Man muss sehr betrunken sein, um am helllichten Tag neben einem Müllcontainer zu liegen

Olga kann meine Handtucher haben ja jeder
Sylvia Wittemann

Die Straßen der Stadtreinigung sind trüb und selten angenehm. Beispielsweise wird der sogenannte Sperrmüll in meiner Straße nicht immer nach Fahrplan abgeholt. In diesem Fall war es ein Stapel Bretter und eine große Matratze. Außerdem stand ein vielgeplagter Bürostuhl unpassend unter der Frühlingssonne. Für Tage.

Gestern um die Mittagszeit kamen ein Mann und eine Frau aus Richtung Park die Straße herunter, steifarmig, verliebt und für die damalige Zeit bemerkenswert betrunken. Hatten sie schon beim Frühstück in der Sonne angefangen? Oder, und das schien angesichts ihres Prolapszustands plausibler, hatten sie die ganze Nacht durchgehalten?

Der Mann war um die fünfundvierzig, ein hübscher, etwas verblichener Tiger, dunkler Kamm, die blutunterlaufenen verführerischen Augen halb gegen die Sonne geschlossen, das mediterrane Räubergrinsen etwas schief über dem Kragen eines feinen Hemdes. Die Frau wirkte etwas berauschter als er, außerdem viel jünger: 25 vielleicht, üppig bis zur Fülle, blond, stolpernd in schwierigen Schuhen.

Sie blieb stehen und lehnte sich an ihn. „Ich bin so müde…“, sagte sie in einem kindisch jammernden Ton. „Mein Liebling, mein Engel…“, antwortete der Mann. Er warf seinen trüben Herrscherblick in die Runde, sah die Matratze und machte eine einladende Geste. »Schauen Sie, Liebes, es ist an alles gedacht«, sagte er spöttisch theatralisch. „Leg dich einfach hin.“

Die Frau zögerte. Man muss sehr betrunken sein, um sich am helllichten Tag neben einen Müllcontainer zu legen. „Das ist ein bisschen seltsam, nicht wahr …“, schmollte sie. Aber er packte sie am fleischigen Oberarm und schob sie sanft auf die Matratze zu. „Ich kümmere mich um dich, mein Schatz“, sagte er. „Schau mal, ich werde hier sitzen. Er ließ sich auf den Bürostuhl fallen. „Ruh dich einfach aus.“

Tatsächlich taumelte die Frau nun durch die Planken zur Matratze und ließ sich darauf fallen, ihre Handtasche schützend in den Armen. Ich fühlte mich an Oscar Wilde erinnert, der schrieb: „Wir sind alle in der Gosse, aber einige von uns schauen in die Sterne.“ Die Sonne ist auch ein Stern, oder?

Sie schloss die Augen und rollte sich zusammen, als läge sie zu Hause im Bett. Der Mann sah sie von seinem Platz aus schläfrig an. „Komm, leg dich zu mir, Schatz“, murmelte sie. ‚Löffel Löffel…‘

„Natürlich, Liebes“, antwortete der Mann. Auch er taumelte nun zur Matratze und legte sich hin. Er hockte sich gegen ihren Rücken und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. „Hier bin ich, mein Engel, meine Prinzessin…“ Sie verstummten. Vögel pfiffen.

Ich sah entzückt zu. Eine große Liebe. Oder das war natürlich auch möglich: Sie kannten sich erst seit einer Nacht und hatten den Namen des anderen vergessen.



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