Was kann die EZB tun, um die Zinsen zu erhöhen, ohne eine weitere Eurokrise auszulösen?

Was kann die EZB tun um die Zinsen zu erhoehen


Bei einer Parade während des Karnevals von Viareggio (Italien) fährt ein Auto zusammen mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde als La Regina del Potere, der Königin der Macht.Bild Laura Lezza / Getty

Wird es der EZB gelingen, das Wasser zum Kochen zu bringen, aber nicht die Spaghetti darin? Mit anderen Worten, kann die Zentralbank die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, ohne Ländern mit hoher Staatsverschuldung Probleme zu bereiten? Um die Konjunktur abzukühlen und damit den Preisanstieg zu dämpfen, müssen die Zinsen steigen. Das bedeutet aber, dass zum Beispiel Italien für seine neuen Kredite deutlich mehr Zinsen an die Gläubiger zahlen muss. Das ist jetzt seit ein paar Monaten so. Anfang dieses Jahres lag die Rendite einer italienischen 10-jährigen Anleihe bei unter 1 Prozent, im Mai durchschlug sie die 4 Prozent, allerdings fielen die Zinsen etwas später wieder zurück.

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Anhaltend hohe Zinsen auf Staatsanleihen könnten zu einer neuen Eurokrise führen. Deshalb will die EZB mit einem noch unbekannten „Instrument“ unter anderem Italien helfen, doch die Nordländer sind bereits äußerst misstrauisch. Die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag warnte EZB-Präsidentin Christine Lagarde Mitte Juni, die EZB müsse sich an das „Verbot der monetären Finanzierung“ halten. Die EZB kann es nicht einfach einigen Euro-Staaten verbilligen, sich Geld zu leihen. Voraussichtlich wird Lagarde das neue Instrument am 21. Juli beim nächsten Zinsentscheid vorstellen. Um für alle akzeptabel zu sein, muss das eine Panzerfaust mit Sicherheitsverschluss sein.

Was bedeutet das, eine Panzerfaust?

Wenn die EZB-Händler italienische Staatspapiere kaufen, fallen die Zinssätze für sie. Bei Anleihen bewegen sich Kurs und Zinssatz in die entgegengesetzte Richtung. Auf diese Weise kann die EZB den Regierungen die Kreditaufnahme verbilligen. Gerade weil es möglich ist, sich in großem Umfang gezielt mit Schuldtiteln einzudecken – daher der Name „Panzerfaust“, kann der Gewaltkauf in der Praxis begrenzt werden. Spekulanten zögern, es mit einer Zentralbank aufzunehmen, die die Fähigkeit und den Willen hat, die Extrameile zu gehen.

Und was ist das für eine Sicherung?

Die EZB hat bereits ein solches Instrument im Regal, um einzelnen Ländern der Eurozone zu helfen. Das ist das sogenannte Outright Monetary Transactions Program (OMT), eine Panzerfaust, die von Lagardes Vorgänger Mario Draghi stammt. Der Italiener hatte am 26. Juli 2012 zugesagt, alles Erforderliche zu tun, um das Überleben des Euro zu sichern, und alle Zweifel beseitigt, dass Spekulanten Länder schlagen könnten.

Draghis Eifer – der sein Versprechen ohne Rücksprache mit den anderen EZB-Führungskräften abgegeben hatte – wurde einige Monate später durch die genaue Ausarbeitung etwas gedämpft. An der Panzerfaust kam ein Sicherheitsverschluss. Die Händler der EZB würden die Staatspapiere eines angeschlagenen Landes nur dann kaufen, wenn das Land vorher an die Tür des europäischen Nothilfefonds, der sogenannten Konditionalität, geklopft hätte. Das bedeutete, dass das Land versprechen musste, strukturelle Einsparungen und Reformen umzusetzen.

Bemerkenswerterweise wurde mit dem OMT am Ende nie ein Euro Schuldpapier gekauft. Die Glaubwürdigkeit der EZB, die Bazooka einzusetzen, reichte aus, um Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Euroländer auszuräumen. Infolgedessen sanken die Zinsen auf ihre Schuldtitel. Übrigens kaufte die EZB später im Rahmen anderer Programme Staatsanleihen, aber diese sollten Inflation erzeugen.

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Warum wird jetzt von einem „neuen“ Instrument gesprochen?

Ein Wechsel in den europäischen Notfonds würde niedrigere Zinsen garantieren, ist aber innenpolitisch schwierig. Es bedeutet Ukas von außen und das Feilschen darüber, was im Land selbst noch demokratisch ist. Zwar sei die Dringlichkeit noch nicht groß genug, sagt Tilburgs Professor für Banking and Finance Harald Benink. ‚Die höheren Zinsen für südeuropäische Länder sind schmerzhaft, aber noch nicht tödlich.‘

Gleichzeitig profitiert niemand von der daraus resultierenden langfristigen Entgleisung der Situation. Eine bedingungslose Unterstützung ist für die EZB jedoch undenkbar. Bundesbankchef Joachim Nagel nannte Konditionalität diese Woche „unverzichtbar“. Einen Ausweg sieht Benink in Form einer OMT-Leuchte. Europäische Länder mussten im Rahmen des europäischen Corona-Wiederaufbaupakets NextGenEU bereits viele Pläne vorlegen, für die sie Geld erhalten wollen. Inzwischen sind sie auch zugelassen. Warum sollte dieses Paket nicht um bestimmte Reformen oder Kürzungen erweitert werden? Es ist eine Art verschleierte Konditionalität. Nach dem Genehmigungsstempel könnte die EZB dann mit dem Ankauf der Staatsanleihen dieser Länder beginnen.‘

Ist so eine Bazooka eigentlich erlaubt?

Darüber wird seit Jahren gestritten. Laut EU-Vertrag darf die Notenbank nicht einfach Staatspapiere von Euro-Staaten aufkaufen, um ihnen die Kreditaufnahme billiger zu machen. Speziell zum OMT hat der Europäische Gerichtshof 2015 entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen ist erlaubt† Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die EZB in Zinsunterschiede eingreifen darf, wenn sie nicht angemessen durch die wirtschaftlichen Bedingungen erklärt werden können und sie die Geldpolitik in der gesamten Eurozone behindern.

Will die EZB Zinserhöhungen?

Ja, aber ohne eine neue Eurokrise zu provozieren. Sie will das zusätzliche Geld, das die EZB mit dem neuen Kriseninstrument in die Wirtschaft pumpt, auf andere Weise herausholen. Dies kann durch den Verkauf anderer Anleihen aus seinem Portfolio erfolgen. Deutsche Bundesanleihen zum Beispiel oder niederländische Staatsanleihen. Das erhöht die Zinsen, die diese Länder zahlen müssen, um neue Schulden zu tilgen, und trägt so dazu bei, die Zinsdifferenzen zu Südeuropa zu verringern. Sand in die Mühle für Kritiker, die glauben, dass die EZB so Steuergelder von Nord nach Süd verschiebt.



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