Sie kann ihr Entsetzen kaum verbergen. „Graue Haare sind Friedhofsblumen“

Wir kuemmern uns lieber um die Lieblingshunde einer verstorbenen Koenigin
Merel van Vronhoven

„Hör nicht auf zu malen!“, sagt die Frau im Friseurstuhl neben mir. „Glaub mir, das macht dich auf einen Schlag zehn Jahre älter.“ Sie kann ihr Entsetzen kaum verbergen. „Graue Haare sind Friedhofsblumen.“

Grau ist alt. Verschlechterung, trockenes Holz. In Zeiten von „forever young“ und digital manipulierten Schönheitsidealen ist Gerontophobie (Angst vor dem Altern) weit verbreitet. Das gesellschaftliche Bild älterer Menschen, insbesondere älterer Frauen, ist oft negativ. Graugraue Locken, Rillen und Falten, hängende Mundwinkel, eine Taille, die verschwindet; es sind Flüche, mit denen man coûte que coûte so lange wie möglich aufschieben möchte. Alle wollen alt werden, aber keiner will es werden, lautet das Klischee. Außer wenn man jung ist, hat das Älterwerden etwas Aufregendes. Aber sobald wir über 20 sind, setzt das Streben nach ewiger Jugend ein. Anti-Falten-Cremes, Botox gegen Krähenfüße, Brust-, Bauch- und Po-Korrekturen, das Geschäft boomt. Die amerikanische Forschungsagentur Statista erwartet, dass die Branche der Altershilfsmittel bis 2026 weiter auf fast 90 Milliarden Euro wachsen wird. Und wer denkt, dass nur kommerzielle Unternehmen an Anti-Aging arbeiten, wird enttäuscht. Auch die Wissenschaft hat sich voll und ganz der Suche nach einem Lebenselixier verschrieben, das das Altern verlangsamt und unser Leben verlängert.

Und wir leben schon viel länger als erwartet. So sehr, dass Pensionskassen und Versicherer jede Menge zusätzliches Kapital vorhalten müssen, um alle Renten rechtzeitig auszahlen zu können, wie Achmea letzte Woche mitteilte. Nach den neuesten Hochrechnungen zur Lebenserwartung werden die jetzt geborenen Kinder auf die hundert Jahre zulaufen (Frauen 93 und Männer 90); einer der Hauptgründe, warum unser Rentensystem nicht mehr tragfähig ist. Das wird also für uns alle funktionieren. Glücklicherweise gibt es bei all dem Personalmangel reichlich Arbeit. Würden Sie denken. Dennoch gibt es immer noch 55.000 über 55-Jährige, die gerne einen Job bekommen würden, es aber nicht können. Weisheit und Erfahrung verlieren gegenüber negativen Bildern. Bis es Stickstoffstreit mit den Bauern gibt, dann wird ein alter Mann wie Remkes aus dem Stall geholt.

Die Abneigung gegen das Alter ist übrigens kein weltweites Phänomen. In Afrika wird das Alter angenommen. Wie in Ghana, wo es überhaupt keine Worte für „alt werden“ gibt. Statt: „Sie ist alt“, sagen Ghanaer: „Sie ist gewachsen“. Ein hervorragender Ausdruck dafür, was Alter eigentlich bedeutet. Viel besser als das stereotype Bild der Oldies, die ihre Unterlippen hinter den Geranien saugen und auf die Ankunft des Sensenmanns warten.

Gerade als ich der Frau auf dem Friseurstuhl neben mir antworten will, schwingt die Salontür auf. Es ist Frau Petersen. 94 und seit Jahren Stammkunde. „Es hat funktioniert“, sagt sie fröhlich, während sie aus einer blauen Albert-Heijn-Tasche eine Handbohrmaschine nimmt, die sie – wie sich herausstellt – von meinem Friseur geliehen hat. „Die Stoßstange seines Autos ist wieder dran. Es war ein Stück Kuchen.‘ Ihr Nachbar sei mit seinem Auto gegen einen Pfosten gefahren und Frau Petersen habe „ihm eine Weile geholfen“. „Das erspart ihm eine weitere teure Rechnung aus der Garage“, sagt sie lachend. Erst dann fällt ihr Blick auf den Haarfärbepinsel in den Händen der Friseurin. „Oh, und ich würde aufhören zu malen. Bei all den Preiserhöhungen heute. Nun, ich gehe wieder.‘

Sie ist gegangen. Ihr schwarzes Haar weht im Wind.



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