Streiks im Regionalverkehr kündigen sich an: „Radfahren auf dreizehn Kilometer ist nicht möglich“

Streiks im Regionalverkehr kuendigen sich an „Radfahren auf dreizehn Kilometer


Bushaltestelle in Stolwijk (Krimpenerwaard).Statue Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Als der Regionalbus 190 zwischen Gouda und Rotterdam Alexander am Dienstagnachmittag gerade ein kleines Dorf am Ufer der Hollandsche IJssel passiert hat, macht sich im hinteren Teil des Busses Bestürzung breit. „Ab Mittwoch streiken die Busfahrer drei Tage lang“, informiert eine Frau ihre Nachbarin. „Drei Tage?“, sagt die Nachbarin und greift beängstigend nach ihrem Handy, um ihre Reiseinfo-App zu öffnen. „Ich habe weder Auto noch Fahrrad, wie soll ich ans Ziel kommen?“

„Nein“, ist die schlichte Antwort von Bart Scheer (21), als ihm am Busbahnhof in Gouda dieselbe Frage gestellt wird. Er lebt mit seinen Eltern in Bergambacht, einem Dorf an der Lek ohne Bahnhof. Viermal die Woche fährt er mit dem Bus nach Gouda, um von dort mit dem Zug zum Schifffahrts- und Verkehrskolleg in Rotterdam zu fahren, wo er studiert. „Morgen lerne ich also von zu Hause aus, denn 13 Kilometer Radfahren ist unmöglich.“

Der Regionalbusverkehr kommt wegen eines Streiks der Gewerkschaft FNV ab Mittwoch teilweise zum Erliegen. Die Arbeitsbelastung der Busfahrer und die Auswirkungen der Inflation hält die Gewerkschaft derzeit für so drängend, dass sie ihre Mitglieder trotz des geltenden Tarifvertrags dazu aufruft, den Bus stillzulegen. Insgesamt fallen etwa 13.000 Beschäftigte unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Verkehr, von denen etwa die Hälfte Mitglieder der FNV sind. Wenn sie alle streiken, fallen nach Angaben der Gewerkschaft in den kommenden Tagen 70 bis 80 Prozent der Fahrten aus.

Workload Regionalbusfahrer

Erst am Mittwoch wird klar, wie viele Busfahrer in den kommenden Tagen ihre Arbeit einstellen und welche Linien gestrichen werden. In Gouda denken Busfahrgäste bereits über alternative Verkehrsmittel nach. Houda Taejdi (32) und Yamina Mejalad (60) fahren für einmal mit dem Zug zur Arbeit. Thijn Hulscher (18) wird in den kommenden Tagen die Distanz zwischen seiner Heimatstadt Moordrecht und Gouda mit dem Fahrrad überbrücken.

Ein neuer Tarifvertrag für das Personal des öffentlichen Verkehrs trat im Juni in Kraft, nachdem nur Mitglieder der Gewerkschaft CNV dem endgültigen Angebot der Arbeitgeber zugestimmt hatten. Dann wurden eine Lohnerhöhung von 2,8 Prozent und ein Entlassungsplan vereinbart, die Vereinbarungen, etwas gegen den Arbeitsdruck zu unternehmen, aber verschoben. Die aktuellen Tarifverträge laufen noch bis Ende dieses Jahres.

Die Arbeitsbelastung der Regionalbusfahrer beschäftigt die Beteiligten schon länger. 2018 gab es auch einen Streik zum gleichen Zweck. „Wir sind wieder bei Null“, sagt FNV-Direktor Marijn van der Veel. Sie plädiert für eine Lohnerhöhung, mit der neue Mitarbeiter gewonnen werden können, und Maßnahmen zur Schonung insbesondere älterer Arbeitnehmer.

Die FNV will, dass die bestehenden Tarifverträge aufgebrochen werden oder die Anforderungen im neuen Tarifvertrag festgehalten werden, der im Januar in Kraft treten muss. Die Gespräche über den neuen Tarifvertrag liegen derzeit wegen der Streiks auf Eis.

Fest um Passanten zu beobachten

Hans Meijer (78) beobachtet in aller Ruhe die Ein- und Ausschiffung der Reisenden in Gouda. Seit er sich vor vier Jahren den Knöchel gebrochen hat, traut er sich nicht mehr Rad zu fahren. Deshalb hat er den Bus zu seinem Hobby gemacht. Jeden Tag – außer am Wochenende – fährt der ehemalige PTT-Mitarbeiter mit dem Bus von seiner Heimatstadt Reeuwijk zu einem beliebigen Ort innerhalb der Zone, den er mit seinem ÖPNV-Abonnement erreichen kann.

Jetzt sitzt der Bus-Enthusiast auf einer Bank in der Sonne und denkt darüber nach, wohin es heute gehen soll. „Warum solltest du zu Hause bleiben?“, sagt er. „Es ist eine Freude, Passanten zu beobachten.“ Meijer hofft, dass ihn der Bus in den kommenden Tagen auch an einen Ort bringt, an dem er Leute beobachten kann.

„Die Streikbereitschaft in Gouda ist gering“, sagt Busfahrer Pieter Visser (40), der zwischen den Fahrten eine Zigarette raucht. „Ich denke, dass etwa 6 der 28 Arriva-Fahrer hier morgen dem Aufruf von FNV Folge leisten werden.“ Visser, der selbst CNV-Mitglied ist, hält die Streiks für „flachen Bullshit“. Auch seine eigene Gewerkschaft CNV erkennt das Problem des Arbeitsdrucks an, hat aber zuvor dem aktuellen Tarifvertrag zugestimmt und streikt daher nicht. Visser hat daher wenig Verständnis für die FNV-Kampagne: „Man setzt sich lieber hin und regelt das im neuen Gesamtarbeitsvertrag, als zu meckern.“

Lucas Baaiman (21) hat Verständnis dafür, dass die Busfahrer streiken. Er überlegte kurz, sich diese Woche einen Roller von einem Freund zu leihen, damit er sein erstes Jahr der Schmuckausbildung nicht verpassen musste, aber das schien ihm zu viel Aufwand zu sein. Der Online-Unterricht hat nach Corona auf seine Ausbildung verzichtet, Baaiman ist also bald drei Tage im Rückstand. Ballen, denkt er. Und dass er sechs Busfahrten verpasst, ist auch ärgerlich: „Man lernt die Klassenkameraden besser kennen, wenn man jeden Morgen und Nachmittag den Bus nachholt.“



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