Mit den ersten Beats seit drei Jahren geht Lowlands weit über das Alpha hinaus

Mit den ersten Beats seit drei Jahren geht Lowlands weit


Nach zwei Sommern ohne Lowlands startete das wichtigste niederländische Popfestival am Freitag wieder. Ohne viele Headliner, aber mit altmodischem Enthusiasmus. „Hier gehen wir, hier gehen wir, hier gehen wir.“

Robert van Gijssel und Menno Topf

Endlich ein Lowlands nach drei Jahren? Dann steht der immer so überschwängliche Lowlands-Fanclub natürlich gespannt am Tor. Nach dem langen Festival-Lockdown gab es einige Entzugserscheinungen beim Publikum, das dem Biddinghuizer-Festival gewidmet war. Am Freitagmorgen will es los, und zwar schnell, denn die Indie-Sensation Wet Leg ist früh angesetzt, in einem der größten Festivalzelte.

Glücklicherweise kann auch die Öffentlichkeit eintreten. Es gibt einen vorher angekündigten Bauernprotest, der aber eher spielerischer Art ist: Am Eingang zwischen dem Festivalgelände und den Campingplätzen steht ein Traktor, eine Handvoll Zeewolder Bauern verteilen Karotten und Äpfel. Auf Wunsch können die Farmer mit den Lowlandern ins Gespräch kommen.

„Die Diskussionen sind manchmal hitzig“, sagt Aktivistin Celia Hoekman von der Flevoland Farmers Sense-Gruppe. „Aber es führt auch zu interessanten Gesprächen. Und das ist gut. Wir müssen es sowieso gemeinsam erarbeiten.“

Die Bevölkerung der Lowlands macht das ohnehin gerne. Das Gemeinschaftsgefühl stellt sich wie gewohnt schon beim Betreten ein. Die schwarz-orange geflammten Werkspfeifen sind wieder an Ort und Stelle, auch die grüne Tanzkathedrale Bravo ist noch intakt. Alle glücklich.

Lowlands 2022FreitagnachmittagBild Daniel Cohen

Alle zu Wet Leg

Die Solidarität ist noch größer, als sich herausstellt, dass fast das gesamte Lowlands-Publikum die britische Band Wet Leg auf der Heineken-Bühne sehen möchte. Um halb eins gibt es kein Huhn mehr. Immer noch bemerkenswert für eine Band, die vor drei Monaten in der Pophalle Ekko in Utrecht vor ein paar hundert Leuten gespielt hat.

Wet Leg ist nicht die allererste Band des Festivals, aber es fühlt sich wie eine Initiation an, besonders wenn die Gruppe bald zusammenkommt Gesetz Traum spielt: „Fangen wir an! Hier gehen wir, hier gehen wir, hier gehen wir.‘

„Es ist heiß, nicht wahr?“, sagt Leadsänger Rhian Teasdale. Nun, in der Tat. In der Freitagssonne und im Heineken-Zelt scheint es so heiß wie vor gut einer Woche, obwohl das Thermometer etwas anderes sagt.

Im Laufe des Auftritts zeigen sich Wet Leg als charmante, aber noch junge und schüchterne Band. Nicht so seltsam, denn die wunderbare Debütsingle Chaiselongue erschien zwei Jahre nach der vorherigen Lowlands-Ausgabe. Das Lowlands-Publikum hat nichts dagegen und bietet Wet Leg eine verschwitzte Umarmung.

Es geht weiter. Das Gelände hinauf. Es scheint sich nicht viel geändert zu haben. Nach zwei Corona-Jahren war kein Geld für allzu spektakuläre Neuheiten da: Lowlands sind in den Pandemie-Jahren viele Kosten entstanden, die nicht wieder hereingeholt werden konnten. Das kleine Lima-Zelt ist immer noch dasselbe. Die große offene Alpha-Höhle auch. Das Neue: An der Verbindungsstraße, die die beiden Grundstückshälften verbindet, ist die Current, die neue Bühne für das gesprochene Wort, eine Art Fabrikhalle mit einer Fassade aus Aluminium-Wellblech, die in der Sonne glänzt.

Explosionen bei Frenna

Im größten Alpha-Zelt bricht um 14 Uhr eine der ersten richtigen Partys los mit Frenna aus Den Haag, einem feurig rappenden Protagonisten in seiner eigenen, bemerkenswert spektakulären Show mit schillernden Visuals, Explosionen und Feuersäulen. Wie viel Sinn das Lowlands-Publikum nach drei Jahren des Wartens hat, zeigt sich hier: Beim ersten Frühlingsbeat geht es weit über das Alpha hinaus. Dass die Technik auf halber Strecke zusammenbricht (pat, sound off), ist für Frenna ein unüberwindbares Problem. Der Kopf ist jetzt wirklich ab.

Die Party geht schnell weiter, mit einer Band, die auch für diesen Zweck geschaffen wurde. Im Heineken spielt das bosnische Partyorchester Dubioza Kolektiv einen schmetternden Balkan-Punk und Skaset, der an diesem ersten Lowlands-Tag wie heiliges Feuer vom Festivalhimmel empfangen wird. Das Publikum tanzt die Holzterrasse zu Splittern und taucht eine Weile in den Regen, als plötzlich ein gewaltiger Platzregen auf Biddinghuizen trifft. Auch in dieser Hinsicht ist das Lowlands-Feeling zurück.

Immer noch ein gewaltiger Platzregen.  Bild Daniel Cohen

Immer noch ein gewaltiger Platzregen.Bild Daniel Cohen

Stornierungen

Ob das so bleibt, ist natürlich die Frage. Lowlands (wie fast alle großen Festivals in diesem Jahr) musste sich mit einer schönen Liste von Absagen, hauptsächlich von amerikanischen Acts, auseinandersetzen, die von der Corona-Angst und der Sorge vor den Anschlägen der Reisenden auf europäischen Flughäfen erfasst wurden. Die Leerstellen, die unter anderem für die Absagen von Noah Cyrus und Ela Minus sorgten, wurden clever und blitzschnell gefüllt, aber ein Blick auf das Programm für drei Tage zeigt, dass Lowlands etwas zögerlich aus der Corona-Zeit herauskommt, und das diese Ausgabe wird nicht automatisch legendär. Eigentlich stehen an drei Festivaltagen nur zwei ganz große Headliner auf dem Programm: Arctic Monkeys und Stromae.

Aber wenn Lowlands uns in fast dreißig Jahren eines gelehrt hat, dann, dass der Erfolg nicht nur von großen Namen abhängt. Kleinere Acts können im Lowlands über sich hinauswachsen oder vom Publikum hochgehoben werden. Wenn die hungrigen Lowlander es wollen, wird Lowlands 2022 unvergesslich.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar