Orbán sorgt mit seinem Vetorecht in Brüssel für Ärger, ist aber in guter Gesellschaft

Orban sorgt mit seinem Vetorecht in Bruessel fuer Aerger ist


Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Mit seinem EU-Veto blockierte er 18 Milliarden Euro an Hilfen, um den Ukrainern durch den Winter zu helfen.Bild AP

Diese Woche schien es, als hätte die EU nur noch ein schwarzes Schaf übrig: Ungarn. Das Land, in dem Premier Viktor Orbán seit zwölf Jahren regiert, blockiert dringend benötigte Finanzhilfen für die Ukraine, neue Sanktionen gegen Russland und eine Mindeststeuer für Multis. Ein ebenso flacher wie effektiver Einsatz seines Vetorechts, um Budapest milliardenschwere europäische Subventionen zu sichern.

Ein unbequemes Bild in einer Zeit, in der die EU geschlossen hinter Kiew und gegen Moskau stehen will. Es bekräftigt auch nicht sein Versprechen bezüglich der EU als Akteur auf der Weltbühne. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, an dem andere traditionelle Gegner am EU-Tisch – Polen, Slowenien, die Slowakei – eine kooperative Haltung einnehmen.

Finanzministerin Sigrid Kaag bezeichnete die Haltung ihres ungarischen Kollegen als „mehr als bedauerlich“. Sie wies darauf hin, dass die Europäische Kommission mit einer glasklaren Analyse empfohlen habe, 7,5 Milliarden Euro an EU-Subventionen für Ungarn einzufrieren. Die ordnungsgemäße Verwendung dieser europäischen Steuergelder ist nicht garantiert, da Korruption, Betrug und Günstlingswirtschaft in Ungarn seit Jahren weit verbreitet sind und die Rechtsstaatlichkeit zu marode ist, um etwas dagegen zu unternehmen. Die Niederlande folgen dem Kommissionsvorschlag ebenso wie alle anderen EU-Länder (außer Ungarn) und das Europäische Parlament.

Die versprochenen 18 Milliarden Euro zur Unterstützung der Ukraine könne Ungarn dann nicht verhindern, so Kaag. Geld, das dringend benötigt wird, um die Ukrainer in diesem Winter mit Heizung, Strom und Lebensmitteln zu versorgen. Sie kämpfen für unsere Werte, wir können sie nicht im Regen stehen lassen, sagte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis (Wirtschaft).

Politisch verwerflich

Aber Orbán tut das, er tut noch mehr. Budapest nutzt nicht nur die finanzielle Unterstützung der EU für die Ukraine (die Einstimmigkeit erfordert) als Druckmittel, sondern auch ein ganzes Arsenal an Vetos: gegen ein neues Sanktionspaket für Moskau; gegen zusätzliche EU-Gelder für Waffenlieferungen an die Ukraine; gegen eine Mindeststeuer für multinationale Unternehmen. Alles Dinge, die nichts mit seinen Subventionen zu tun haben.

Ärgerlich und politisch erbärmlich, wie viele Mitgliedstaaten meinen, dass Ungarn rechtlich innerhalb seines Rechts steht, von den Vetos Gebrauch zu machen. Diese sind im Europäischen Vertrag festgelegt, alle Länder haben sie und mehr noch: Sie nutzen sie auch, wenn auch nicht so oft und willkürlich wie Ungarn.

In der Woche, in der Ungarn quer zur Ukraine lag, blockierten die Niederlande und Österreich den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum, dem Klub von 26 europäischen Ländern, zwischen denen die Grenzkontrollen aufgehoben wurden. Auch hier gab es eine klare Empfehlung der Kommission: Beide Länder sind bereit für eine Schengen-Mitgliedschaft, und das seit Jahren. Auch hier unterstützen fast alle Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament diese Einschätzung. Aber Staatssekretär Eric van der Burg (Justiz und Sicherheit) sah keinen Grund, seine Meinung zu ändern. Er betonte, dass einige Themen – wie die Schengen-Erweiterung – Einstimmigkeit erfordern. „Nicht umsonst waren wir uns einig“, sagt Van den Burg.

Gaspreisgrenze

Er ist in guter Gesellschaft. Beim EU-Gipfel im Oktober stritten sich die Regierungschefs über die Idee, eine Preisgrenze für Gas festzulegen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte solche Angst, dass dieser Plan von einer Mehrheit der Energieminister durchgesetzt würde, dass er forderte, dass die Staats- und Regierungschefs – die immer einstimmig entscheiden – die Möglichkeit haben sollten, ihn rückgängig zu machen. Oder Belgien, das mit seiner Vetodrohung den für Antwerpen wichtigen Handel mit Diamanten von den Sanktionen gegen Russland fernhält.

Der Ruf nach Abschaffung des Vetos wird lauter, im Europäischen Parlament, aber auch in den Mitgliedstaaten. Die Niederlande wollen zum Beispiel das Veto in der Außenpolitik, etwa bei der Verhängung von Sanktionen, abschaffen. So etwas erfordert eine Änderung des Europäischen Vertrags, eine zeitraubende Aufgabe ohne Erfolgsgarantie.

Die Abschaffung von Vetos ist nicht ohne Risiko. Entscheidungen, die von einer Mehrheit durchgesetzt werden, stoßen in den Ländern, die dagegen stimmen, auf Widerstand. Ein schmerzhaftes Beispiel ist die rechtliche Vereinbarung von 2015 zur Umverteilung von Migranten auf die Mitgliedstaaten. Die östlichen Mitgliedstaaten, die dagegen gestimmt hatten, weigerten sich, dieses Gesetz umzusetzen, was zu einer völligen Sackgasse für die europäische Migrationspolitik führte. Zwang ist nicht förderlich für die Unterstützung der EU.

Zusätzliche Beratungsrunden

Die EU entscheidet sich daher ausnahmslos für zusätzliche Konsultationsrunden, um sensible Themen einvernehmlich erörtern zu können. Das passiert jetzt auch. Anfang nächster Woche werden sich Ministerin Kaag und ihre EU-Kollegen noch um eine Einigung bemühen: Weniger Milliarden für Ungarn einfrieren, dafür ein paar Milliarden mehr für die Ukraine. Im Erfolgsfall wird Budapest vermutlich seinen Widerstand gegen neue Sanktionen gegen Moskau fallen lassen.

Am Dienstag treffen sich die Energieminister zu ihrem fünften Zusatztreffen zur Gaspreisobergrenze. Kommt kein Kompromiss zustande, landet er Ende der Woche auf dem Teller der Regierungschefs bei ihrem Jahresendgipfel. Und im nächsten Sommer wird es einen neuen Kommissionsbericht geben, dass Bulgarien (noch) wirklich bereit für eine Schengen-Mitgliedschaft ist, mit dem die Niederlande vielleicht ohne allzu großen Gesichtsverlust die Wende schaffen können.



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