Spanien gerät mit den Wahlergebnissen in ein politisches Labyrinth: vier mögliche Fluchtwege

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Alberto Feijóo, Vorsitzender der Partido Popular, wendet sich am Sonntagabend in Madrid an seine Anhänger. Die PP gewann die Wahlen, doch die erhoffte Mehrheit durch die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten blieb aus.Bild AFP

Die Meinungsumfragen in Spanien lagen völlig daneben und die prognostizierte rechte Mehrheit blieb aus. Die rechtsextreme Vox verlor sogar deutlich (von 55 auf 33 Sitze) und wird daher wohl keiner nächsten spanischen Regierung beitreten. Was passieren wird, ist weniger klar. Für eine Mehrheit in den Cortes, dem spanischen Unterhaus, sind 176 der 350 Sitze nötig.

Eine Alternative ist ein Minderheitskabinett. Es reicht aus, wenn der Premierminister mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält. Um das zu erreichen, muss man diese potenziellen Gegner dazu bringen, sich der Stimme zu enthalten. So gelang es dem amtierenden Premierminister Pedro Sánchez, 2019 ein Kabinett zu bilden. Allerdings ist das neue Parlament so gespalten, dass es auch schwierig sein wird, ein Minderheitskabinett zu bilden.

Welche Möglichkeiten haben die Parteien? Die vier Szenarien in Folge.

Szenario 1: eine rechte Mehrheit, die von regionalen Parteien unterstützt wird

Alberto Núñez Feijóos konservative Partido Popular (PP) errang am Sonntag einen großen Sieg. Die PP stieg von 89 auf 136 Sitze, während die rivalisierende Mitte-Links-Partido Socialista Obrera Español (PSOE) 122 Sitze einnahm, zwei mehr als im Jahr 2019.

Auf dieser Grundlage meint Feijóo, dass er der Erste sein sollte, der versucht, eine Regierung zu bilden. Dafür braucht er die Unterstützung der rechtsextremen Vox. Zusammen verfügen diese Parteien über 169 Sitze, sieben davon fehlen ihnen die Mehrheit im Parlament.

Unterstützung für die Toleranz könnte von regionalen Parteien kommen, unter anderem aus Katalonien und dem Baskenland. Aber diese Parteien wollen auf keinen Fall mit Vox kooperieren. Als vehementer Verfechter des spanischen Einheitsstaates will Vox sogar separatistische Parteien verbieten. Trotz seines großen Sieges scheint dieser Weg für Feijóo versperrt zu sein.

Szenario 2: eine linke Mehrheit mit Unterstützung der Regionalpolitiker

Die PSOE von Premierminister Pedro Sánchez und die radikale Linkspartei Sumar (zu der auch Sánchez‘ Koalitionspartner Podemos gehörte) gewannen zusammen 153 Sitze. Anders als die rechte Kombination aus PP und Vox könnten sie von regionalen Parteien unterstützt werden, die in den letzten Jahren auch die Regierung von Sánchez geduldet haben. Diese Kombination käme auf 173 Sitze und hätte daher keine Mehrheit.

Theoretisch könnte Sánchez erneut eine Minderheitsregierung bilden. Um ein Vertrauensvotum zu überleben, müssten sich die katalanischen Separatisten von Junts per Catalunya, der Partei von Carles Puigdemont, enthalten.

Das bringt die Katalanen in die Lage Königsmacher und als Gegenleistung für die Abstinenz werden sie hohe Ansprüche stellen. „Wir werden Pedro Sánchez nicht umsonst zum Premierminister machen“, sagte Parteichefin Miriam Nogueras am Sonntagabend.

Eine Einigung mit Junts ist nicht einfach. In den letzten vier Jahren hat die Partei konsequent gegen die Regierung von Sánchez gestimmt. Zudem wäre ein solches Abkommen umstritten, weil die katalanische Unabhängigkeitsbewegung am Sonntag deutlich verloren hat. Die drei katalanischen Parteien stiegen von 23 auf 14 Sitze.

Szenario 3: eine Vereinbarung zwischen PP und PSOE

Auch PP-Chef Feijóo könnte eine Minderheitsregierung bilden. In diesem Fall müsste sich die PSOE der Stimme im Parlament enthalten. Feijóo forderte dies am Sonntag: „Wenn die Partei mit den meisten Stimmen nicht regieren kann, ist die einzige Alternative eine Pattsituation.“ Das ist nicht zugunsten Spaniens.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass PSOE-Chef Sánchez dies spürt, ist minimal. Im Wahlkampf hat er diese Möglichkeit wiederholt abgelehnt.

Szenario 4: Neuwahlen

Gelingt es keiner der Parteien, eine Regierung zu bilden, wird es wie 2015 und 2019 zu Neuwahlen kommen. Dies unterstreicht einmal mehr, wie schwierig es ist, in der äußerst gespaltenen politischen Landschaft Spaniens eine Regierung zu bilden. Die politische Krise in Spanien kommt der EU äußerst ungelegen. Insbesondere in diesem halben Jahr hat Spanien den Vorsitz in der EU inne. Die politische Unsicherheit in Madrid trägt sicherlich nicht zum politischen Einfluss der spanischen Präsidentschaft bei.



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