Niemand hat damit gerechnet und doch ist es passiert: Die Spitzenklubs rutschen ab

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Hedwiges Maduro reibt sich die Stirn, der Interimstrainer ist mit Ajax durch die Niederlage in Eindhoven auf den letzten Platz zurückgefallen.Bild Guus Dubbelman / de Volkskrant

Normalerweise ist Donnerstag der Tag der Wende für Ajax. Nach all den Witzen über Abstiegsgeister und Kellerbesetzer können Amsterdam-Fans hoffen, dass der Tiefpunkt überstanden ist. Sollte ihr Verein Volendam (Nummer 16) schlagen, wäre der demütigende letzte Platz in der Rangliste auf jeden Fall verloren.

Fast jeder geht davon aus, dass es so weitergehen wird und alles reibungslos ablaufen wird. Schon allein deshalb, weil es in Waalwijk drei Punkte zu gewinnen gibt, wo nur ein Spiel gegen RKC ausgetragen werden muss. Die linke Reihe wird noch einmal sorgfältig betrachtet.

Über den Autor
Dirk Jacob Nieuwboer ist Sportreporter für de Volkskrant und schreibt über Fußball und Handball. Zuvor war er türkischer Korrespondent und politischer Journalist.

Genau diese Unterschätzung befürchtet Rafael van der Vaart. „Ich habe große Angst vor dem Abstieg“, sagte er Studiofußball. Der Ex-Fußballer hat das Recht zu sprechen, denn er ist einer der wenigen Ajax-Spieler, für die der Abstieg kein abwegiges Ereignis ist.

Rückgabe nicht möglich

Mit seiner anderen Fußballliebe, dem HSV, belegte er sowohl 2014 als auch 2015 den sechzehnten Platz, knapp über der gefürchteten Linie. Der Spielmacher verließ daraufhin den Verein, doch drei Jahre später lief es immer noch schief. Der sechsfache Deutsche Meister und Gewinner des Europapokals 1 (1983) war 2018 abgestiegen und hat bislang nicht die Rückkehr geschafft.

„Das hat auch niemand erwartet“, warnte Van der Vaart alle Ajax-Spieler, die die Dinge relativierten. „Sie müssen es ernst nehmen.“

Vernünftiger Rat des Analysten, denn der HSV ist bei weitem nicht der einzige Verein mit einer großen Vergangenheit, der unerwartet in eine tiefere Liga abrutschte. „Manchester United“, lacht der Sporthistoriker Jurriaan van Wessem am Telefon. „Das ist kein kleiner Verein.“ Es passierte dem AC Mailand und Atlético Madrid. „Alle dachten auch an diese Vereine: Es ist nicht möglich, dass sie absteigen.“

Beim AC Mailand spielten italienische Umstände eine Rolle: Aufgrund eines Bestechungsskandals wurde der Verein 1980 zurückgesetzt. Dasselbe passierte Juventus im Jahr 2006. Beide Vereine stiegen im folgenden Jahr sofort wieder auf, doch Milan hatte sich noch nicht vollständig von dem Rückschlag erholt. 1982 stieg der Verein erneut ab, diesmal aus sportlichen Gründen. Ein paar Jahre später übernahm Silvio Berlusconi den Verein und Milan florierte mehr denn je.

Entscheidender Vorstoß eines Mitbürgers

Manchester United belegte 1974 den 21. Platz in der First Division, dem Vorgänger der Premier League. Besonders schmerzhaft an diesem Abstieg war, dass der entscheidende Rückschlag vom Stadtrivalen Manchester City ausging. Und auch von United-Ikone Denis Law, der in dieser Saison gewechselt war. Er war so verärgert, dass er sich nach seinem Tor auswechseln ließ.

United, das nach einem Jahr wieder in die höchste Spielklasse zurückkehrte, hatte 1968 den Europapokal 1 gewonnen, landete in den Folgejahren jedoch nur im Mittelfeld der Tabelle und konnte sich 1973 knapp retten. Auch Atlético Madrid stieg im Jahr 2000 mit jahrelanger Vorankündigung ab: 1996 wurde der Verein Meister, in den folgenden Jahren belegte man die Plätze fünf, sieben, dreizehn und schließlich neunzehn. Nach den „zwei Jahren in der Hölle“ kehrte der Verein zurück.

Ajax wurde letztes Jahr Dritter, von einem langsamen Abrutschen wie United und Atlético kann also (noch) nicht die Rede sein. Aber die Geschichte bietet dafür keine Garantien: Ein Abstieg kann auch wie ein Raubüberfall sein. 1968 wurde der FC Nürnberg zum neunten Mal Deutscher Meister Rekordmeister ein Jahr später abgestiegen. Seitdem pendelt der Verein zwischen der ersten und zweiten Bundesliga hin und her.

„Das war wirklich schockierend“, erinnert sich der 1960 geborene Van Wessem. Nürnberg spielte in diesem Jahr im Europapokal 1, in dem es gegen Ajax ausschied. „Deshalb kannten wir diesen Verein, wir wussten, dass er Meister geworden war.“ „Es war sehr bizarr, dass es innerhalb eines Jahres abstieg.“

Überraschender Abstieg

Der ehemalige französische Nationalspieler Didier Six erzählte ihm einmal, wie so etwas passieren konnte. 1977 belegte er mit Lens überraschend den zweiten Platz, normalerweise ein Zweitbester. Nur um ein Jahr später überraschend abzusteigen.

„Die Saison hat schlecht begonnen“, sagt Van Wessem. „Alle diese Spiele gingen einfach mit 0:1 oder 1:2 verloren.“ „Ab einem gewissen Punkt ist das Vertrauen völlig verschwunden und dann beginnt das gegenseitige Beschimpfen.“

Da half auch nicht, dass man damals auch noch mit Nachtzügen von Auswärtsspielen zurückfahren musste. „Dann standen sie müde am Bahnhof: Na Jungs, morgen haben wir wieder ein gutes Training.“

Negativspirale

Den Ajax-Spielern bleibt dieses Schicksal erspart, doch es ist genau die Negativspirale, die Van der Vaart befürchtet. Und wenn man erst einmal drin ist, weiß niemand, wo es endet. Viele Vereine kehren auf höchstem Niveau zurück (Nottingham Forest, Aston Villa, AZ, Twente, Schalke), Manchester, Atlético und Milan wurden erneut Meister. Aber Deportivo la Coruña (Meister 2000) spielt mittlerweile auf der dritten spanischen Ebene.

„Sie sind mit einer Rekordpunktzahl abgestiegen“, sagt Van Wessem. „Sie brauchten nur noch einen Punkt, aber an diesem letzten dramatischen Abend ging alles schief.“

Irgendwann wird Panik ausbrechen, das weiß er. Bei Ajax scheint es noch nicht so weit zu sein, aber es könnte passieren, wenn sie gegen Volendam verlieren. „Das sind diese Momente, in denen man später zurückblickt und denkt: Ja, da ist wirklich alles schiefgelaufen, und dann war es nicht mehr aufzuhalten.“



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