Jedes Jahr fülle ich die Steuererklärung für meine Schwiegereltern aus, der eine ist 88 und der andere 91 Jahre alt. Es gibt keine Details, so dass die Meldung in kürzester Zeit eingereicht wurde. Beide sind noch in einer sehr guten psychischen Verfassung, dennoch ist es undenkbar, dass sie selbst eine digitale Steuererklärung abgeben könnten. Dies gilt auch für viele andere Verwaltungshandlungen, die digitale Kompetenzen erfordern.
Das bedeutet nicht, dass sie überhaupt keine digitale Technologie nutzen. Im Gegenteil, Facebook, Facetime und die Suchmaschine von Google werden häufig zur Suche im Internet genutzt. Diese begrenzten digitalen Aktionen, die sie ausführen, machen sie jedoch nicht digital kompetent. Denn laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bedeuten digitale Kompetenzen „Fähigkeit zur Problemlösung in einem technologischen Umfeld“.
Über den Autor
Peter van Baalen ist Professor für Informationsmanagement und digitale Organisation an der Universität Amsterdam. Er ist unter anderem einer der Initiatoren des interdisziplinären Programms Bildung, Staatsbürgerschaft, Demokratie in einer digitalen Welt
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Komplexe Bürokratien
Allerdings sind eingeschränkte digitale Kompetenzen nicht das einzige Problem. In den meisten Fällen geht mit dem Älterwerden eine zunehmende Abhängigkeit von der Gesundheitsversorgung und dem Staat einher. Sowohl die Regierung als auch das Gesundheitswesen haben sich in großen, komplexen Bürokratien organisiert, die versuchen, so viel Kommunikation mit Bürgern/Kunden wie möglich über automatisierte Antwortsysteme abzuwickeln.
Sollte das nicht klappen, kann nach langem Suchen und Probieren ein Mitarbeiter telefonisch erreicht werden (häufig wird die Telefonnummer kaum gefunden). Nur sehr entschlossene und geduldige Bürger können die digitale Stärkung der Regierung und des Gesundheitswesens in Angriff nehmen.
Sobald man hineinkommt, wird einem schnell die Komplexität der Vorschriften selbst bewusst. Wann kann welches Schema angewendet werden? Jede Vereinbarung hat ihre eigene Logik, Geschichte und Frist. Es dauert immer eine Weile, bis man genau versteht, wie diese aussehen, was schwierig sein kann, wenn die Bewerbung an eine bestimmte Frist gebunden ist.
Digitale, administrative „Pflege“
Viele ältere Menschen, wie auch meine Schwiegereltern, können all diese digitalen und bürokratischen Hürden nicht überwinden und sind auf die Hilfe von Familie, Freunden oder Nachbarn angewiesen. Ich nenne das digitale informelle Pflege. Dies erfolgt zusätzlich zur normalen informellen Pflege, die sich auf persönliche Pflege, Haushaltspflege und emotionale Unterstützung bezieht. Nach Angaben des RIVM nimmt die regelmäßige informelle Pflege zu und fällt zunehmend auf die Schultern einer informellen Pflegeperson mit Arbeit.
Es wäre höchst unerwünscht, wenn die knappe Zeit der (berufstätigen) informellen Pflegekraft für die digitale, administrative „Pflege“ aufgewendet würde. Ich gehe jedoch davon aus, dass die digitale informelle Pflege weiter zunehmen wird und sich daher zu einem großen gesellschaftlichen Problem entwickeln könnte.
Die Regierung ist sich dieser Probleme durchaus bewusst (sehen DigitaleOverheid.nl). Es wird viel über die sogenannte digitale Kluft geforscht. Dies betrifft nicht nur ältere Menschen, sondern auch viele potenzielle digitale informelle Pflegekräfte. Mehr als 20 Prozent der Niederländer im Alter zwischen 16 und 65 Jahren erreichen nicht das OECD-Grundniveau für digitale Kompetenzen. Mehr als 4 Millionen Niederländer verfügen nicht über ausreichende digitale und bürokratische Fähigkeiten, um selbstständig Geschäfte mit der Regierung abzuwickeln. Viele Niederländer haben Schwierigkeiten, künstliche Intelligenz zu erkennen und damit umzugehen. Vor allem junge Menschen überschätzen ihre digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten.
Lücke
Mit der fortschreitenden Digitalisierung (in Verbindung mit der Bürokratisierung) der Gesellschaft wird die Kluft größer, was zur Folge hat, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann, die für ihn vorgesehenen Einrichtungen nicht ausreichend nutzen kann und anfälliger für das Internet wird Kriminalität und Fehlinformationen in sozialen Medien.
Die Zahl der Initiativen, die die Regierung ergriffen hat, um diese digitale Kluft zu überwinden, ist umfangreich. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit diese Initiativen tatsächlich die relevanten Zielgruppen erreichen, da viele davon online stattfinden. Die Regierung wird sich die grundsätzliche Frage stellen müssen, ob sie um jeden Preis mit dem Tempo der Digitalisierung mithalten will oder ob sie unter dem Motto „Entschleunigung“ gelegentlich auf die Bremse tritt, um rückständigen Teilen der Bevölkerung das Aufholen zu ermöglichen „Du bewegst dich zu schnell“.
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