Wir wussten, dass umweltverschmutzende Unternehmen Greenwashing betreiben, aber wir wussten nicht, dass sie so geschickt darin sind

Nicht jeder hat eine Boho Farm voller Fitnessgerate plus ein Eisbad
Lisa Bouyeur

Die Amsterdamer Punkband Hang Youth schrieb einst einen auffälligen Nummer um. „Shell is a great company“, hört man Frontmann Abel van Gijlswijk ins Mikrofon schreien, unmittelbar gefolgt von der Fußnote „if I can believe the website“. Auf dieser Seite geht es nicht um ausgelaufenes Öl und tote Tiere, sondern um die Offshore-Windparks von Shell. Dem Besucher wird allerlei Vielversprechendes über Wasserstoff, Energiewende, Biodiversität und, um es mit den Worten von Hang Youth zu sagen, anderen „grünen Scheiß“ präsentiert.

Nun steht es natürlich jedem frei, der Weltverbesserer-Erzählung auf der Website von Shell Glauben zu schenken, aber es ist kein Geheimnis, dass große Umweltverschmutzer im Internet gerne eine umweltfreundliche Fassade aufsetzen. Wenn wir in den sozialen Medien einen smaragdgrünen Wald oder einen heiteren Sonnenuntergang sehen, flankiert von Begriffen wie „erneuerbare Energien“ und „Umweltambitionen“, wissen wir sehr genau, dass da etwas Dreckiges auf dem Bildschirm stinkt. Wir heben gemeinsam eine Augenbraue, wenn begeisterte Influencer auf Instagram vorbeirasende Wasserstofffahrzeuge verhöhnen („Dieser Beitrag wird von der Industrie für fossile Brennstoffe gesponsert“). Inzwischen kennen wir die demonstrativen Tricks, mit denen die öffentliche Meinung auf die Interessen der Aktionäre massiert wird.

Aber Forscher in der Wissenschaftsgeschichte von Harvard sind zu dem Schluss gekommen, dass Greenwashing heutzutage auch viel subtiler ist. Jetzt, da das Klimaproblem nicht mehr heruntergespielt werden kann, werden weniger auffällige Methoden bevorzugt, fanden sie in Zusammenarbeit mit dem Algorithmic Transparency Institute heraus. In der diese Woche erschienenen Zeitung Drei Grüntöne (Waschen)Im Auftrag von Greenpeace Niederlande werden die Social-Media-Beiträge von 22 großen europäischen Ölkonzernen, Fluggesellschaften und Automarken untersucht. Insgesamt handelt es sich um 2.325 Nachrichten, die in diesem schwülen Sommer auf Facebook, Instagram, YouTube, Twitter und TikTok geteilt wurden. Natürlich von Shell, aber unter anderem auch von TotalEnergies, Lufthansa, Air France-KLM, Alfa Romeo und BMW.

Die Recherche ist besonders interessant, weil sie Formen von Greenwashing aufdeckt, die Sie vielleicht vermutet haben, aber nie beweisen konnten.

Beispielsweise wird die Kategorie „Klimastille“ eingeführt: Gemäß dem Motto „Schweigen ist Gold“ befassten sich nur 6 der 2.325 Posts europäischer Umweltverschmutzer explizit mit dem Klimawandel, während die Zeitungen im selben Sommer voller alarmierender Nachrichten darüber waren extreme Hitze und eine Rekordzahl von Waldbränden.

Auch das Verhältnis zwischen grünem Posting und grünem Handeln erwies sich als eher schief. Fast drei Viertel dessen, was Öl- und Gasunternehmen teilten, betraf grüne Innovationen, während die Investitionen eine ganz andere Geschichte erzählen.

Eine weitere subtile Form des Greenwashing, auf die die Forscher hinweisen, ist das Posten schöner Bilder von einsamen Stränden und schneebedeckten Berggipfeln, um positive Assoziationen hervorzurufen.

Zigarettenpackungen müssen jetzt Bilder von Ganggrünfüßen, Ascheföten und ausgehustetem Blut haben. Über die negativen Auswirkungen des Rauchens sollte kein Zweifel bestehen. Solche Regeln gelten (noch) nicht für die fossile Brennstoffindustrie, und sie gedeihen auch im Social-Media-Klima, das wir alle gemeinsam geschaffen haben. Eines, in dem man schöner und sympathischer vortäuschen kann, in dem Fotos so beschnitten werden, dass unerwünschte Elemente aus dem Bild verschwinden und in dem eine Handvoll Highlights den täglichen Ärger überschatten. Am liebsten so dezent, dass es keiner merkt.



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