Paul Faassen (55), Illustrator und Fotograf: „Hinterkopffrisuren faszinieren. Faszinieren ist natürlich ein Schimpfwort. Faszinierend? Sagt nicht viel, oder? Auf jeden Fall kann ich ziemlich viel Zeit damit verbringen, eine Frisur zu studieren. Wie die Locken fallen, wie die Zöpfe verlaufen. Das kann ich mir in Museen genauso lange anschauen, wie ich mir die Arbeit dahinter anschauen kann. Vielleicht, weil ich selbst keinen Haarschnitt habe, könnte sein. Das Foto des kahlköpfigen Mannes mit dem schwarzen Malewitsch-Quadrat auf dem Hinterkopf habe ich in a gemacht Sekundenbruchteil. Ich sah ihn in den Uffizien in Florenz gehen und er schlurfte vor die Venus von Urbino von Tizian.
Seit 2015 fotografiere ich Museumsbesucher. Es gab viele dieser großen Blockbuster in Museen. Als Kunstliebhaber war ich auch dort anzutreffen. Was schaue ich mir eigentlich an?, dachte ich. Zur Kunst oder zum Rücken? Ich begann, Menschen als Teil des Jobs zu sehen. Ein Kunstwerk ist erst fertig, wenn es betrachtet wird.
Ich beobachte gerne, wie sich Menschen verhalten. Was geht ihnen durch den Kopf, wenn sie ein Kunstwerk betrachten? Das Museum ist ein sehr friedliches Biotop. Menschen schlurfen leise aneinander vorbei. Sogar die Klimaplaketten wurden in Ruhe entfernt.
Ich beschloss, aufzuzeichnen, wie sich Menschen in diesem Biotop verhalten. In der Praxis fotografiert man viele Hinterteile. Ich habe höchstens ein paar Sekunden. Es gibt viele Leute, die sofort auf den Teller springen und nach einer Interpretation suchen. Aber es gibt auch viele, die sich die Zeit nehmen, ausgiebig zu schauen, wie zum Beispiel Mark Rothko. Endlos. Viele setzten sich auf Hocker.
Ähnlichkeiten
Ich habe sie nie gefragt: Willst du da stehen? Ich habe Leute gestalkt. Dann sah ich eine Frisur oder ein Outfit vorbei und ging danach, suchte nach Ähnlichkeiten oder Unterschieden. Bei einer Ausstellung über Tiere in der Kunsthal habe ich Ähnlichkeiten zwischen Besuchern und Tieren gesehen: Brötchen, die einem Bärenhaarschnitt ähneln, Tigerabdrücke in der Kleidung. Und bei einer Ausstellung über Caravaggio habe ich versucht, den Besucher im gleichen Hell-Dunkel-Licht einzufangen.
Menschen fotografieren sich völlig gelähmt in einem Museum. Ich habe die Ankunft des iPad gesehen, aber es ist vollständig verschwunden. Damit konnte man – schön groß – gute Bilder machen. Das Foto auf dem iPad sah noch besser aus als das Gemälde selbst. La Primavera von Botticelli hing in schwachem Licht und war seit vielen Jahren unrestauriert braun geworden. Aber auf dem Bildschirm war es kristallklar.
Dann passiert etwas Interessantes; Menschen begegnen dem Original, sind aber gleichzeitig in die Reproduktion versunken. Dies gilt auch für Fotos, die Sie mit Ihrem Telefon aufnehmen: Als ob Sie eine Postkarte des Gemäldes in der Hand halten und es betrachten würden, anstatt das Gemälde an der Wand.
Sie haben auch den Ich-war-hier-Fotografen. Er dreht der Arbeit den Rücken zu und macht ein Selfie. Womit er dem Gemälde gleichsam seine ursprüngliche Funktion entzieht und ihm eine neue gibt: die einer Rückwand. Das finde ich sympathisch.
In einem Museum gibt es viel mehr Schönes zu sehen als nur die Kunst an der Wand. So wie ich Museumsbesucher betrachte, schaue ich mich auch im Alltag um. Ich versuche immer, ein wenig Abstand zwischen mir und der Welt zu halten. Wie ein Anthropologe im Feld. Diese Fotoserie von Museumsbesuchern ist nun mehr oder weniger fertig. Nächste Woche gehe ich zur Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum. Ein weiterer Blockbuster, restlos ausverkauft. Ich erwarte Warteschlangen und Menschenmassen. Ein wogendes silbergraues Meer. Auch schön.“