Die amerikanische Jugend fühlt sich wie in den 1930er Jahren

1701864493 Die amerikanische Jugend fuehlt sich wie in den 1930er Jahren


Amerikanische Jugendliche beschweren sich über die Wirtschaft.Bild TikTok

Zwei freudlose Augen blicken direkt in die Kamera. „Wir befinden uns mitten in einer stillen Depression“, heißt es. Ein amerikanischer junger Mann, der aus unbekannten Gründen mitten im Wald steht, erklärt, dass sich sein Land im wirtschaftlichen Niedergang befinde. „Ich werde erklären, warum.“

Er vergleicht das Leben „jetzt“ mit dem der 1930er Jahre. „Damals lebten 48 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 25 und 29 Jahren bei ihren Eltern, heute sind es mehr als 52 Prozent.“ Laut dem Video, das mehr als eine Million Mal angesehen wurde, hat sich fast alles im Leben verschlechtert: Einkommen, Benzinpreise, Lebensmittel, Autos, Wohnen.

Über den Autor
Maral Noshad Sharifi ist US-Korrespondentin für de Volkskrant. Sie lebt in New York.

Es wird das sein Stille Depression genannt; Amerikanische Jugendliche auf TikTok scheinen über nichts anderes reden zu wollen. Sie vergleichen die Wirtschaftslage mit der der Weltwirtschaftskrise. Ihr Punkt: Es wird jetzt viel schlimmer, aber niemand redet darüber. Videos von jungen Amerikanern, die der Welt ihre sozioökonomische Misere kundtun, gehen auf TikTok viral. „Es ist schrecklich, was hier los ist!“

Joe Biden

Das Weiße Haus beobachtet diesen Online-Trend und zittert. Jetzt, da die Wahlkampfsaison begonnen hat, freut sich Joe Biden, seinen wirtschaftlichen Erfolg zu verkünden. Niedrige Inflation! Arbeitsplätze! Kaum Arbeitslosigkeit! Wollen diese jungen Leute das nicht sehen? Oder ist da noch etwas anderes los?

Mehr als 40 Prozent der Amerikaner auf TikTok beziehen alle ihre Nachrichten von der Plattform. Leute, die keine Zeitung lesen oder CNN oder Fox schauen. Und wenn auf dieser Plattform Der Trend geht dahin, dass sich das Land in einer Depression befindet. Was bedeutet das für die Demokratische Partei, die ohne die Stimme junger Menschen keine Wahlen gewinnen wird? Das Weiße Haus versucht schon seit einiger Zeit, auf TikTok Herzen zu erobern. Joe Biden schreibt persönliche Briefe an linke Tiktoker. Anfang des Jahres lud er eine ganze Menschenmenge ins Weiße Haus ein. Jetzt versucht sein Team, positive Botschaften über die Wirtschaft in die sozialen Medien zu bringen.

Viertel teurer

Ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl machen sich die Amerikaner immer noch Sorgen um die Wirtschaft. Die hohe Inflation ist auf drei Prozent gesunken, aber Lebensmittel sind ein Viertel teurer als vor vier Jahren. Die Immobilienpreise haben sich fast verdoppelt. Besonders junge Menschen sind besorgt. Sie müssen länger bei ihren Eltern wohnen und können sich kein Auto leisten. Das zeigt, dass fast 60 Prozent der Wähler unter 30 Jahren der Meinung sind, dass die Wirtschaft in einem schlechten Zustand sei eine Umfrage der New York Times/Siena College. Auf TikTok hören sie, dass sie sich mitten in einer depressiven Episode befinden Zeitgeist sind geendet. Bleibt die Frage, ob es richtig ist.

Die Weltwirtschaftskrise war eine anhaltende Wirtschaftskrise, in der viele Banken scheiterten, Menschen ihre Häuser verloren und der Aktienmarkt einbrach. Damals war jeder vierte Amerikaner arbeitslos, heute sind es vier von hundert. Und ja, die Preise sind gestiegen, aber auch die Einkommen. „Viele Dinge fühlen sich schwerer an“, sagt Betsey Stevenson, Wirtschaftsprofessorin an der University of Michigan Die New York Times. Die Menschen würden den Wert des Geldes zu sehr in festen Begriffen betrachten, was als „Geldillusion“ bezeichnet wird. Experten sehen, dass TikTok-Posts über die Silent Depression falsche Zahlen enthalten.

Vergessene Mittelschicht

Gleichzeitig sind die Sorgen vieler um ihre Existenz keine Fiktion. Amerikanische Jugendliche geben einen größeren Teil ihres Einkommens für Miete, Hypotheken, Bildung und medizinische Versorgung aus. Zudem haben die vielen befristeten Verträge das Gefühl der Stabilität verloren. Und dann ist da noch die Angst, durch Technologie ersetzt zu werden. Nach Ansicht einiger Experten entsteht in den USA eine „vergessene Mittelschicht“, deren Bedenken nicht immer in Statistiken erfasst werden können. Wer weiß, vielleicht gelingt es dem Weißen Haus, die Wirtschaftskrise rechtzeitig zu bekämpfen.



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