Nachdem er seine blauen Laborhandschuhe angezogen hat, baut Martijn Ronchetti Schicht für Schicht ein Solarmodul auf. Zunächst eine Rückseite aus Polyolefin, einem feuer- und witterungsbeständigen Polymer. Dann eine Kupferschicht, um später die Sonnenenergie abzuleiten.
Ein Blatt mit Klebefolie, mit der besonderen Eigenschaft, dass es sich auch in Zukunft wieder ablösen lässt und dessen Zusammensetzung noch geheim ist. Dann die Solarzellen selbst, die aus Silizium und Silber bestehen und aus nächster Nähe wie ein dunkelblauer Himmel mit eingezeichneten Sternbildern aussehen. Schon wieder diese Klebefolie. Und schließlich eine Glasscheibe, die 30 Jahre lang Hagel, Regen, Hitze und Frost standhalten muss.
Augenblicke später sind alle Teile zu einem Ganzen verschmolzen: ein brandneues Solarpanel. Das Besondere an diesem „Modul“, wie die Forscher in diesem TNO-Labor die Solarpanels nennen, ist, dass alle Teile auch zerlegt werden können. Das macht es einfach zu recyceln, wenn es jemals das Ende seiner Lebensdauer erreicht.
Es ist ein großer Unterschied zu den Solarmodulen, die derzeit auf Dächern und Wiesen auftauchen. Die Schichten sind so fest verklebt, dass es fast unmöglich ist, alle Materialien wieder auseinander zu nehmen. Die Folge: Solarpanels, die jetzt aufgeben, verschwinden im Häcksler und finden dann oft als Bodenverfestiger unter Straßen einen Bestimmungsort. Auch Schadstoffe wie Blei und Pfas (Poly- und Perfluoralkylsubstanzen) gelangen in die Umwelt.
„Das wird sicher ein Problem“, sagt TNO-Forscher Martin Späth. Denn der Abfallberg von Solarmodulen wird rasant wachsen. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: im Jahr 2020 werden Solarmodule ungefähr hergestellt ein Drittel aller Elektro- und Elektronikgeräte die in den Niederlanden auf den Markt kam.
Späth nimmt eine Liste mit Zahlen zur Hand. Im Jahr 2020 wurden in den Niederlanden 124 Tonnen Sonnenkollektoren entsorgt, für 2030 werden 50.000 Tonnen und für 2050 nicht weniger als 400.000 Tonnen erwartet. Bis dahin wird die ganze Welt einen Müllberg von 10 Milliarden Solarmodulen mit einem Gesamtgewicht von 60 Millionen Tonnen haben – das Zehnfache der Pyramide von Gizeh.
Es stellt sich die Frage: Sind Solarmodule wirklich so nachhaltig? Was sollen wir mit all dem Müll machen? Und wenn wir den Lebenszyklus eines Solarmoduls betrachten: Wie nachhaltig ist die Produktion? Steht der Energieaufwand für die Herstellung eines Solarmoduls im Verhältnis zum Ertrag?
Silizium
Atse Louwen, ein niederländischer Wissenschaftler, der sich auf den Lebenszyklus von Solarmodulen spezialisiert hat, beginnt ganz am Anfang. Er beschreibt, wie man eine Solarzelle herstellt – eine mit Silizium, dem mit Abstand meistverkauften Typ.
Zunächst muss reines Silizium aus Quarzsand gewonnen werden, dann wird es kristallisiert: Prozesse, die viel Wärme- bzw. elektrische Energie benötigen. Dann wird das Silizium in dünne Scheiben geschnitten und geht in die Fabrik, wo ein Plus- und ein Minuspol angebracht werden. Silizium hat die Eigenschaft, dass ein Elektron freigesetzt wird, wenn ein Photon (Lichtteilchen) darauf landet. Die Absicht ist, dass diese Elektronen alle in die gleiche Richtung gesendet werden, sodass ein elektrischer Strom entsteht.
Es ist ein Produktionsprozess, der ziemlich viel Energie benötigt. Und doch haben alle Solarmodule zusammen viel mehr Energie produziert als die Produktionskosten, errechnete Louwen. ‚Im Jahr 2011 hat die Branche als Ganzes bereits ein Wendepunkt erreicht, sowohl bei der Energie als auch bei den Treibhausgasen“, sagt der Forscher.
Auch für die Niederlande sieht die Bilanz günstig aus. Louwen zeigt auf a Kürzlich durchgeführte Studie von einem Kollegen, der ausgerechnet hat, dass ein Solarpanel hier innerhalb von 1,5 Jahren Nettoenergie erzeugt. „Und in Südeuropa beträgt dieser Zeitraum sogar ein Jahr. Wenn man bedenkt, dass ein Solarpanel etwa dreißig Jahre hält, produziert jedes Panel also fünfzehn- bis dreißigmal so viel Energie, wie es kostet.‘
Das ist also nicht das Problem. Am Ende des Lebenszyklus. „Solarmodule werden so hergestellt, dass sie möglichst lange allen Witterungseinflüssen standhalten“, sagt Louwen. Alles ist sehr fest verklebt. Das macht es schwierig, sie wieder auseinanderzunehmen.“
Das weiß man auch bei der Open Foundation, die im Auftrag der Lieferanten in den Niederlanden für die Sammlung und Verarbeitung von ausgedienten Solarmodulen zuständig ist. „Sie werden jetzt auf sehr einfache Weise verarbeitet“, sagt Jan Vlak, Direktor der Open Foundation. „Zunächst wird das Kabel abgeschnitten, damit das Kupfer wiederverwendet werden kann. Wechselrichter und Stecker lösen sich. Eine Maschine presst die Platte aus dem Aluminiumrahmen, der ebenfalls recycelt wird. Der Rest wandert dann in den Schredder. Es wird in sehr kleine Partikel zermahlen, eine Art feiner Kies.“
Der Sonnenkollektorkies wird dann für verschiedene Zwecke verwendet: Er dient zunächst als Schleifmittel in Metallschmelzöfen, danach wird die im Straßenbau zurückbleibende Schlacke als Bodenverfestiger verwendet. „Bis jetzt haben wir auf diese Weise alles verloren“, sagt Vlak. „Ich erkenne sofort: Das sind Anwendungen von geringem Wert.“
Macht er sich keine Sorgen, dass Blei und Pfas auf diese Weise in die Umwelt gelangen? „Nein, mir ist neu, dass da Blei drin sein soll“, sagt Vlak. „Und die Schlacke wird auf Auswaschung aus Materialien getestet, bevor sie als Straßenbelag verwendet werden.“
Eine sinnvolle Anwendung als Straßenbelag? TNO-Forscher Martin Späth sieht das anders. „Der Abfall von Solarmodulen wird einfach entsorgt“, sagt er. Und tatsächlich, in den heutigen Solarmodulen ist Blei enthalten – während andere Elektrogeräte in der EU einem strengen Höchstgehalt unterliegen, unterliegen Solarmodule dieser Richtlinie. ausgenommen† Späth: „Viele der aktuellen Solarmodule sind mit Blei gelötet. Solange sie geschreddert werden, landen sie in der Umwelt.“
Atse Louwen, der Forscher des Lebenszyklus von Solarmodulen, relativiert dies. „Leider ist keine Technologie vollständig grün. Beim Verbrennen von Kohle entstehen noch mehr Schwermetalle“, sagt er. „Sie gehen direkt in die Atmosphäre.“
Klar ist aber, dass sich in Zukunft etwas ändern muss – darin sind sich alle Beteiligten einig. „Das wird auf Dauer nicht mehr so sein“, sagt Späth. „Wenn die Abfallmenge zunimmt, ist es nicht mehr vertretbar, dass diese Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Wir müssen noch sehr viele bleihaltige Platten verarbeiten.“
Es müssen also zwei Dinge passieren: Es müssen bessere Möglichkeiten zur Verarbeitung der aktuellen Solarmodule entwickelt werden, und es müssen mehr recycelbare Module auf dem Markt sein.
Schwermetalle
Auch laut der Open Foundation ist es ‚essentiell‚ Rohstoffe aus Sonnenkollektoren zurückzugewinnen, nicht zuletzt um die Niederlande und Europa unabhängiger vom Rest der Welt zu machen. Die Stiftung hat Martin Späth beauftragt aufzulisten, was möglich ist, um Glas, Silizium, Silber, Aluminium und Blei zurückzugewinnen.
Der erste Schritt besteht darin, das Glas, den gewichtsmäßig wichtigsten Bestandteil, von den Solarzellen selbst zu trennen. „Das kann mittels Pyrolyse geschehen, einem Verbrennungsprozess ohne Sauerstoff“, sagt Späth. „Dadurch verschwindet der Klebefilm aus Ethylenvinylacetat (EVA), der sonst überall klebt.“
Dann besteht die Kunst darin, das Silizium von den Metallen zu trennen. Späth: ‚Das wird immer attraktiver. Die EU will die Energiekosten auf den Importpreis umlegen, und um reines Silizium herzustellen, braucht es viel Energie. Damit wird es immer rentabler, Silizium zu recyceln.‘
Späth selbst arbeitet an einer Technik, bei der Silber und Silizium getrennt werden. „Es wird immer schwieriger, Silber abzubauen, und es gibt eine riesige Nachfrage nach Silber“, sagt er. „Es wird also eine Zeit kommen, in der wir wirklich kein Silber mehr wegwerfen werden.“ Auch das Recycling wird mit zunehmender Menge an ausrangierten Solarmodulen wirtschaftlicher.
Das Fazit von Späth lautet daher: Das Problem ist lösbar. „Das ist eine reine Kostenfrage, denn all diese Technologien sind natürlich viel teurer als der Aktenvernichter.“
Bezeichnenderweise beträgt die von den Lieferanten gezahlte „Entsorgungsgebühr“ nur 13 Cent pro Panel. Im Abgeordnetenhaus, CDA, D66 und GrünLinks Fragen dazu. „Die Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Verarbeitung von ausgedienten Solarmodulen in der Zukunft ist nicht in Ordnung“, gab Staatssekretär Heijnen (Infrastruktur, CDA) als Antwort zu. Sie unternahm keine Anstalten, das Problem zu lösen, sondern legte die Verantwortung auf die Open Foundation.
Inzwischen arbeiten Martin Späth und seine Kollegen bei TNO mit Hochdruck am Solarmodul der Zukunft, das schon jetzt zirkulär konzipiert ist – mit Rohstoffen, die immer wieder verwendet werden können.
„Ich denke, es stellt sich heraus, dass die Teile eines Solarpanels Stück für Stück ausgetauscht werden“, überlegt Späth. „Keine revolutionäre Veränderung, sondern eine evolutionäre.“
Ein kleiner Teil der Solarpanels verwendet beispielsweise kein bleihaltiges Lötzinn mehr, sondern elektrisch leitfähigen Kleber. Für das Heck gibt es eine Alternative ohne PFA, unter anderem aus Polyolefin. Derzeit wird es in verwendet eines von fünf neuen Solarmodulen†
Die verschiedenen Schichten können mit dem „ablösbaren“ Klebefilm, der bereits im TNO-Labor verwendet wird, miteinander verklebt werden. Es werde erst in vier oder fünf Jahren auf den Markt kommen, rechnet Späth. Zu diesem Zeitpunkt kann die Glasplatte mühelos von der Platte abgehoben werden, um sie in einer neuen Runde zu verwenden, ebenso wie die Solarzellen.
Zuvor müssen allerlei Zertifikate erworben werden: für Brandschutz und Lebensdauer. TNO führt die entsprechenden Tests durch. In speziellen Räumen werden die Solarpanels der Zukunft klimatischen Extremen ausgesetzt. Das Panel wird von einer Temperatur von 40 Grad unter Null auf 85 Grad über Null hin und her geschleppt oder Tausende von Stunden in einer Umgebung von 85 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit verbracht.
„Auch solche Wetterextreme hält die neue Klebefolie gut aus“, sagt Bediener Martijn Ronchetti und zeigt eine Platte ohne Risse. ‚Der Ertrag nimmt nicht ab.‘
Spath seufzt. „Ein nachhaltiges Solarpanel: Das geht und muss nicht einmal teurer sein. Die Branche ist einfach sehr konservativ. Die Hersteller in China gehen kein Risiko ein: Sie haben inzwischen Materialien, die nachweislich dreißig Jahre halten. Es ist sehr schwierig, mit einer Tradition zu konkurrieren. Aber wenn China überzeugt oder gezwungen wäre, würde es sehr schnell gehen.‘