Lässt Tennisstar Zheng das Menstruationstabu im Spitzensport verschwinden?

Laesst Tennisstar Zheng das Menstruationstabu im Spitzensport verschwinden


Qinwen Zheng wird bei Roland Garros behandelt, um die Beschwerden im Unterleib zu lindern.Bild REUTERS

Qinwen Zheng wünschte sich diese Woche, sie wäre ein Mann. Der chinesische Tennisstar war auf dem Weg zu einem Stunt gegen die Titelfavoritin Iga Swiatek in Roland Garros, als sie plötzlich von Magenkrämpfen übermannt wurde. Ihre Periode hatte begonnen. „Der erste Tag ist immer so hart, ich habe große Schmerzen. Ich konnte mein Tennis nicht mehr spielen, ich konnte vor Schmerzen nicht gut laufen. In diesen Momenten wünschte ich wirklich, ich wäre ein Mann, damit es mich nicht stört.‘

Zhengs Offenheit gegenüber dem Vorfall ist etwas Besonderes. Für viele Sportlerinnen ist es tabu, eine schlechtere Leistung offen mit dem Monatszyklus in Verbindung zu bringen. Die britische Weitspringerin Jazmin Sawyers hat vor fünf Jahren trotz ihrer Angst vor negativen Reaktionen die Spitzensportler zu mehr Offenheit aufgerufen. Werde ich dadurch zum Menstruationsmädchen? Vielleicht.‘

Es besteht kein Zweifel, dass Zheng und Sawyers keine Ausnahme sind. Jüngste Untersuchungen unter niederländischen Spitzensportlern durch die Sportärztin in Ausbildung Merel Wielink zeigen, dass 28,6 Prozent angeben, dass sie während der Menstruation weniger Leistung erbringen. Die Frauen litten unter Bauchschmerzen, Brustspannen, Stimmungsschwankungen, Müdigkeit oder Rückenproblemen. 11,5 Prozent gaben an, wegen Menstruationsbeschwerden schon mal ein Training oder einen Wettkampf verpasst zu haben. Eine britische Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass 41,7 Prozent unterdurchschnittlich abgeschnitten hatten.

Feuchtigkeit behalten

Das überrascht die frühere Leichtathletik-Bundestrainerin Grete Koens nicht. „Ich sehe häufiger negative als positive Auswirkungen der Menstruation auf die Leistung meiner Sportler“, sagt Koens. „Sie haben oft Bauchschmerzen, Rückenschmerzen oder schwere Beine. Sie sehen, dass Mädchen am Tag vor der Menstruation auch etwas schwerer sind, weil sie dann mehr Flüssigkeit speichern. Das hat einen großen Einfluss auf das Laufen, wo das Gewicht eine große Rolle spielt.“

Koens selbst erinnert sich noch gut daran, wie sie bei der Europameisterschaft 1994, einen Tag bevor sie laufen musste, von extremen Bauchschmerzen übermannt wurde. „Ich habe damals den Bundesarzt aus dem Bett geholt, weil ich nicht wusste, was ich machen soll. Mir wurde ein Paracetamol gegeben. Das hat überhaupt nicht geholfen. Ich ging wie ein Elefant. Damals war wenig darüber bekannt, wie man damit umgehen sollte.‘

Koens findet, dass dieses Thema im Spitzensport noch zu wenig Beachtung findet. Sie glaubt, das liegt daran, dass fast alle Trainer Männer sind, obwohl niederländische Frauen im olympischen Sport erfolgreicher sind. „Als Frau ist es einfacher, das mit einer Frau zu besprechen. Männer verstehen nicht gut. Sie denken: Da hast du schon wieder so einen Nörgler.‘

Die Lösung ist für jeden anders. Auf jeden Fall sorgt Koens dafür, dass die Trainingseinheiten weniger anstrengend sind, wenn ihre Athleten stark leiden. Sie berät nicht zur Verhütung, sie überlässt diese Gespräche dem Sportarzt. „Manche Mädchen stört das wirklich. Manchmal sind Hormone eine Lösung, um den Zyklus zu regulieren, aber da mische ich mich nicht ein.“

Sattelschmerzen

Emma Paternotte, Gynäkologin in Ausbildung am Krankenhaus Elisabeth-TweeSteden, hört über ihr Netzwerk von Spitzensportlern mit gynäkologischen Beschwerden. „Das sind die Beschwerden, die auch andere Frauen haben. Manchmal haben sie große Probleme mit ihrer Menstruation. Oder sie wollen wissen, wie man einen gesunden Zyklus aufrechterhält, um nach der Karriere schwanger zu werden. Es kann aber auch um Sattelschmerzen bei Radfahrern gehen.“

Paternotte und zwei Kollegen bauen ein Wissenszentrum mit den Schwerpunkten Spitzensport und Gynäkologie auf. „Wenn ein Sportler ein Herzproblem hat, weiß er oder sie sofort, zu welchem ​​Kardiologen er gehen muss. Aber in diesem Bereich gibt es noch keine zentrale Stelle, an die man sich mit Fragen wenden kann. Das finden wir schade. So viel ist über dieses Thema noch nicht bekannt.‘

Kürzlich hat ein Fußballverein in Brügge einen Menstruationstrainer eingestellt, um Fußballspielerinnen in ihrem Training zu begleiten. Der Trainer schaut sich den Zyklus der Spieler an, um zu beraten, wann es am besten ist, hart zu trainieren, und wann Ruhe besser ist. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Frauen zu bestimmten Zeiten im Monat ein erhöhtes Verletzungsrisiko wie einen Kreuzbandriss haben.

Es sei gut, dass man sich das anschaue, sagt Paternotte. „Dann kann man das Training noch besser anpassen.“

Es gibt auch Sportlerinnen, die es während ihrer Menstruation mögen, wenn sie eine große Leistung erbringen müssen. Die ehemalige Radsportlerin Leontien van Moorsel stellte 2003 in Mexiko-Stadt den Stundenweltrekord auf, während sie ihre Periode hatte. Ihre Beine fühlten sich in der Woche vor ihrer Periode schwerer an. Als das vorbei war, konnte sie mit mehr umgehen.

Ist sie eine Ausnahme? Ob sich die Menstruation auch positiv auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken kann, sei noch zu wenig erforscht, sagt Paternotte. „Wenn du Schmerzen hast, setzt du Endorphine frei. Möglicherweise können Sie dadurch andere Schmerzen noch besser ertragen. Aber darüber wissen wir leider noch zu wenig.“



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