Russland habe letzte Woche zum ersten Mal in Nordkorea hergestellte ballistische Raketen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine stationiert, teilten die USA auf Grundlage von Geheimdienstinformationen mit. Welche Konsequenzen hat das und wie kann es den Russen helfen?
Was sind das für Raketen?
Das einzige Detail, das die USA über die nordkoreanischen ballistischen Raketen veröffentlicht haben, ist ihre Reichweite: etwa 900 Kilometer. Basierend auf Bildern in ukrainischen sozialen Medien kommen Waffenexperten zu dem Schluss, dass es sich wahrscheinlich um Kurzstreckenraketen der sogenannten Hwasong-11-Familie handelt.
Es wäre das erste Mal, dass dieser nordkoreanische Waffentyp in einem Krieg eingesetzt würde. Die Außenwelt sah die Raketen vor etwa fünf Jahren, als das Regime in Pjöngjang die Waffe testete. Wie viele dieser Raketen Russland mittlerweile besitzt, konnte der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, am Donnerstag nicht sagen.
Dabei handelt es sich um ein relativ altes Modell innerhalb des umfangreichen nordkoreanischen Waffenarsenals. Mittlerweile ist die Familie Hwasong in der achtzehnten Generation gewachsen. Im vergangenen Jahr testete Nordkorea erstmals diese Interkontinentalrakete mit einer Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern. Mit dieser Rakete, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden kann, könnte das Land das gesamte US-Territorium erreichen.
Was haben die nordkoreanischen Raketen mit der Ukraine gemacht?
Die USA sagen, sie hätten Beweise dafür, dass Russland bei den massiven Luftangriffen auf die Ukraine letzte Woche nordkoreanische Raketen eingesetzt habe. Am Samstag soll eine von Nordkorea gelieferte Rakete auf einem Feld in der ukrainischen Provinz Saporischschja gelandet sein. Russland soll die Raketen am Dienstag erneut eingesetzt haben.
Die Amerikaner gehen davon aus, dass die nordkoreanischen Raketen die Pattsituation auf dem Schlachtfeld nicht durchbrechen werden. Sprecher Kirby betonte am Donnerstag, dass Russland bereits über ein fortschrittliches Raketenarsenal verfüge. Aber angesichts der Engpässe beim russischen Militär seien die nordkoreanischen Raketen eine willkommene Ergänzung der Versorgung, sagte Kirby.
Warum schlagen die Amerikaner Alarm?
Der Einsatz nordkoreanischer Raketen durch Russland ist der jüngste Beweis dafür, dass die beiden Länder ihre Kräfte gebündelt haben. Trotz der Versuche der internationalen Gemeinschaft, Russland und Nordkorea zu isolieren, ist es Präsident Wladimir Putin und dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un gelungen, eine militärische Zusammenarbeit aufzubauen. Es wird angenommen, dass die beiden autokratischen Führer ihre Pläne im vergangenen September auf einem Gipfeltreffen in Wladiwostok besprochen haben.
Es sei völlig richtig, dass die Amerikaner dies als „besorgniserregende Eskalation“ empfinden, sagt Remco Breuker, Professor für Koreanistik an der Universität Leiden. „Das zeugt vom enormen Selbstbewusstsein Nordkoreas“, sagt er. Nach einem Atomtest im Jahr 2006 behinderten internationale Sanktionen jahrelang den internationalen Waffenhandel des Landes. „Jetzt ist Nordkorea auf dem Rückweg.“
Die USA und andere westliche Länder vermuten seit Monaten, dass Nordkorea Waffen an Russland liefert, konkrete Konsequenzen sind bislang jedoch nicht erkennbar. „Es muss ein großer Schritt für Nordkorea gewesen sein, Raketen zu exportieren, die dann in Europa eingesetzt wurden“, sagt Breuker.
Wie profitiert Nordkorea?
Nordkorea werde durch das Bündnis mit Russland sicherlich nicht schwächer, sagt Professor Breuker. Fossile Brennstoffe, Nahrung und Geld: Putin hat Nordkorea wohl einiges zu bieten. Russland kann seinen Nachbarn auch mit seiner militärischen Expertise unterstützen. Der südkoreanische Spionagedienst kam zuvor zu dem Schluss, dass es Nordkorea Ende November ohne russische Hilfe gelungen sei, einen Spionagesatelliten in die Umlaufbahn um die Erde zu bringen.
Noch wichtiger als der materielle und militärische Gewinn sind für Nordkorea die Konsequenzen auf der geopolitischen Bühne. Laut Professor Breuker positioniert sich Nordkorea mit den Waffenlieferungen klar im Lager neben Russland auch mit Ländern wie China, Iran, Weißrussland und Syrien. „Nordkorea hat seine alten Freunde gefunden“, sagt Breuker. „Das ist am Ende mehr wert.“