Man muss dem starken Mann theatralischen Respekt erweisen.“

In den letzten Wochen hat der externe Druck auf Orbán, den schwedischen Beitritt zu beschleunigen, zugenommen, insbesondere seitens der USA.

Mit der Zustimmung des Parlaments in Budapest ist nun auch die letzte Hürde genommen. Nur der neue ungarische Präsident oder vorübergehende Stellvertreter (die frühere Präsidentin Katalin Novák ist nach einem Skandal kürzlich zurückgetreten) muss das Gesetz noch unterzeichnen. Vielleicht weht bereits Ende dieser Woche die gelb-blaue schwedische Flagge im Nato-Hauptquartier.



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