Wo früher Kirche und Religion Orientierung gaben, ist sinnvolles Leben heute zunehmend Privatsache

Wo frueher Kirche und Religion Orientierung gaben ist sinnvolles Leben
Merel van Vronhoven20. Mai 202216:34

‚Bist du schon da?‘ App Ellis. „Wir sind am Tor.“ Ellis ist der Reiseleiter einer kleinen Gruppe aus Nijmegen, die zur Heiligsprechung von Titus Brandsma nach Rom reist. Der Bürgermeister, Mitglieder des Titus-Brandsma-Instituts, einige Dekane, der Rektor und ich können mich auch in meiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Radboud-Universität anschließen, wo Priester Titus Brandsma Professor und Rektor war.

„Ich bin fast da“, schreibe ich zurück. „Nur schnell in den Buchladen.“ Schnell überfliege ich die Tabellen mit neu erschienenen Büchern und Bestsellern. Beherrsche deine Denkweise – Lebe dein bestes Leben, jetzt oder nie, die Macht der Wahl. Riesige Stapel bunter Bücher versprechen das Rezept für ein schöneres und sinnvolleres Leben für nur 21,95 Euro.

Was sagt die ständig wachsende Popularität von Selbsthilfebüchern, also Zeitschriften und spirituellen Apps, die als Wegweiser für den irrenden Menschen dienen? Warum sind Geschichten über Lebensentscheidungen oder das Umdrehen so beliebt? Ob ein 60-jähriger Polizist, der sich zum Lokführer umschult, ein Musiker, der sich für ein Leben als Schafhirte entscheidet, ein Anwalt, der Bauer wird, oder ein ehemaliger AFM-Vorsitzender, der sich für das Klassenzimmer entscheidet. Die Zeitungen sind voll davon, wir können einfach nicht genug davon bekommen. Das merke ich auch an meinem Postfach, das täglich mit Fragen von Menschen gefüllt wird, die Rat suchen auf der Suche nach einem Leben mit mehr Sinn.

Dies ist laut Sozial- und Kulturplanungsamt eine Folge der zunehmenden Individualisierung und Säkularisierung. Wo früher Kirche und Religion Orientierung gaben, ist sinnvolles Leben heute zunehmend Privatsache. Die Suche nach dem Sinn des Lebens hat sich zum Sinn in diesem Leben verlagert. Von der Sinn des Lebens böse der Sinn im Leben

Dass dies nicht überall auf der Welt so ist und der Glaube für viele immer noch ein selbstverständliches Leuchtfeuer ist, erlebe ich am nächsten Tag auf dem überfüllten Petersplatz, wo sich fünfzigtausend katholische Pilger aus aller Welt zur Heiligsprechung versammelt haben von zehn aufstrebenden Heiligen.

Neben mir eine Gruppe von Karmelitinnen, Schwestern des Ordens, dem auch Brandsma angehörte. Was treibt sie dazu, sich in dieser Zeit für ein zölibatäres, strenges Klosterleben zu entscheiden? Schwester Madeline, eine schöne Frau aus Simbabwe, gekleidet in eine dunkelbraune Kutte mit einem lavendelfarbenen Kopftuch, erzählt, wie sie sich mit 16 für das klösterliche Leben entschied. „Es war meine Berufung.“

Auch jetzt – dreißig Jahre später – leuchten ihre pechschwarzen Augen wieder. Sie ist jetzt Oberin des Ordens und führt sechzig Schwestern. Doch bald endet ihre Amtszeit und dann will sie an einer Grundschule unterrichten. Vorzugsweise für Kinder mit Behinderungen. Aber sie zweifelt. „Ein ganz neues Handwerk lernen, bin ich dafür nicht zu alt?“

„Zu alt?“, lächle ich. „Ich war 51!“ Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht und bevor ich es weiß, finde ich mich in einer engen Umarmung wieder. Plötzlich muss ich daran denken, was der römische Kaiser und Philosoph Marcus Aurelius geschrieben hat Die Reflexionen, das allererste Selbsthilfebuch überhaupt: „Was spielt es für eine Rolle, ob ein Mensch kurz oder lang lebt? Jeder hat nur ein Leben und alle Leben sind gleich.‘



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