Können Einkünfte über 80.000 Euro schmerzlos versteuert werden?

Schaemen sich die Niederlande jetzt fuer
Peter Wert

„Geld macht nicht glücklich, aber Leid erträglicher“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Seit Jahrhunderten beschäftigen sich Ökonomen, Philosophen und Psychologen mit der Frage, ob Glück käuflich ist. Es gibt keine eindeutige Antwort. Reichtum macht nicht unbedingt glücklicher als Armut. Studien zeigen aber, dass zusätzliches Geld bis zu einem gewissen Betrag zu mehr Wohlbefinden beiträgt. Es ist kein Zufall, dass reiche Länder – die Niederlande liegen an fünfter Stelle – ganz oben auf der Liste der glücklichsten Länder stehen.

Bleibt nur noch die Frage, wo genau die Höchstwohlfahrtsgrenze liegt. Eine Studie der Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton aus dem Jahr 2010 unter 450.000 Bürgern weltweit zeigte, dass die Steigerung des Glücks bzw. Wohlbefindens bei einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar (70.000 Euro) aufhörte. Das könnten zehn Jahre später 80.000 Euro sein, sagen wir doppelt so viel wie der Durchschnitt. Jeder Euro darüber ist nur für nutzlose Ausgaben wie Sammler, überdimensionale Autos und Häuser bestimmt, die kein zusätzliches Glück bereiten.

Zum Glück macht es keinen Sinn, Banker um Prämien, Top-Fußballer mit Mega-Gehältern, Gewinner des Postleitzahl-Whoppers, Filmstars in Blockbustern oder Eva Jinek zu beneiden. Sie sollten eigentlich von der Regierung vor sich selbst geschützt werden. Dies kann dadurch erfolgen, dass alle Einkünfte über 80.000 Euro mit einer Superstufe von 100 Prozent besteuert werden.

Basierend auf den Recherchen von Kahneman und Deaton beschloss der CEO des amerikanischen Kreditkartenunternehmens Gravity Payments, alle Gehälter seiner Mitarbeiter auf 70.000 zu erhöhen und sein eigenes Gehalt auf diesen Betrag zu reduzieren. Leider folgten nur wenige seinem Beispiel, nicht einmal die CEOs niederländischer Unternehmen. Shell-CEO Ben van Beurden sammelte in seinem letzten Jahr als CEO weitere 11,4 Millionen. Jemand, der 80.000 verdient, muss 142,5 Jahre arbeiten. Insgesamt hätte Van Beurden 100 Millionen verdient, seit er 2014 Top-Mann wurde. Ex-Präsident Frans van Houten von der defizitären Philips weigerte sich trotz Druck der Aktionäre sogar, auf eine Abfindung von 1,3 Millionen Euro plus Boni zu verzichten.

Es ist unwahrscheinlich, dass Van Beurden und Van Houten ihr Glück messen lassen. Jetzt könnten sie hinter den Geranien stecken, die jeden Tag ihre Bankkonten durchgehen. Letzten Monat veröffentlichte Kahneman zusammen mit Matthew Killingsworth und Barbara Mellers von der University of Pennsylvania eine neue Studie in der Proceedings of National Academy of Science Journal (PNAS). Neue Untersuchungen unter 33.000 Amerikanern mit einem Durchschnittseinkommen von 85.000 Dollar zeigen, dass mehr Geld depressiven Menschen nicht hilft. Gemeinschaftssinn und Hobbys schon. Wenn die Einkommen über 1 Million steigen, fühlen sich die Menschen sozial isolierter oder sogar aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Kahneman hat sich jedoch auf einen Standpunkt zurückgezogen. Bis zu einem Einkommen von einer halben Million seien Sozialaspekte noch verbesserungswürdig, meint er heute. Aber vielleicht liegt das daran, dass er selbst jetzt auf dieses Einkommen angewiesen ist und etwas erträglicher leiden möchte.



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