„Sie wusste es nicht“, sagte sie. Wäre das wahr? Weißt du das als Frau wirklich nicht?‘

Olga kann meine Handtucher haben ja jeder
Sylvia Wittemann

Ich genoss gerade den letzten schönen Sommertag im Amsterdamer Darwin Park, als ein Mann neben mir stehen blieb, ein gekonnt gedrehtes kariertes Hemd im Anschlag. Hatte ich Feuer? Ich kramte in meiner Tasche, die manchmal die schönsten Fundstücke preisgibt, in diesem Fall eine Streichholzschachtel aus der «Alpenblick Bar» in Zürich.

Während ich überlegte, ob, wann und warum ich jemals in Zürich gewesen war, zündete der Mann seinen Scheck an. Er war ungefähr 70, aber er hatte etwas Jugendliches an sich. Nicht künstlich, wie das Gesicht, das Gustav von Aschenbach kurz vor seinem Tod in Venedig gemalt hat, nein, er war nur ein schlanker alter Junge, mit einer Jeansjacke und einem Charakterkopf mit unordentlichen, dichten grauen Haaren.

„Ich habe dort kürzlich einen Freund begraben“, sagte er. Er deutete zur Seite, zum Ostfriedhof. »Madelon. Sie war 71. Das ist heutzutage jung.“ Ich nickte. „Sie war so ein nettes Mädchen“, fuhr er fort. ‚Ein wildes Mädchen, immer geblieben. Sag, ich setze mich. Opa bekommt Schaubeine.’ Er fügte ein ironisches Lachen hinzu.

»Ich kannte sie von der Akademie«, fuhr er fort. „Siebziger“, aber wir sind immer Freunde geblieben. Ich hatte damals etwas mit ihr zu tun. Ich war definitiv nicht der Einzige. Bei dieser Beerdigung müssen ungefähr zehn oder zwölf beschissene Schwager von mir gewesen sein. Und wir waren alle verliebt. Es war ein süßes Mädchen. Dunkel, mit diesen hellen Augen. Madelon.«

Er rollte einen weiteren Scheck. „Sie hatte drei Kinder“, fuhr er fort. „Ich glaube, der älteste Junge gehört mir. Sie wollte es nie sagen, weil sie das alles für bürgerlichen Unsinn hielt. Sie wisse es nicht, sagte sie. Wäre das wahr? Weißt du das als Frau wirklich nicht?‘

Ich zögerte. „Ich weiß von meinem“, sagte ich. „Ja, wenn du viele Männer auf einmal hast…“ Er nickte resigniert. „Nun, sie ist tot“, sagte er. Sie konnte auch gut kochen. Diese Eintöpfe. Und sie hatte ein gutes Herz. Streunende Katzen, arme Künstler, sie alle konnten zu ihr kommen. Ein Schatz, Madelon. Es gab nur ein Problem.‘

Er lächelte und zog sein Handy aus seiner Brusttasche. „Sie nannte sich selbst eine Künstlerin, aber was sie gemacht hat, war sehr hässlich. Groß, grob und bedeutungslos. Hier, schau.‘ Ich schaute auf sein Handy und sah ein abstraktes Gemälde, das hauptsächlich an Grünkohleintopf erinnerte.

„Ist es schlimm?“ sagte er. „Zweieinhalb mal eineinhalb. Hängt seit über dreißig Jahren an meiner Wand und sieht hässlich aus. Jetzt kann ich es endlich loswerden. Aber ich mache es nicht. Weil sie so ein sehr süßes Mädchen war.‘



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar