Rotterdam trauert um Tati Gomes, Gründerin des Friseursalons: „Ich werde jetzt aus Respekt einen essen“

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Vor der Fassade des Unternehmens Tati Gomes in Rotterdam stehen Blumen zu Ehren des am Sonntag verstorbenen Besitzers, der den Friseursalon erfunden hat.Bild Lina Selg

Am Fenster des Kapsalon Tati am Schiedamseweg in Rotterdam hängen Fotos des Besitzers Nathaniel Gomes, der am Sonntag im Alter von 47 Jahren verstorben ist. Vor der Fassade stehen Blumen, der Haufen wächst von Stunde zu Stunde. Ein paar Kollegen trauern im Betrieb. Gomes war Friseur, aber sein berühmtestes Vermächtnis ist der „Friseursalon“, das mittlerweile weltberühmte Essen, das er oft im angrenzenden Dönerladen aß.

Pommes Frites, Schawarma, geschmolzener Gouda-Käse, Salat, Gurke und Tomate, garniert mit Knoblauch und Sambalsauce. In der großen Variante gut für 1.800 Kalorien. Der Mega-Snack entstand im Jahr 2003, als Gomes in die angrenzende Snackbar El Aviva ging, um sein Mittagessen zu bestellen. Er ließ ein Gericht zusammenstellen, das aus all seinen Lieblingszutaten bestand. Die Kombination hat funktioniert. In der Fortsetzung fragte Gomes nach „dem regulären Rezept des Friseurs“. Bald genügte der „Friseursalon“.

Fotos von Tati Gomes hängen vor dem Fenster seines Friseursalons, wo draußen das Blumenmeer wächst.  Bild Lina Selg

Fotos von Tati Gomes hängen vor dem Fenster seines Friseursalons, wo draußen das Blumenmeer wächst.Bild Lina Selg

Die Geschichte von Gomes und dem Friseursalon verbreitete sich außerhalb der Snackbar-Welt, als der Rotterdamer Stadthistoriker Paul van de Laar 2008 davon hörte. Der Stiftungsprofessor für Stadtgeschichte war damals Sammlungsdirektor am Museum Rotterdam. In dieser Funktion erforschte er das zeitgenössische Erbe der Stadt. „Ich habe mich für ein paar Wochen in einem Imbiss in Delfshaven niedergelassen und so mit den Rotterdamern in Kontakt gekommen“, sagt Van de Laar. Dort hörte er, wie die Kunden, die auf Türkisch oder Marokkanisch bestellten, ein niederländisches Wort sagten, das er nicht in den Kontext einordnen konnte: Kapsalon.

Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass alle Imbisse, Döner- und Dönerläden in der Nachbarschaft den Zutatenmix auf ihrer Speisekarte hatten. Dank des kapverdischen Friseurs am Schiedamseweg war daraus ein echter Trend geworden, der sich schnell in ganz Rotterdam und später in den Niederlanden und Europa verbreitete.

Kulturerbe der Zukunft

Deshalb argumentierte Van de Laar in einem Vortrag, er habe das kulturelle Erbe der Zukunft gefunden, und zwar in einem rechteckigen, hitzebeständigen Aluminium-Mitnahmebehälter. Es war der Beginn eines regelrechten Hypes: Es folgten Leserbriefe in Zeitungen, ein Friseursalon-Festival, eine Friseursalon-Wahl, ein Friseursalon-Index und ein Recherchebudget.

Diese Untersuchung ergab, dass die Verbreitung des Friseursalons im Rest der Niederlande mit den sozialen Medien zusammenhängt, sagt Van de Laar. „Hyves war damals eine große Social-Media-Plattform in den Niederlanden. Vor allem Studierende posten dort Bilder des Imbisses, der auf den ersten Blick wenig appetitlich wirkte. So wurde das Phänomen Rotterdam immer bekannter.“

Auch Food-Trend-Follower Ubel Zuiderveld sah, dass die rasante Verbreitung des Friseursalons mit den sozialen Medien zu tun hatte. „Es dauerte etwa dreißig Jahre, bis sich Sushi in den Niederlanden verbreitete, und innerhalb von fünf Jahren stand der Friseursalon fast überall auf der Speisekarte.“ Doch das sei nicht der einzige Grund, warum der Friseursalon immer beliebter werde, meint er. „Es hing auch mit dem Aufstieg der Lieferdienste zusammen. „Der Friseursalon konnte problemlos in einem Container transportiert werden und blieb auch lange warm.“

Diversität

Der Friseursalon wurde als „True Rotterdam Heritage“ ausgezeichnet. Zu Recht, sagt Van de Laar. „Es ist ein Snack, der aus der Vielfalt der Stadt stammt.“ Diese Vielfalt gibt es nicht nur in der Stadt, aber sie wurde – und das ist sehr auffällig – sofort als echtes Rotterdam bezeichnet.“ Im Jahr 2020 wurde das Gericht in die niederländische Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Der Rotterdamer Karikaturist Reidar Plokker schrieb eine satirische Broschüre über einen fiktiven Rotterdamer Integrationskurs, in dem der Friseur nicht fehlen durfte. „Es ist wirklich Rotterdamer Symbolik.“ Es wird aus türkischen Zutaten zubereitet und von einem Kapverdianer bestellt. Unter dem Motto: Alles zusammenfügen. „Das Schöne ist, dass es allen, auch dem weißen Rotterdammer, gefällt und stolz darauf ist.“

Gomes selbst sei von der großen Aufmerksamkeit für seine Erfindung überrascht gewesen, sagt Van de Laar, der ihn einige Male traf. „Er wirkte wie ein sympathischer, bodenständiger Mann. Ich erinnere mich, wie er sagte: „Wenn ich jemals den Namen ‚Friseursalon‘ patentiert hätte, wäre ich wahnsinnig reich geworden.“

Kapsalon: Pommes Frites, Schawarma, geschmolzener Gouda-Käse, Salat, Gurke und Tomate, garniert mit Knoblauch und Sambalsauce.  „Wirf einfach alles zusammen.“  Bild Lina Selg

Kapsalon: Pommes Frites, Schawarma, geschmolzener Gouda-Käse, Salat, Gurke und Tomate, garniert mit Knoblauch und Sambalsauce. „Wirf einfach alles zusammen.“Bild Lina Selg

El Aviva, der Döner-Ort, in dem alles begann, ist wegen Urlaub geschlossen. Fernsehkoch Job Pattinasarany, auf 24Kitchen als „Meister der Rotterdamer Küche“ bekannt, steht vor verschlossener Tür. Hier hätte er gerne den ursprünglichen Friseursalon gekauft, doch nun sucht er nach einem anderen Geschäft. „Mittlerweile ist es zu einem ernstzunehmenden Konzept geworden, auch über die Grenze hinaus.“ Während es hier verdammt noch mal angefangen hat! Als der Friseursalon entstand, wohnte ich noch auf der anderen Straßenseite und befand mich im letzten Jahr meiner Kochausbildung. Nach einer so langen Arbeitswoche wacht man am Sonntag um 15 Uhr auf und möchte dann einfach nur Fett essen. Und ein Friseursalon, das ist so ein schönes Katerfrühstück. „Aus Respekt werde ich jetzt auch eins essen.“



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