„Jeder, der Hilfe braucht, kann sich bei uns melden“, sagte GP Adrie Evertse am Sonntag vor einem Raum voller Trauer. Vier Hausärzte und der Pfarrer kamen zu der Klausurtagung über das „schreckliche LKW-Drama“, mit dem die Einwohner von Nieuw-Beijerland und Umgebung am Samstagabend konfrontiert wurden. Auf einen Schlag wurden sechs Menschen getötet und sieben verletzt. Wie gehen Sie als kleine Gemeinde damit um?
„Diese Katastrophe hat nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf Dutzende Beteiligte“, betont die Sprecherin Alma de Haan von der Opferhilfe. „Die Leute stehen unter Schock. Für uns ist das vergleichbar mit Großereignissen wie dem Geiseldrama im Amsterdamer Apple Store im Februar oder der Schießerei bei McDonald’s in Zwolle im April.“
Kollegen der Opferhilfe begaben sich unmittelbar nach dem Anruf aus der Polizeileitstelle zum Unfallort. Sie sammelten die Telefonnummern möglichst vieler Betroffener, die am Sonntag und Montag angerufen wurden, um zu fragen, wie es ihnen geht und ob sie Hilfe benötigen. Dies führe zu vielen Fragen, sagt De Haan, die von „Wie gehe ich mit meinen Kindern in dieser Stresssituation um“ über Fragen zu medizinischen und rechtlichen Aspekten bis hin zur Organisation einer Beerdigung reichen.
In den nächsten anderthalb Monaten werden Augenzeugen und Angehörige von der Opferhilfe überwacht. Laut De Haan „zeigt die Erfahrung, dass die meisten Betroffenen nach fünf bis sechs Wochen mehr oder weniger ihr normales Leben wieder aufnehmen können. Die durchschnittlich 20 Prozent, denen es danach nicht gut geht, etwa weil sie unter Albträumen oder Appetitlosigkeit leiden, überweisen wir an medizinische Hilfe.“
Umgang mit den Medien
Weil viele Angehörige Fragen zum Umgang mit den Medien haben, wurde Lars Walder von der Stiftung Im Auftrag der Familie – Teil der Opferhilfe – zu diesem Zweck berufen. „Ich habe mit Journalisten zu tun, die nicht immer ordentlich sind“, sagt Walder, „zum Beispiel mit Reportern, die sich plötzlich im Garten eines Verwandten wiederfinden.“ Er vermittelt aber auch zwischen beteiligten Familienmitgliedern und zum Beispiel Talkshow-Moderatoren, die fragen, ob Walder sie mit jemandem in Kontakt bringen kann, der Lust hat, bei einer Talkshow mitzumachen.
Die Gemeinde Hoeksche Waard läuft auf Hochtouren. Obwohl in dieser christlichen Gemeinde sonntags alles geschlossen ist, arbeiteten jetzt mehr als vierzig Gemeindebeamte im Rathaus, sagt Anne Karsbergen, Sprecherin und Beraterin des amtierenden Bürgermeisters Aptroot. „Wir arrangieren viele praktische Dinge, wie die Pressekonferenz, die Klausurtagung und die Eröffnung unseres Kundenkontaktzentrums am Sonntag. Wir führen auf der Website einen Live-Blog über alle Entwicklungen und haben das Aftercare-Team eingerichtet.‘
Das Team, das offiziell Team Nafase heißt, konzentriert sich unter anderem auf die Einrichtung von Kondolenzregistern, sowohl digital als auch physisch, in Absprache mit den nächsten Angehörigen. „Wir konzentrieren uns auf den sozialen Teil der Auswirkungen auf die Bewohner“, sagt der Gemeindebeamte Wera de Jong. „Wir stellen den Kontakt zwischen allen Beteiligten her und können zum Beispiel Friedhofsmitarbeiter für besondere Bestattungswünsche einsetzen und auf Wunsch eine Trauerfeier, einen stillen Umzug oder ein Denkmal ermöglichen. Darüber werden wir am Dienstag mit den drei von den Anwohnern benannten Sprechern weitere Gespräche führen.‘
Familienagenten
Die Ermittlungen zum Fahrer und seinem Lkw dauern noch an. Die Polizei hat inzwischen zwölf Familienbeauftragte benannt, die den Kontakt zwischen den Familien der Opfer und der Polizei herstellen. Sie informieren die nächsten Angehörigen über den Stand der strafrechtlichen Ermittlungen. Polizeisprecherin Esha Gowricharn sagte, „bei Bedarf werden in naher Zukunft weitere Familienbeamte eingesetzt.“
Am Eisklub, wo der Lastwagen vom Deich abfuhr, legen Anwohner ununterbrochen Blumen nieder. Auf den malerischen Rad- und Wanderwegen, die meist von Touristen und Ausflüglern wimmeln, ist es sehr ruhig. Wie bei verschiedenen Sportvereinen in der Umgebung werden die Flaggen an den Schulen in Oud-Beijerland auf Halbmast gesetzt.
Rektorin Jeanette Warmels von der christlichen Schulgemeinschaft Willem van Oranje hat allen Schülern, ihren Eltern und Mitarbeitern Beileidsbotschaften übermittelt. „Wir haben alle Lehrerinnen und Lehrer beider Schulstandorte gebeten, am Montag im Unterricht über dieses große Ereignis nachzudenken“, sagt der Rektor. „Und wir erhalten viele E-Mails von besorgten Eltern besorgter Kinder, die fragen, ob wir sie besonders im Auge behalten wollen. Ihre Mentoren werden darüber informiert. Der Ruheraum unserer Schule ist die ganze Woche geöffnet. Die Schüler können dort Notizen machen und gemeinsam über diese Trauer nachdenken.“
Volle Kirche
Zweimal war die Kirche am Sonntag komplett voll, beide Gottesdienste wurden viel öfter als sonst online angesehen. „Ich komme gerade von der Unfallstelle“, sagt Pfarrer Ad Pors von der Dorfkirche in Nieuw-Beijerland. „Ich kam vorbei, stellte mich vor und hatte im Handumdrehen Gespräche über Leben und Tod mit den Menschen, die sich dort versammeln.“
Die Niedergeschlagenheit sei groß, aber das Drama verbrüdere, sagt der Pfarrer, der einen großen Bedarf an seelsorgerlicher Hilfe auch bei Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit bemerke. „Man sieht Menschen, die sich nicht oder kaum kennen, miteinander reden, sich umarmen, alle unterstützen sich gegenseitig. Wir sind alle eins in Trauer.‘