Null-Toleranz im Fußball: Probieren Sie es ein paar Monate lang aus und nicht nur auf der ganzen Linie

Null Toleranz im Fussball Probieren Sie es ein paar Monate lang


2009: Stühle auf dem Feld bei Roda JC – Ajax.Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Die Unruhen in Feyenoord – Tottenham Hotspur, 1974. Die Bombe in den Niederlanden – Zypern, 1987. Die Eisenstange auf dem Feld von Ajax, 1989. Der Tod von Erik Lassche, 1992. Und der von Carlo Picornie, 1997.

Dies sind nur einige Tiefpunkte in der beschämenden Tradition des niederländischen Fußballrowdytums, das nächstes Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen feiert. Das Feuerzeug auf dem Kopf von Davy Klaassen war insofern sicher keine Neuigkeit, außer dass der Vorfall in den Post-Corona-Trend der aufflammenden Gewalt passt, genauso wie der Schlag auf den Kopf des Groninger Spielers Jetro Willems, der Angriff auf Sevilla Torhüter Marko Dmitrovic in Eindhoven und die Fackeln, die die Fans von Heerenveen in Alkmaar auf das Feld warfen. Auch die Spielersicherheit kann nicht mehr gewährleistet werden.

Die Frustrationen bei Bürgermeistern, Polizeikommissaren und KNVB-Direktoren sind verständlich, zumal es bis 2019 durchaus schien, dass die Dinge in die richtige Richtung gingen. Der Polizeieinsatz rund um Spiele im niederländischen Profifußball war in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Mit der Frage, warum plötzlich wieder alles schief gelaufen ist, promoviert man manchmal, und da spielen wohl soziale Faktoren eine Rolle. Dabei wird aber wie immer außer Acht gelassen, dass es sich in erster Linie um ein fußballspezifisches Problem handelt. Keine andere Sportart auf der Welt wird so von Fangewalt und grenzüberschreitenden Gesängen geplagt, nicht einmal in Ländern, in denen die gesellschaftlichen Gegensätze mindestens so groß oder sogar noch größer sind.

Die Atmosphäre rund um den Platz kann man also wirklich nicht losgelöst von der entgleisten Fußballkultur sehen: die aufgekratzte Stimmung auf und um den Platz, die schon bei den jüngsten Jugendlichen anfängt, und die völlige Respektlosigkeit gegenüber jeglicher Autorität, dem Schiedsrichter voraus. Es gibt auch keine andere Sportart auf der Welt, bei der es als völlig normal gilt, nach einem Foul oder einem umstrittenen Pfiff die gesamte Mannschaft auf den Gegner oder den Schiedsrichter zu stürmen und dabei die eigenen Anhänger maximal aufzuhetzen.

Das Gute ist: Man kann etwas dagegen tun. Wenn sich der KNVB und die Vereine darauf einigen, dass von nun an nichts mehr geduldet wird, dass jede Kritik am Schiedsrichter sofort zu einer gelben Karte führt und dass jeder anstößige Sprechgesang oder Geschoss von der Tribüne sofort zu einem Spielabbruch mit Verlust führt Für die Heimmannschaft – die ja im Stadion für Sicherheit sorgt – mag es ein paar Wochen dauern, bis sie sich daran gewöhnt haben, aber danach werden Spieler und Fans ihr Verhalten anpassen, weil sie sich sonst hauptsächlich selbst übertölpeln.

Ansonsten probiere es ein paar Monate aus. Die Alternative ist, dass die Polizei die Drohung wahr macht, die Zusammenarbeit einzustellen, und dass wir früher oder später auf Spiele ohne Publikum zusteuern. Dann ist es das Ende der Geschichte für den Fußball.

Der Volkskrant Commentaar bringt die Position der Zeitung zum Ausdruck. Es kommt nach einer Diskussion zwischen den Kommentatoren und den Chefredakteuren zustande.



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