Die Stimmung war nicht aufregend. Obwohl die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den Wahlen im Oktober mit 191 Sitzen die stärkste Partei im polnischen Unterhaus wurde, hat der starke, proeuropäische Oppositionsblock seitdem 248 Sitze im Parlament hinzugewonnen. Dieser von Donald Tusk angeführte Block hat die alte Regierung abgewählt. Es wird erwartet, dass die Opposition heute Abend ihr Vertrauen in Tusk als neuen Premierminister zum Ausdruck bringt, woraufhin das Parlament morgen über seine Regierung abstimmen wird.
Der PiS-nahe Präsident Andrzej Duda verzögerte diese Parlamentsabstimmung um zwei Monate. So ernannte er vor zwei Wochen PiS-Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zum Vorsitzenden einer Minderheitsregierung, obwohl er wusste, dass Morawiecki die Vertrauensabstimmung im Parlament am 11. Dezember nicht überleben würde.
In der Zwischenzeit war Tusk damit beschäftigt, seine Grundsatzerklärung auszuarbeiten. Dies wird er voraussichtlich am Dienstag vorlegen, zusammen mit der Bekanntgabe seiner neuen Regierung. Damit wird den acht Jahren der PiS-Regierung, die die Rechtsstaatlichkeit manipuliert hat, ein Ende gesetzt.
Historischer Moment
Aus diesem Grund wurden die Wahlen im Oktober als die wichtigsten seit 1989 bezeichnet und auf den Fall des Eisernen Vorhangs und den Kommunismus im Land verwiesen. Auch Michael Kobosko, stellvertretender Vorsitzender der Koalitionspartei Polen 2050, verwies im Vorfeld der Vertrauensabstimmung und der Ernennung der neuen Regierung auf das historische Ereignis im Jahr 1989.
Tusks Ankunft dürfte eine neue Ära einläuten: Er will die Folgen von acht Jahren PiS ungeschehen machen. Beispielsweise hat die PiS mehrere Institutionen gekapert, darunter auch die Justiz. Auch die Pressefreiheit nahm unter seiner Herrschaft ab und die Rechte von Frauen und Minderheiten, wie etwa LGBTIQ+-Personen, gerieten unter Druck.
Für die neue Regierung wird es eine enorme Aufgabe sein, die langjährige Politik der PiS umzukehren. Insbesondere die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit erfordert viel Arbeit. Beispielsweise wurde die Unabhängigkeit der Justiz stark beeinträchtigt und Präsident Duda verfügt bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2025 über ein Vetorecht. Das kann ein Stolperstein für die Umsetzung neuer Gesetze sein.