Jetzt im Supermarkt: Packungen mit entsalztem Nordseewasser. Eine Lösung für Wasserknappheit?

Jetzt im Supermarkt Packungen mit entsalztem Nordseewasser Eine Loesung fuer


Meerwasserentsalzungsanlage im Hafen von IJmuiden.Statue Simon Lenskens

Nichts an dem Wasser deutet darauf hin, dass es aus der Nordsee stammt: kein salziger Geschmack oder Geruch. Gepumpt wurde sie jedoch am Zuidpier in IJmuiden, wo die erste Entsalzungsanlage des niederländischen Unternehmens Sea Water steht. Hier wurde das Meerwasser durch eine Reihe von Filtern gepresst, in denen Salz und Schadstoffe zurückbleiben. Die benötigte Energie kommt von Sonnenkollektoren auf dem Dach. Am Ende der Fahrt bleibt klares Trinkwasser übrig, das seit Ende August bei Albert Heijn zum Verkauf steht. Damit gelangt erstmals entsalztes Nordseewasser in die niederländischen Regale. Hat die Dürre schon den Punkt erreicht, an dem sogar Niederländer zum Trinken ans Meer greifen müssen?

In trockenen Ländern wie Israel und Saudi-Arabien ist die großflächige Entsalzung von Meerwasser bereits die selbstverständlichste Sache der Welt. Laut einer Fachzeitschrift hat sich die Zahl der Entsalzungsanlagen weltweit in den vergangenen zwanzig Jahren verdreifacht Wissenschaft der gesamten Umwelt veröffentlichtes Inventar aus dem Jahr 2018.

Und ja, das Meer kann auch in den Niederlanden eine Rolle bei der Trinkwasserversorgung spielen, sagt die Entsalzungsforscherin Marjolein Vanoppen (Universität Gent). Sie kommentiert gleich: „Die Entsalzung kann und soll in diesem Teil Europas nicht zu einer primären Trinkwasserquelle werden. Dafür ist es zu energieintensiv.“

  Frisch gefiltertes Wasser kommt aus einem Wasserhahn in der Anlage in IJmuiden.  Statue Simon Lenskens

Frisch gefiltertes Wasser kommt aus einem Wasserhahn in der Anlage in IJmuiden.Statue Simon Lenskens

Das Verfahren sei in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches energieeffizienter geworden, erklärt sie, aber selbst mit den sparsamsten Techniken würden immer noch etwa 4 bis 8 Kilowattstunden Strom benötigt, um etwa 1.000 Liter entsalztes Wasser herzustellen. Dies ist vergleichbar mit dem täglichen Stromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts. Als Referenz: Niederländische Trinkwasserunternehmen produzieren mehr als 1.000 Milliarden Liter Wasser pro Jahr, hauptsächlich aus Grundwasser.

Mit Energie sind Kosten verbunden. In den Niederlanden könnte entsalztes Nordseewasser etwa zum Doppelten des derzeitigen Trinkwasserpreises aus dem Wasserhahn fließen, schätzt Luuk Rietveld, Professor für Trinkwasser an der TU Delft. Dies spiegelt sich in der Rechnung für den Verbraucher wider.

Außerdem sei gerade bei der großtechnischen Entsalzung der Abfall Sole ein Problem, sagt Rietveld. Dieses extrem salzhaltige, verschmutzte Wasser ist schädlich für Pflanzen und Tiere. Auch die ordnungsgemäße Abwicklung ist mit Kosten verbunden.

Lokal und nachhaltig

Es ist kein Zufall, dass niederländische Verbraucher entsalztes Meerwasser im Supermarkt kennenlernen können. Die beiden Gründer von Sea Water, die Brüder Tammo und Jort Wildschut, wollen mit lokal nachhaltig entsalztem Wasser eine Alternative zu abgefülltem Mineralwasser bieten. Extrakosten sind kein solches Problem, denn abgepacktes Wasser ist um ein Vielfaches teurer als Leitungswasser.

Wer wirklich nachhaltig sein will, sollte in den Niederlanden eine Flasche unter dem Wasserhahn halten, heißt es gleich. Gerade wegen der Verpackung und des Transports hat Wasser im Supermarkt immer eine höhere Umweltbelastung.

Aber es gibt auch Flaschen aus dem Ausland in den Niederlanden, daher ist es nachhaltiger, eine Packung entsalztes Wasser aus IJmuiden zu wählen, heißt es. Jort Wildschut: „Als Unternehmen kann man immer noch einen Dopper (Marke für Mehrwegflaschen, rot.) auf den Markt, aber in den Niederlanden werden jedes Jahr noch Hunderte Millionen Liter abgefülltes Wasser verkauft. Deshalb bemühen wir uns, diese Branche ein bisschen nachhaltiger zu machen.“

Letztendlich sehen sie eine große Chance für lokal entsalztes Wasser, insbesondere in trockeneren Ländern wie Italien und Spanien, wo abgepacktes Wasser viel beliebter ist. Der Hauptgrund, in den Niederlanden mit einer bescheidenen Produktionskapazität von 11.000 Litern pro Tag anzufangen, ist einfach, dass sie von dort kommen. Außerdem, sagen die Brüder, seien die Qualitätsstandards streng: Wenn ihr entsalztes Meerwasser hier die Prüfung besteht, sollte es fast überall funktionieren.

Eine Packung Meerwasser.  Statue Simon Lenskens

Eine Packung Meerwasser.Statue Simon Lenskens

Keine Wundertechnik

So reizvoll die Vorstellung vom unendlichen Meer als Trinkwasserquelle auch ist, die Experten sind sich einig, dass die Entsalzung keine Wundertechnologie ist, die alle Knappheit aufgrund des Energiebedarfs und der Abfallproblematik beseitigen wird. Luuk Rietveld erwartet mehr von einer besseren Wassersammlung in Regenperioden und Wiederverwendung. „Denken Sie an die Reinigung von gebrauchtem Trinkwasser, um es direkt für Landwirtschaft oder Industrie zu verwenden.“

In trockeneren Gebieten der Erde kann die Entsalzung eine größere Rolle spielen, aber es gibt noch viel zu gewinnen von einem intelligenteren Wassermanagement, glaubt der Professor. Das meiste Süßwasser weltweit wird für die Bewässerung verwendet. „Man kann entsalztes Wasser über Felder sprühen, aber die Tomaten werden schnell zu teuer.“

Aber auch in den Niederlanden kann entsalztes Wasser aus dem Wasserhahn fließen, prognostiziert Marjolein Vanoppen. In trockenen Sommern könnte das Meer vorübergehend Abhilfe schaffen. Das findet auch das internationale Unternehmen Elemental Water Makers. Es habe eine Anlage in Scheveningen, die noch immer rein zu Forschungs- und Demonstrationszwecken bestimmt sei, schrieb Direktor Sid Vollebregt per E-Mail. „Wir sehen, dass es auch in den Niederlanden zunehmende Wasserknappheit gibt, aber hauptsächlich während einer kurzen Zeit im Sommer.“

Unter anderem untersucht nun unter anderem der Trinkwasserversorger Brabant Water die Möglichkeiten der baulichen Nutzung von Meerwasser. Auch die Entsalzung von Brackwasser ist eine Option. „Wir sind ein Grundwasserunternehmen, das langfristig Entscheidungen treffen muss“, sagt Sprecherin Ilse de Groot. „Wir schätzen jetzt, dass die Nachfrage nach Trinkwasser aufgrund des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Aktivitäten steigen wird und Grundwasser nicht unbegrenzt verfügbar ist. Deshalb müssen wir uns schon in etwa zehn Jahren Gedanken über Alternativen machen.“

Welche Rolle die Entsalzung letztlich in Westeuropa spiele, hänge maßgeblich davon ab, wie stark die Dürren als Folge des Klimawandels ausfallen, sagt Vanoppen. „Das wissen wir noch nicht so genau. Deshalb ist es für Trinkwasserunternehmen ratsam, sich Optionen offen zu halten.“



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