Können die überschüssigen Profite des Golfs nicht abgeschöpft werden?

Rentner koennten sich in diesem ueberhitzten Arbeitsmarkt als nuetzlich erweisen
Peter de Ward

Muslime in den sogenannten Golfstaaten müssen fünfmal am Tag in Richtung Mekka beten. Vielleicht sollten sie Moskau mit einem Seitenblick betrachten, um Wladimir Putin für den Einmarsch in die Ukraine zu danken.

Dank der Handelsembargos, die westliche Energiefresser gegen Russland verhängt haben, verdienen sie unerwartet Billionen mit ihrem Öl und Gas. Auf dem Cover von Der Ökonom die arabische Wüste hatte sich kürzlich in dieselbe goldgelbe Münzebene verwandelt wie die von Dagobert Ducks Geldspeicher, mit Kamelen und Wolkenkratzern am Horizont.

Der IWF schätzt, dass die sechs Golfstaaten (Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate) rund 1.300 Milliarden Dollar mehr mit Öl und Gas verdienen als vor der russischen Invasion prognostiziert. Sie sind das lächelnde Drittel dieses Krieges. Die Volkswirtschaften der sechs Golfstaaten werden 2022 um 6,3 Prozent wachsen, verglichen mit 2,3 Prozent im Vorjahr. Allein der staatliche saudische Ölkonzern Aramco verdiente im ersten Halbjahr 2022 88 Milliarden – mehr als die anderen Ölgiganten zusammen. Leider kann die EU diesen Supergewinn nicht abschöpfen.

Aber das hat die europäischen Führer nicht davon abgehalten, die besten Freunde der Autokraten am Golf zu werden, deren Menschenrechtspolitik noch fragwürdiger ist als die der Russen. Am vergangenen Wochenende zog Bundeskanzler Scholz in den Emiraten sein süßestes Gesicht und plädierte für Gas. Fragen zu überschüssigen Gewinnen und Menschenrechten wurden nicht gestellt.

Es ist ein unerwarteter Geldsegen für die Golfstaaten, die in den letzten Jahren immer zimperlicher mit Öl- und Gasreserven umgegangen sind. Denn das Märchen von 1001 Nacht, in dem sich diese Länder seit fünfzig Jahren sonnen, schien nun zu Ende zu gehen. Dabei spielte die Erschließung neu entdeckter Öl- und Gasvorkommen in der Welt eine Rolle, wie beispielsweise die Schieferfelder in den Vereinigten Staaten. Aber noch wichtiger ist die Nachhaltigkeit, die westliche Länder durch das Pariser Klimaabkommen initiiert haben. Fossile Brennstoffe würden bis 2050 nicht mehr in Frage kommen.

Saudi-Arabien hat bereits 2016 seine Vision 2030 mit größenwahnsinnigen Plänen für einen vollständigen Übergang zu anderen Einkommensquellen gestartet. Beispielsweise würde unter dem Namen Neom eine riesige Öko-Metropole, 33 mal New York, entstehen, in der sich die globale ICT-Industrie konzentrieren würde. Zudem würde eine Skihalle entstehen, die mit den Schweizer Pisten konkurrieren könnte.

Die Saudis haben bereits 2018 einen kleinen Anteil an ihrem staatlichen Ölkonzern Aramco über die Börse verkauft, um an zusätzliches Geld zu kommen. Auch die Scheichs von Kuwait, Katar, Bahrain und den Emiraten kratzten sich am Kopf. Um zu verhindern, dass die Menschen schimpfen, weil sie Ölgeld nicht mehr im Sessel zählen könnten, braucht es künftig ein anderes Erlösmodell.

Es wurde geplant, das Öl und Gas zu verkaufen, bevor es nichts mehr wert war. Jetzt hat dieser Verkauf begonnen. Nur nicht mit einem Rabatt, sondern mit einem riesigen Bonus. Die Gebete in diesen Ländern wurden erhört.



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