Visa-Skandal stellt migrantenfeindliche Regierung auf den Kopf: Hat Polen Hunderttausende Wanderarbeiter illegal in die EU gebracht?

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Die polnische Regierung steht einen Monat vor den entscheidenden Wahlen im Land aufgrund eines wachsenden Migrationsskandals unter starkem Druck. Nach Angaben der deutschen Zeitung „Bild“ hat Polen in den letzten drei Jahren möglicherweise bis zu 350.000 Wanderarbeiter illegal in die EU gebracht. Schmuggler und offenbar auch Regierungsbeamte sollen pro Visum Zehntausende Euro erbeutet haben.

Alles dreht sich um große angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Erteilung von Arbeitsvisa. Die politische Seite „Politico“ fasst die Aufregung als „Visa-gegen-Bestechungsskandal“ zusammen: Der polnischen Regierung wird vorgeworfen, an einem System beteiligt zu sein, in dem Migranten in rasantem Tempo und ohne ordnungsgemäße Kontrollen Visa erhielten, nachdem sie Mittelsmänner bezahlt hatten. Während sich die polnische Regierung immer wieder damit rühmt, hart gegen die Migration vorzugehen, sollen ihre Beamten in den Konsulaten auf der ganzen Welt – vor allem in Afrika und Asien – polnische Visa und damit den Zugang zur EU im Austausch gegen großzügige Vergünstigungen ausgestellt haben.

„Ungewöhnlich hohe Zahl“

Laut polnischen Medien kam der Skandal ans Licht, nachdem andere EU-Länder Warschau vor einer „ungewöhnlich hohen Zahl“ von Migranten gewarnt hatten, die mit polnischen Visa in die Union einreisen. Die Visa geben dem Inhaber das Recht, im gesamten Schengen-Raum zu arbeiten.

Polnische Soldaten an einem Zaun an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Die polnische Regierung hat einen Großteil ihres Wiederwahlkampfs auf ihr hartes Vorgehen gegen Migranten konzentriert. © REUTERS

Polnische Medien schreiben, dass seit 2021 rund 250.000 Visa für jeweils Tausende oder sogar Zehntausende Euro erteilt wurden. „Bild“ spricht von bis zu 350.000 Arbeitsmigranten, die in den vergangenen drei Jahren illegal in die EU gebracht worden sein sollen. Polnischen Medien zufolge gab es bereits im Jahr 2022 Hinweise darauf, dass Menschen nach Zahlung einer Geldsumme ohne Sicherheitskontrollen nach Europa auswandern könnten. Es scheint, dass auch eine erhebliche terroristische Bedrohung importiert wurde.

Verhaftungen

Polens stellvertretender Außenminister Piotr Wawrzyk wurde aufgrund der Vorwürfe inzwischen entlassen. Am Freitag gab das Außenministerium bekannt, dass auch der Leiter seiner Rechtsabteilung entlassen wurde und alle seine Verträge zur Auslagerung von Visumanträgen gekündigt wurden. Auch andere Beamte wurden entlassen, andere verhaftet und angeklagt. Nach Angaben der polnischen Behörden wurden bislang sieben Personen angeklagt, drei befinden sich in Haft.

Oppositionsführer Donald Tusk während einer Wahlkundgebung Anfang dieses Monats.
Oppositionsführer Donald Tusk während einer Wahlkundgebung Anfang dieses Monats. © ANP / EPA

Monat vor Wahlen

Einen Monat vor den entscheidenden Parlamentswahlen in Polen (am 15. Oktober) versucht die regierende konservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit), das Feuer zu löschen. Die Popularität der Regierung in Polen steht aufgrund hoher Inflation, strenger Abtreibungsgesetze und Vetternwirtschaftsskandalen unter Druck. Sie konzentriert sich hauptsächlich auf Anti-Migrations-Maßnahmen, um die Wähler dafür zu gewinnen. Gleichzeitig wittert die Opposition Blut. Oppositionsführer und ehemaliger EU-Präsident Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) spricht vom „größten Skandal des 21. Jahrhunderts in Polen“.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki versuchte am Freitagabend zu beschwichtigen: „Es gibt kein Problem mit illegalen Einwanderern in Polen“, sagte er. Ihm zufolge gebe es nur „mehrere Hundert Visa“, bei denen angeblich Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien. „Die polnischen Dienste haben geeignete Maßnahmen ergriffen und diejenigen identifiziert, die im Verdacht stehen, gegen das Gesetz verstoßen zu haben“, hieß es.

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Migranten an einem Zaun an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland.
Migranten an einem Zaun an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. © AP



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