Kritische Gerichtsentscheidung im Fall Butink ist „reine Anerkennung“ für Adoptierte

Kritische Gerichtsentscheidung im Fall Butink ist „reine Anerkennung fuer Adoptierte


Dilani Butink (Mitte) mit den Anwälten Elles ten Vergert (links) und Lisa-Marie Komp am Dienstag vor der Entscheidung des Berufungsgerichts in Den Haag.Bild ANP

Die adoptierte Dilani Butink konnte es diese Woche kaum glauben. Nach jahrelangem juristischen Ringen bestätigte das Berufungsgericht in Den Haag, was es schon länger vermutet hatte: dass der niederländische Staat und die Child and Future Foundation rechtswidrig gehandelt haben, als Dilani als Baby aus Sri Lanka zur Adoption in die Niederlande überstellt wurde 1992.

Butink ist einer von vielen ausländischen Adoptierten, die mit gefälschten oder fehlenden Informationen in ihrer Adoptionsakte zu kämpfen haben. Ohne die richtigen Abstammungsdaten ist die Suche nach der biologischen Familie oft ein unmögliches Unterfangen. Erstmals äußert sich ein Richter so kritisch zur staatlichen Verantwortung bei Auslandsadoptionen. Mit dem vorliegenden Gerichtsurteil kann Butink vom Staat und der Stiftung, die ihre damalige Adoption vermittelt hat, Schadensersatz verlangen – zum Beispiel für alle Kosten ihrer Bemühungen, ihre Familie zu finden.

Babybanden

Können auch andere Adoptierte aus dieser Aussage Hoffnung schöpfen? Es sieht so aus. Anwalt Dewi Deijle, selbst aus Indonesien adoptiert, vertritt mehr als hundert Adoptierte und hat bereits zweimal versucht, den Staat für erlittene Schäden haftbar zu machen. Die Regierung hat diese Anträge konsequent abgelehnt. Deijle hat einen Schritt vor Gericht bis jetzt verschoben. Denn es ist alles so schwer zu beweisen. In der Zeit, als ich adoptiert wurde, gab es bereits Geschichten über Babybanden, die Kinder raubten und verkauften. Ich mag einer von ihnen gewesen sein, aber wie kann ich das beweisen?‘

Aber Deijle sieht das Urteil des Gerichts als Grundlage für eine Sammelklage. So stellt der Richter jetzt ganz klar, dass die niederländische Regierung nicht einfach davon ausgehen könne, dass die Adoptionsdaten gültig seien, wenn die Behörden im Herkunftsland sagten, dass alles richtig sei. Eine solche „formalistische und distanzierte Haltung“ reiche, so der Richter, nicht aus. Mit anderen Worten: Die Regierung muss nicht nur feststellen, dass es Papiere gibt, sie hat auch die Pflicht zu prüfen, ob diese Papiere zuverlässig sind.

„Großer Klaps auf die Finger“

„Der Staat sagt oft: Wir haften nicht, wir sind nur Aufseher“, sagt Rechtsanwalt Mark de Hek, der 21 Adoptierte aus Sri Lanka vertritt. „Aber das ist wirklich ein dicker Schlag aufs Handgelenk vom Gericht.“ Obwohl jeder Adoptionsfall anders ist, sieht De Hek in dem Urteil auch genügend Munition, die er nutzen kann, um den Fall seiner eigenen Mandanten fortzusetzen. Einer von ihnen, Sam van den Haak, der aus Sri Lanka adoptiert wurde, sagt, er sehe die Aussage als „reine Anerkennung“. „Weißt du, wie wichtig mir das ist?“

Für kritische Adoptierte bietet dieses Urteil somit einen neuen Lichtblick in einem laut Anwalt Deijle manchmal scheinbar „endlosen Ringen“ um Gerechtigkeit. Für eine Weile schien dieser Kampf vorbei zu sein, als die Joustra-Kommission der Regierung Anfang 2021 über ihre Untersuchung der Adoptionskette berichtete. In einem felsenfesten Bericht machte Joustra glasklar, wie das niederländische Adoptionssystem allen Arten von Missbrauch Raum gab, einschließlich des organisierten Kinderhandels. Der damalige Rechtsschutzminister Sander Dekker entschuldigte sich im Namen der Regierung bei den Adoptierten und setzte sofort alle laufenden Adoptionsverfahren aus.

„Seitdem wird den Adoptierten viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt“, sagt Anwalt De Hek. „Die Dinge sind grundlegend schief gelaufen. Mit diesem Bericht wurden ihre Interessen anerkannt.“

Noch kälterer Brief

Trotzdem folgten Enttäuschungen. Dewi Deijle: „Wir haben unsere zweite Haftungserklärung der Regierung bewusst erst nach der Veröffentlichung des Joustra-Berichts abgegeben. Dann denken Sie: Jetzt können sie ihre Verantwortung nicht mehr ignorieren? Aber auch diese Haftung wurde abgelehnt, wenn möglich mit einem noch kälteren Brief als dem ersten.‘

Und trotz aller aufgedeckten Skandale scheint es immer noch eine politische Mehrheit zu geben, die sich die Option einer Auslandsadoption offenhalten will. Im April dieses Jahres gab Minister Franc Weerwind (Rechtsschutz) bekannt, dass er bereits an einem neuen Adoptionsprogramm arbeite. Eines, das Missbräuche unter anderem durch eine strengere Auswahl der Herkunftsländer und eine bessere Zusammenarbeit mit diesen Ländern ausschließen soll.

Schlichter Rahmen

Bei einer Sendung von mediale Logik Professor Marlou Schrover erklärte kürzlich, wie stark das Nachdenken über Adoption durch Bildgebung beeinflusst wird. „Es ist entweder bei uns oder es ist tot“, so Schrover, ist der einfache, aber solide Rahmen, durch den Adoption oft betrachtet wird. Wo in jedem anderen Dossier so viel Kritik schon längst zu einer Abbruchentscheidung geführt hätte, bleibe es bei der Adoption, so der Professor, eine „schwierige Verkaufsentscheidung“.

Dass sich das Berufungsgericht nun so kritisch zu der großen Verantwortung des Staates geäußert hat, ändert daran wohl nicht unmittelbar etwas. Allerdings werden einige der Adoptierten nach dieser Woche etwas leichter durchs Leben gehen. Anwalt De Hek: „Die Tatsache, dass der Richter, und nicht irgendein Richter, jetzt auch entscheidet, dass die Regierung unverantwortlich mit den Interessen sehr gefährdeter Menschen umgegangen ist, gibt Hoffnung und Perspektive.“



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