Einem strukturellen Arzneimittelmangel kann man nur entgegenwirken, indem man die Produktion wieder selbst in die Hand nimmt

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Ein Ausgabeautomat für Medikamente im Jordaan in Amsterdam.Bild ANP / Mariette Carstens Photography

Sporadische Engpässe bei der Verfügbarkeit von Medikamenten waren an der Tagesordnung. Aber Engpässe werden in unserem Land allmählich zur Regel und nicht zur Ausnahme. Es ist gut zu wissen, dass die zunehmende Medikamentenknappheit nicht nur in den Niederlanden, sondern ein weit verbreitetes internationales Phänomen ist.

Was ist die Ursache und was kann man dagegen tun? Die Ursachen sind vielfältig: Die Vertriebsketten sind lang und anfällig und die Retouren vieler Hersteller stehen unter Druck. Zudem seien die Produktionsprozesse kompliziert und störanfällig, während der niederländische Pharmamarkt aufgrund des Preisdrucks der Regierung und der Politik der Krankenkassen wenig interessant sei. Oft wird nur eine Marke erstattet. Vor allem aber ist es die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern von Arzneimitteln (Wirkstoffen).

Über den Autor
Harry Suykerbuyk arbeitete im Pharmasektor und in der Regierung. Er war unter anderem für die Arzneimittel- und Medizinproduktepolitik im Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport verantwortlich.

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Ein rein nationaler Ansatz in Form fehlender Maßnahmen wie zusätzliche Lagerbestände im Handel, höhere Preisobergrenzen und umfassendere Erstattungen für Billigmedikamente werden keinen Unterschied machen. So geschah es Anfang 2023 Minister für Gesundheit, Soziales und Sport, Ernst Kuipers, hat eine Erhöhung der Höchstpreise für rund viertausend Ressourcen um 15 Prozent durchgesetzt kein messbarer Effekt hatte, im Gegenteil.

Der einzige, leider schwierige und zeitaufwändige Weg besteht darin, die Produktionskapazitäten und die Versorgung mit APIs (Active Pharmaceutical Ingredients bzw. pharmazeutischen Wirkstoffen) in der Nähe zu erhöhen, um insbesondere von asiatischen Ländern unabhängiger zu werden. Die Realität ist, dass ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel, die Verringerung des Medikamentenmangels, nur mit einer „altmodischen“ Industriepolitik erreicht werden kann. Der Verlust westlicher Produktionskapazitäten war ein Prozess, der Jahre gedauert hat, und es wird auch viel Zeit und Mühe kosten, ihn wieder rückgängig zu machen

Große innovative Pharmaunternehmen haben eine strenge Kontrolle über die Produktion ihrer APIs, der Wirkstoffe ihrer wichtigen patentgeschützten Markenmedikamente. Die Produktion erfolgt in der Regel im eigenen Haus oder über exklusiv beauftragte, spezialisierte Lohnfertiger.

Anders ist das in der Generikaindustrie. Dennoch macht es weltweit – gemessen an der Menge – den größten Teil des Medikamentenangebots aus, und zwar in Form von patentfreien, meist markenfreien oder rezeptfreien Medikamenten. Die Wirkstoffe werden auf dem Weltmarkt von relativ wenigen, auf die Synthese von Wirkstoffen spezialisierten Unternehmen bezogen. Es gibt mehrere wichtige Ausnahmen von dieser Regel Generika-Hersteller, die neben der Tablettierung, Verkapselung und Ähnlichem auch – zumindest teilweise – die notwendigen Inhaltsstoffe selbst herstellen.

API-Hersteller sind insbesondere auf die organische Synthese spezialisiert. Relativ einfache Chemikalien werden oft zunächst zu „Zwischenprodukten“ und dann zu hochwertigen Wirkstoffen verarbeitet. Andere haben sich auf biotechnologische Prozesse konzentriert, die hauptsächlich therapeutisch nützliche Proteine ​​produzieren. Diese Hersteller nutzen unter anderem Zellkulturen in Bioreaktoren, die zur Produktion von Proteinen, etwa monoklonalen Antikörpern, angeregt werden, die Krankheiten innerhalb des menschlichen Immunsystems sehr effektiv bekämpfen können. Bakterien werden beispielsweise auch zur Herstellung von Antibiotika verwendet.

Die Konsolidierung der API-Branche in den letzten Jahrzehnten ging mit weitreichenden Rationalisierungen und Kosteneffizienzen einher. Auch deshalb haben sich Hersteller zunehmend außerhalb westlicher Volkswirtschaften etabliert. Beispielsweise weisen chinesische und indische Wettbewerber aufgrund niedrigerer Lohn- und Energiekosten sowie geringerer Umweltauflagen eine günstigere Kostenstruktur auf.

Daten der Europäischen Kommission zeigen dass asiatische Unternehmen mittlerweile über fast zwei Drittel der von der EU ausgestellten API-Zertifikate verfügen. In fast hundert Fällen fehlen den europäischen Partnern Produktions- oder Qualitätszertifikate für wichtige Wirkstoffe. Nach und nach hat sich die Situation entwickelt, dass es auf dem Weltmarkt regelmäßig nur einen Anbieter für einen bestimmten Wirkstoff gibt, der oft außerhalb Europas ansässig ist.

Eine darauf ausgerichtete Industriepolitik übersteigt jedoch die Stärke der Niederlande allein. Zudem drängt sich schnell der Verdacht auf unerlaubte staatliche Beihilfen und damit eine Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil anderer EU-Länder auf. Nur ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene hat Aussicht auf Erfolg. Ein günstiger Umstand ist, dass die Europäische Kommission bereits über verschiedene Mittel verfügt, die Marktteilnehmer mit Investitionsplänen in die API-Produktion in Anspruch nehmen können.

Jetzt müssen wir also warten Kommission, die ihre Absicht angekündigt hat, Anfang dieses Jahres eine Allianz zu gründen unter anderem mit dem Ziel, die Produktion „kritischer“ Arzneimittel (Arzneimittel, die gegen schwere Krankheiten eingesetzt werden und für die keine unmittelbaren Alternativen verfügbar sind) anzukurbeln, Hrsg.). Allerdings gibt die mangelnde Konkretheit der Absichten Anlass zur Sorge. Die Kommission sagt, sie habe aus der Corona-Pandemie gelernt. Hoffentlich sind dies Lektionen, in denen die Schlüsselkonzepte Tempo und Investitionsbereitschaft im Mittelpunkt stehen. Denn die drohenden gesundheitlichen Schäden für viele Patienten vertragen keine behördliche, geschweige denn politische Prokrastination.

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