Der Strandpolizist bereitet sich auf eine arbeitsreiche Woche vor: „Ich sehe eine Reihe von Hähnen“

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Die Beamten Michael und Lindsay mit einem Obdachlosen, der die Nacht am Strand verbringen möchte.Figur Arie Kiewit

Eines ist an schwülen Sommertagen sicher, sagt Scheveningens Polizeibeamter Michael: Es kann unruhig werden. Ab etwa acht Uhr, wenn die Sicht der Täter durch einen langen Sonnentag und die Gläser Bacardi-Cola getrübt ist, kommt es auf dem Boulevard zu ersten Showdowns. Eine von Michaels Taktiken: Sich mit voller Wucht auf den muskulösesten Kämpfer stürzen. Das ist oft der Anstifter und treibt die verfeindeten Fraktionen auseinander.

Doch stattdessen starrt Michael an diesem Freitagnachmittag auf die graublauen Wolken, die über dem Strand hängen. Heute gibt es keinen Massentourismus. Später am Abend finden jedoch Strandpartys auf dem Zwarte Pad nördlich des Piers statt. „Azora, Colorado Charlie und Boomerang werden heute Abend viel zu tun haben“, sagt Kollegin Lindsay. Sie haben die Abendschicht. Vielleicht kann es trotzdem spannend werden.

Über den Autor

Abel Bormans ist Regionalreporter für de Volkskrant in der Provinz Südholland. Zuvor war er Medienreporter und einer von drei Journalisten, die über die Missbräuche bei schrieben Die Welt geht weiter.

auf frischer Tat ertappt

In den Sommermonaten patrouillieren Michael (38) – stämmig gebaut, freundliches Lächeln – und Lindsay (28) – hochgesteckte blonde Locken, fester Händedruck – am Strand. Sie können vom Küstenaufsichtsteam eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass Besucher von Scheveningen den Strand in Den Haag sicher genießen können. Der Badeort ist seit Jahren mit vielen Belästigungen wie Gewalttaten, Alkohol- und Drogenkonsum sowie Einschüchterungen konfrontiert.

Michael manövriert das Polizeiauto, einen Toyota Hilux, gekonnt an den Strandbesuchern (laut Michael „hauptsächlich Deutsche“) vorbei, die trotz des schlechten Wetters ihre Handtücher ausgebreitet haben. Jedes Mal, wenn er am Lenkrad ruckt, wirbelt der Sand auf.

Dann hört man plötzlich aus dem Walkie-Talkie: „Ein Mann masturbiert an den Strandbars vorbei.“ Beschreibung: sonnengebräunt oder leicht getönt. Doch am Ort angekommen ist kein Masturbator zu sehen. „Schwierig, knifflig“, murmelt Michael. „Man muss sie auf frischer Tat ertappen. Oder jemand muss sie darauf hinweisen.‘ Aber die Person, die die Meldung gemacht hat, antwortet nicht mehr. Und so ziehen sie weiter.

Kurz nachdem vier deutsche Touristen mit ansehen müssen, wie Michael ihre Gelenke zertrampelt – „sie wussten wirklich nicht, dass das nicht erlaubt ist, das ist ihre Strafe“ – schlängelt sich ein Radfahrer über den Boulevard. Radfahren ist dort nicht erlaubt. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen polnischen Mann handelt, er trägt einen roten Kapuzenpullover.

Großer Mund

In den letzten Jahren haben polnische (ehemalige) Arbeitsmigranten in Scheveningen durch Trunkenheit, Diebstahl und Gewalt für viel Ärger gesorgt. „Mir fällt auf, dass ihnen oft überhaupt nicht geholfen werden möchte“, sagt Michael. „Sie ziehen das Leben auf der Straße hier dem Leben dort vor.“

Auch der Mann im roten Kapuzenpullover habe auf der Straße gelebt, sagt er und gibt seinen Ausweis ab. Doch nun arbeitet er im Auftrag des Zeitarbeitsunternehmens Tempo Team für einen Palettenhersteller.

Das machst du tollsagt Lindsay.

Das denkst du?“, sagt der Mann mit gerunzelter Stirn.

Du hast einen Personalausweis, einen Schlafplatz, einen Job.‘

Ah, okay“, sagt er, immer noch überrascht. ‚Vielen Dank, dass Sie mir keine gegeben haben Bußgeld!‘ Mit dem Fahrrad in der Hand setzt er seinen Weg fort.

Deshalb ergänzen sich Lindsay und er gut, sagt Michael später. „Ich habe eine große Klappe. Wenn ich einen Schritt zurücktreten muss, ist es mir eine Woche lang scheißegal. Aber manchmal fällt es mir schwerer, die richtigen Worte zu wählen. Und das sind auch berufliche Spezialisierungen.“

Paar Kleiderschränke

Die Abenddämmerung bricht herein. Ein süßer Parfümduft umgibt die Strandbars. Am Abend beginnt eine andere Art von Tourismus. Keine deutschen Strandgänger, sondern heimische Nachtschwärmer. Heute Abend sind viele Rotterdamer Akzente zu hören.

Von ihrem Auto aus inspizieren Michael und Lindsay die ankommende Menge. Sie versuchen abzuschätzen, ob es ein unruhiger Abend wird. Das scheint nicht so schlimm zu sein, obwohl Lindsay „einige Hähne“ und Michael „ein paar Kleiderschränke“ gesehen hat.

Es gibt keine Warteschlangen mehr vor den Strandzelten. Ein Junge ist draußen. Er trägt einen mintgrünen LA-Pullover und sieht etwas verloren aus. „Blöd betrunken“, erkennt Michael schon aus einiger Entfernung an seiner Körperhaltung. Tatsächlich: Fünfzehn Minuten später ertönt aus dem Kontrollraum: „Junger Mann, grüner Pullover, liegt auf dem Boden in der Nähe des Zwarte Pad.“ Wahrscheinlich zu viel getrunken.‘

Betrunkener Junge wird mit Krankenwagen abtransportiert.  Figur Arie Kiewit

Betrunkener Junge wird mit Krankenwagen abtransportiert.Figur Arie Kiewit

Als Michael und Lindsay sich dem Wachmann der Strandbar nähern, einem kahlköpfigen und knochigen Mann, sagt er: „Ich weiß auch nicht, wie er hierher gekommen ist.“ Verzweifelt blickt er zu Boden. Da liegt der Junge, Jahrgang 2003, mit dem mintgrünen Pullover, den Kopf im eigenen Erbrochenen, das mittellange Haar klebt ihm wie nasse Büschel an der Stirn. Seine Jeans und sein Pullover sind mit schaumigen Erbrochenenklumpen bedeckt.

‚Nette Freunde‘

Lindsay legt ihn sanft auf die Seite. „Was hast du genommen?“ fragt sie ihn. Er nickt. „Was hast du genommen?“ „Wodka“, antwortet der Junge. Er übergibt sich erneut, das fünfte Mal in kurzer Zeit. „Nur Wodka?“ Er nickt erneut.

Dann springt er plötzlich auf. Mit zugeklebtem Augenlid zeigt er hinein, in die Strandbar. Ein dürres Kind verschwindet hinter den Vorhängen. „Sind deine Freunde noch drinnen?“ fragt Lindsay. ‚Ja.‘ „Na dann, gute Freunde.“

Zehn Minuten später kommt der Krankenwagen. Die Trage wird entladen. Die Besatzung des Rettungswagens, ein Mann und eine Frau, ziehen den Jungen aus. Er zittert vor Kälte. In seiner Unterhose wird er auf die Trage gelegt. Er hat die Augen geschlossen und bläst unwillkürlich kleine Luftbläschen aus. Der Sanitäter neigt schnell den Kopf.

Und dann, als die Sonne im goldenen Küstenstreifen versinkt, wird der 20-Jährige ins Krankenhaus gefahren. Rettungskräfte verbrachten mehr als 45 Minuten bei ihm.

Michael spöttisch: „Das ist unser Job. Sie können sich betrinken. Und wir sorgen dafür, dass sie wieder nach Hause kommen.‘



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