In ‚Slaughterhouse Five‘, nach dem Buch von Kurt Vonnegut, fehlt etwas Entscheidendes ★★★☆☆

In Slaughterhouse Five nach dem Buch von Kurt Vonnegut fehlt


Bram Suijker in Slaughterhouse 5 des Theater Rotterdam.Bild Sanne Peper

‚So läuft das.‘ Im satirischen Antikriegsroman Schlachthof fünf (1969) von Kurt Vonnegut kommt dieser phlegmatische Ausdruck 106 Mal vor. Hauptfigur Billy Pilgrim sagt es jedes Mal, wenn jemand stirbt oder wenn er eine andere sinnlose Grausamkeit erwähnt. Vonnegut stützte Pilgrim auf seine eigenen Erfahrungen als Kriegsgefangener zur Zeit der apokalyptischen Bombardierung Dresdens im Februar 1945.

Sein Buch gilt als einer der größten Antikriegsklassiker: eine wahnsinnige Mischung aus Horror, Slapstick und Absurdität, aus fleischlichen, irdischen Szenen und wahnsinnigen kosmischen Abenteuern. Denn Billy Pilgrim ist „aus der Zeit gefallen“. Mühelos bewegt er sich zwischen Krieg, Ehe, Kindheit und Nachkriegskarriere hin und her, in großen, nicht chronologischen Zeitsprüngen. Außerdem begibt er sich auf ein verrücktes Alien-Abenteuer, als er entführt und auf dem Planeten Tralfamadore zur Schau gestellt wird.

Von den Tralfalmadorianern lernt Pilgrim, dass die Zeit nicht linear verläuft. Eine Person, die an einem Punkt stirbt, ist zu einem anderen Zeitpunkt am Leben und wohlauf. Diese Einsicht hilft Billy, mit seiner traumatischen Erfahrung umzugehen, mit Enttäuschung, Traurigkeit und Tod. Und mit der unfassbaren Grausamkeit und dem großen Leid der Menschen. So läuft das.

‚Alles war super und nichts schmerzte‘

Regisseur Erik Whien wagt sich nun an eine Theaterversion dieses wunderbaren Buches im Theater Rotterdam. Ein Wagnis, bei dem vieles stimmt, aber auch etwas Entscheidendes fehlt. Koen Tachelet hat eine neue Adaption gemacht, die, obwohl sie sich durch Klarheit auszeichnet, viel Wahnsinn und Humor verloren hat. Dem stehen wunderschöne theatralische Bilder, faszinierende philosophische Fragen und ein unglaublich cleveres akrobatisches Spiel von Bram Suijker als Billy Pilgrim gegenüber.

Das Eröffnungsbild ist sofort atemberaubend. Darin steigt Suijker langsam vom Himmel herab – ein fallender Mann, der einsam im Nichts umherirrt. So muss es sich für den 22-Jährigen angefühlt haben, der hörte, wie die Bomber ihre sengende Nutzlast über die Stadt schütteten, nur um in der verwüsteten Mondlandschaft Holzkohlestücke in Menschengestalt zu finden, und der intakte Leichen mit einem Flammenwerfer einäschern musste . Wie kann man diese Erfahrung jemals teilen, geschweige denn überwinden? Pilgrims extreme Langmut war die einzige Antwort für Vonnegut. Als seine Frau Valencia Billy fragt, wie es war, dieser Krieg, antwortet er: „Alles war schön und nichts tat weh“.

Regisseur Whien bleibt dem Ton und der Sprache des Buches treu: dem Staccato-Stil, dem lakonischen Tenor. Dies erfordert einen gefährlichen Balanceakt von Bram Suijker, der gleichzeitig unbeeindruckt, witzig, ironisch und zutiefst tragisch sein muss. Suijker hat sicherlich die gewünschte Agilität dafür und eine schöne, naive Art von Unschuld, gemischt mit teuflischem Charme. Doch dieses prekäre Gleichgewicht hält er nicht über die gesamte Aufführung aufrecht – oder es ist dem Zuschauer letztlich einfach unmöglich, mit jemandem mitzufühlen, der so unberührt bleibt. Du weißt, dass es sein Abwehrmechanismus ist, aber du spürst nicht genug von dem, was darunter liegt.

Zeitreisen als Metapher für Traumata

Es gibt einen schönen Moment, in dem Whien ausdrücklich zeigt, dass Zeitreisen eine Metapher für Traumata sind. Billy liegt nach dem Krieg neben seiner Frau im Bett, und Augenblicke später umarmt er einen toten Körper in Kriegszeiten. Für einen Traumatisierten steht die Zeit still. Er erlebt den Moment immer wieder neu, er ist dem Schrecken entronnen und erlebt ihn doch jeden Tag. Diese Tatsache ist bewegend, aber der Moment ist zu kurz, um dieses Gefühl aufkommen zu lassen.

Außerdem muss Suijker nicht nur eine Figur, sondern vor allem auch ein Erzähler sein – ein häufiger Fallstrick bei Buchadaptionen, der den Zuschauer auf zusätzliche Distanz hält. Im flüssigen Schnitt überfliegen wir die Szenen etwas zu schnell: Dadurch kann zwischen Suijker und seinen Schauspielkollegen – Hannah Hoekstra und Jip van den Dool – bis auf wenige kurze Momente, in denen Hoekstra als Billys Tochter Barbara verliert kurzzeitig die Menschlichkeit. macht spürbar: ihren Verlust, ihren Schmerz, ihre Sorgen um ihren fehlgeleiteten Vater.

Insgesamt bleibt diese intelligente, ästhetische Inszenierung etwas zerebral, auch wenn der Krieg in der Ukraine dem Ganzen eine schmerzhafte Aktualität verleiht. Vor allem ist es ein schöner, existenzieller Dekorfund, der tief berührt. Auf der Backstage entfaltet sich im Handumdrehen ein riesiges aufblasbares Baby: Der prall gefüllte Bauch füllt sich mit Luft, mit Leben, das Baby strampelt mit seinen fetten Beinen, nur um fürchterlich schnell zusammenzuschrumpfen. Lebe und stirb in einem Moment. Denn ja, so geht das.

Als Regisseur ist Erik Whien ein Meister zwischenmenschlicher Beziehungen und psychologischer Raffinesse. Am Theater Rotterdam fertigte er zuvor das Bewegliche an Revolutionäre Straßeder zutiefst Beeindruckende Endspiel und das herzzerreißende Traurigkeit ist das Ding mit Federn† Beim Proben Schlachthof fünf Er und seine Besetzung waren beeindruckt von den Ähnlichkeiten zwischen dem Buch und dem Krieg in der Ukraine. Er sagte: „Wir sehen, wie sich die Geschichte auf schreckliche Weise wiederholt. Kurt Vonnegut versuchte es mit Schlachthof fünf um die Absurdität und schiere Sinnlosigkeit des Krieges zu beschreiben, aber die Realität ist brutal.‘

Schlachthof fünf

Theater

Von Kurt Vonnegut. Unter der Regie von Erik Whien am Theater Rotterdam. Mit Bram Suijkers, Hannah Hoekstra, Jip van den Dool.

18/3, Theater Rotterdam. Tournee bis 8. Mai.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar