Sollten Regierungen die Energiepreise auch in Krisen besser dem Markt überlassen?

Solidaritat ist passe es geht darum wer am besten oder
Peter de Ward

2009 einigten sich die G20-Staaten darauf, die Subventionierung fossiler Brennstoffe zu beenden. Der Vorteil – niedrige Energiekosten für die Verbraucher – wiegt die vielen Nachteile nicht auf: steigende Haushaltsdefizite, ineffiziente Verteilung von Wirtschaftsgütern, Klimawandel und größere Ungleichheit, weil vor allem höhere Einkommensschichten von den Subventionen profitieren.

Bis 2020 hatten die Subventionen für fossile Brennstoffe (Öl, Gas und Kohle) dennoch 6.000 Milliarden Dollar (6 Billionen) erreicht – 6,8 Prozent des weltweiten BIP. Dies umfasste sowohl direkte Subventionen (Lieferung fossiler Brennstoffe unter Selbstkostenpreis) als auch indirekte Subventionen (finanzielle Unterstützung von Bergbau- und Energieunternehmen und Steuerrückerstattungen). Deshalb stand das Thema im vergangenen Jahr ganz oben auf der Agenda der sogenannten COP26, der Klimakonferenz in Glasgow, auf der sich 197 Länder zum Subventionsabbau verpflichteten.

Überließ man die Gas-, Strom- und Benzinpreise dem Markt, war dies ein Anreiz zum Sparen und zur Suche nach nachhaltigen Alternativen. Besonders vorwurfsvoll blickten westliche Länder auf Entwicklungs- und Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Peru, Mexiko und Nigeria, deren Regierungen die Treibstoffpreise bewusst niedrig halten. Dort sind diese Subventionen für viele Menschen immer noch lebenswichtig, weil sie sonst draußen in der Kälte stehen, nicht kochen können oder ihre Lebensgrundlage verlieren – Tuktuk, Mofa oder Lkw. Höhere Energiepreise könnten zu sozialen Unruhen oder sogar zu einem Volksaufstand oder Staatsstreich führen.

Aber jetzt hat sich alles geändert. Die Regierungen der westlichen Länder haben durch den Krieg in der Ukraine den Glauben verloren. Nicht der Markt, sondern die Politik soll die Preise bestimmen. Anreize spielen keine Rolle mehr. Jeder hat Butter auf dem Kopf. Wenn fossile Brennstoffe nicht subventioniert werden, befürchten die Autofahrer, durch Wahlen von der Landkarte gewischt zu werden. Es geht für die Bürger hier noch nicht um Leben und Tod wie in der Dritten Welt, aber es führt zu zunehmender Armut bei den unteren Einkommen. Auch Brüssel – der Verfechter des freien Energiemarktes – denkt jetzt über eine Preisobergrenze nach.

Die Niederlande waren früh dran und haben bereits am 1. April die Verbrauchsteuer auf den Benzinpreis um 20 Prozent gesenkt, denn ein Land mit „glücklichen Fahrern“ ist ein großer Vorteil. Weitere Überlegungen sind eine Senkung der Energiesteuer, ein einmaliger Energiezuschlag und die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie. Die neue britische Premierministerin Liz Truss ist völlig wütend. Als willkommene Dusche hat er die Energiepreise eingefroren, was bedeutet, dass eine Giga-Rechnung von 150 Milliarden Euro an zukünftige Generationen weitergegeben wird.

Das Paradoxe dabei ist, dass Subventionen auf Energiekosten zum größten Teil bei den überdurchschnittlich und top verdienenden Menschen landen – also bei denen, die sich die hohen Preise auch leisten können. Sie fahren die größten Autos und haben die größten Häuser. Regierungen sollten die Energiepreise auch in Krisenzeiten besser dem Markt überlassen. Und wenn ein Ausgleich geleistet werden muss, muss dies durch höhere Leistungen und Steuererleichterungen für die Menschen mit den niedrigsten Einkommen geschehen.

Auch wenn sie während der Wahlen meist zu Hause bleiben.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar