Trotz Klimawandel und Überbevölkerung sind Überschwemmungen weniger tödlich

1700453716 Trotz Klimawandel und Ueberbevoelkerung sind Ueberschwemmungen weniger toedlich


Eine Kirche im deutschen Ahrtal wurde überflutet. Bei der Naturkatastrophe kamen 220 Menschen ums Leben.Bild Daniel Rosenthal für de Volkskrant

Lediglich die einkommensschwachen Länder hinken hinterher: Dort war die Sterblichkeitsrate pro Überschwemmung in den vergangenen zwanzig Jahren den Delfter Zahlen zufolge tatsächlich höher als zuvor. Ein Zeichen dafür, dass es wahrscheinlich noch Raum für Verbesserungen gibt, meint Jeroen Aerts, Professor für Wassermanagement und Klimaanpassung (VU Amsterdam), nach Einsichtnahme in die Delfter Studie. „Diese Studie bestätigt, dass sich Anpassung auszahlt.“ Aber dafür muss man Geld haben.‘

Jedes Jahr sterben zwischen drei- und zehntausend Menschen bei Überschwemmungen. Für die Analyse untersuchten der Wasserbauprofessor Bas Jonkman und seine Kollegen 5.600 Überschwemmungskatastrophen der letzten fünfzig Jahre. Die durchschnittliche Zahl der pro Katastrophe getöteten Menschen ging in dieser Zeit stark zurück, von etwa dreihundert in den 1970er-Jahren auf durchschnittlich dreißig in den frühen 2020er-Jahren.

Über den Autor
Maarten Keulemans ist Wissenschaftsredakteur bei de Volkskrant, spezialisiert auf Mikroleben, Klima, Archäologie und Gentechnik. Für seine Corona-Berichterstattung wurde er zum Journalisten des Jahres gekürt.

Es gibt weniger Todesopfer pro Katastrophe und auch die durchschnittliche Zahl der Betroffenen pro Überschwemmung hat sich halbiert. „Zu dieser Zeit verdoppelte sich die Weltbevölkerung und viele Menschen begannen, in Küstenstädten und gefährdeten Gebieten wie Deltas und entlang von Flüssen zu leben“, sagt Jonkman. „Die Länder sind besser darin geworden, Überschwemmungen ganz oder teilweise zu verhindern und die Menschen beispielsweise rechtzeitig vor drohenden Sturmfluten zu warnen.“

Es ist bezeichnend, dass vorhersehbarere Katastrophen wie Hurrikane weniger Todesopfer fordern als plötzliche Katastrophen wie überflutete Flüsse. Als Beispiel nennt Jonkman das Hochwasser, das im Juli 2021 nach extremen Regenfällen vor allem im deutschen Ahrtal mehr als 220 Todesopfer forderte. „Der Fluss trat plötzlich über die Ufer.“ „Die Leute haben das kaum kommen sehen.“

Doch die Ergebnisse seien kein Beweis dafür, dass die Technologie alle Klimaprobleme lösen werde, warnt Jonkman. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass technologische Anpassungen ein wichtiger Teil der Klimapolitik sind.“ Es bleibt jedoch die Frage, wie lange wir es aushalten können, wenn wir die Folgen der Erwärmung stärker zu spüren bekommen. Die Standardantwort lautet: Man muss beides tun: Treibhausgase anpassen und reduzieren.“

Frühe Warnung

Aerts weist außerdem darauf hin, dass die materiellen Schäden durch Überschwemmungen zunehmen. „Das scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass sich vor allem die Warnsysteme und Sturmbunker verbessert haben, die Deiche aber hinterherhinken.“ Nach den Überschwemmungen in Bangladesch (1991, 140.000 Todesopfer) und Myanmar (2008, 138.000 Todesopfer) sowie dem Tsunami in Asien (2004, 230.000 Todesopfer) installierten viele Länder Alarmsysteme. Einer Bestandsaufnahme von Aerts zufolge verfügen mittlerweile zwei von drei Ländern über eine Art Frühwarnsystem.

Am meisten profitierten davon die Länder mit mittlerem Einkommen, wie aus den Delfter Grafiken hervorgeht: Dort halbierte sich das Sterberisiko pro Flutkatastrophe. In den ärmsten Ländern stieg das Sterberisiko um etwa 30 Prozent. Auch in den reichen Ländern ist die Sterblichkeit durch Überschwemmungen stark zurückgegangen, allerdings sind die Zahlen zu gering, um statistisch sicher zu sein.

Die Delft-Studie, die online als Vorabveröffentlichung verfügbar ist, ist Wasser auf die Mühlen von Ländern und Organisationen, die der Meinung sind, dass reiche Länder mehr zur Vorbereitung auf den Klimawandel in armen Ländern beitragen sollten. Beim Klimagipfel in Dubai im nächsten Monat steht beispielsweise ein Entschädigungsfonds für Klimaschäden in armen Ländern auf der Tagesordnung.

Nachfolgende Untersuchungen sollten detaillierter zeigen, wie genau das Klima Wasserkatastrophen in Entwicklungsländern beeinflusst, glaubt Jonkman, und welche Maßnahmen am wirksamsten sind.



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