„Weißt du, was weh tut? Das ist die Gewalt der intoleranten Ideologie des Islam, der Fatwas und Morddrohungen von Menschen aus Pakistan, die vom falschen Propheten Mohammed inspiriert sind. Wir entscheiden uns immer für Freiheit gegen den Islam. Und du wirst niemals gewinnen.“ Geht diese Botschaft zu weit? Twitter dachte sich das und beschloss, den Absender zu rügen, indem es seinen Account vorübergehend sperrte. Dieser Absender ist Geert Wilders.
Der Schritt von Twitter ist aus mehreren Gründen unbequem. Wer sich die Zeit nimmt, einen Tag in den obskureren Gassen von Twitter zu verbringen, wird bald auf Meldungen stoßen, die weit über das hinausgehen, was der Politiker geschrieben hat. Es ist nicht ganz klar, an welcher Stelle die fragliche Botschaft von Wilders zu weit geht. Was nervt, ist der Mangel an Transparenz. Twitter hätte (laut Wilders selbst) zunächst darauf hingewiesen, dass sein Tweet nicht gegen die Hausordnung verstoße, um später darauf zurückzukommen. Der Politiker legte gegen seine Entscheidung beim Netzwerk Berufung ein. Mit Erfolg: Twitter entschuldigte sich am Dienstag und Wilders bekam seinen Account zurück.
Twitter-Nutzer reagierten unterschiedlich auf die Kollision. Schön, dass Elon Musk endlich übernimmt, damit die Meinungsfreiheit respektiert wird, sagte eine Gruppe. Andere freuten sich einfach über das Eingreifen von Twitter: Endlich befreit von diesem schrecklichen Wilders. Beide Haltungen sind zu kurzsichtig. Die radikale Form der Meinungsfreiheit, die Musk befürwortet, ist eine Sackgasse. Kein Medium profitiert, wenn es zur Verbreitung von Hass, (Kriegs-)Propaganda oder Desinformation missbraucht wird.
Gleichzeitig kann dies kein Freibrief sein, scheinbar willkürlich einzugreifen und dafür nicht ausreichend Rechenschaft abzulegen. Einen Politiker von seinem Podium zu stehlen, ist schon etwas Besonderes. Der Vorfall mit Wilders zeigt vor allem, wie sehr wir klarere Regeln brauchen.
Die gute Nachricht ist, dass diese Regeln kommen. Mit der letzten Woche vorgestellt Gesetz über digitale Dienste (DSA) Europa übernimmt weltweit die Führung. Dieser brüllende Text erklingt übrigens auch in den USA. „Die DSA wird die Online-Welt neu gestalten“, schrieb zum Beispiel die maßgebliche amerikanische Tech-Site The Verge. Das Big-Tech-Gesetz zwingt Tech-Unternehmen, mehr Verantwortung dafür zu übernehmen, was auf ihren Plattformen passiert und wie sie die Daten ihrer Nutzer für gezielte Werbung nutzen. Für den archaischen Look laissez-faireMusks Ansatz wird fehl am Platz sein: Die sozialen Plattformen müssen gegen die Verbreitung von Desinformation und Hass vorgehen.
Gleichzeitig müssen sie bei ihren Entscheidungen sehr transparent sein und solide Systeme zur Bearbeitung von Beschwerden einrichten. Das oft verwendete Argument „Twitter ist ein privates Unternehmen und kann selbst entscheiden, was auf seiner Plattform passiert“ landet bei der DSA auf Treibsand. Und das ist auch gut so: Der Einfluss von TikTok, YouTube, Instagram und Co. ist viel zu groß geworden, um damit fertig zu werden. ad hocPolitik.