Koalitionsparteien interpretieren Asylabkommen unterschiedlich, auch Zweifel an Machbarkeit

Koalitionsparteien interpretieren Asylabkommen unterschiedlich auch Zweifel an Machbarkeit


Freiwillige der muslimischen Gemeinde Milli Görüs aus Rotterdam verteilen im Antragszentrum in Ter Apel gesammelte Hilfsgüter an Asylbewerber.Bild ANP

Es scheint wie ein kleiner Durchbruch für die kriselnde Koalition von Rutte IV: Von den drei großen Kopfschmerz-Akten, die seit Ewigkeiten auf eine Lösung warten, hat nun zumindest einer einen Aktionsplan vorgelegt. Nach langen Beratungen hat das Kabinett am Freitag ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Probleme bei der Asylaufnahme angekündigt. Dies sollte den Weg ebnen, auch bei einem großen Kaufkraftpaket (nächste Woche) und dem Stickstoffansatz (im September) Kompromisse einzugehen.

Dennoch ist vorerst kaum eine Entspannung in Sicht. Kaum waren die Maßnahmen am Freitag vorgestellt, kamen die Regierungsparteien bereits mit unterschiedlichen Auslegungen der Vereinbarungen. Zum Beispiel sieht die VVD in den Kabinettsplänen einen „großen Schritt in Richtung eines Asylstopps“, mit zusätzlichen Grenzschutzmaßnahmen, die die Tausend Flüchtlinge, die gemäß dem Türkei-Deal in die Niederlande kommen dürfen, nicht mehr aufnehmen und die Familienzusammenführung für den Status verschieben Halter.

Koalitionspartner ChristenUnie sieht das anders. In einem Brief an die Mitglieder schrieb Parlamentsabgeordneter Don Ceder, dass im nächsten Jahr statt tausend fünfhundert Flüchtlinge im Rahmen des Türkei-Deals aufgenommen würden. Er berichtete auch, dass Visa für sogenannte „Follower“ – die Familienangehörigen von Statusinhabern – nach „höchstens sechs Monaten“ ausgestellt werden. „Dies ist im Rahmen, den das Gesetz bereits bietet, und daher keine Erweiterung und sollte es auch nicht sein.“

Weitreichende Folgen für Familien

Die beiden Gegensätze innerhalb der Koalition scheinen die Äußerungen von Staatssekretär Erik van der Burg (Asyl) auf ihre Weise zu verstehen. Van der Burg erklärte am Freitag, dass Statusinhaber ihre Familien erst nachholen dürfen, wenn sie ein Zuhause gefunden haben. Es ist nicht klar, wie viele Monate davor, aber das hat die Kritik an Organisationen wie Amnesty International und Defense for Children nicht geschmälert. Sie weisen auf die weitreichenden Folgen für Familien hin, die so lange getrennt bleiben müssen.

Asylexperten sind zudem davon überzeugt, dass die Regierung gegen europäische Richtlinien verstößt, die vorschreiben, dass für den Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen keine Auflagen gemacht werden dürfen. Die Regierung kann sich auf ein Gerichtsverfahren freuen, aber das wird wohl kurzfristig keinen Einfluss auf die Politik haben. Dafür dauern die Verfahren zu lange.

Ob der „Asyl-Deal“ innerhalb der Koalition Bestand hat, wird von den konkreten Ergebnissen abhängen. In Ter Apel schlafen Asylbewerber vorerst noch unter freiem Himmel. Um dieses Problem zu lösen, müssen in den kommenden Tagen weitere Notunterkünfte gefunden werden. Gemeinden wie Delft, Arnheim und Emmen werden genannt, aber ein Sprecher des Justiz- und Sicherheitsministeriums wollte diese Orte an diesem Wochenende nicht bestätigen. Doetinchem eröffnete am Sonntag eine Krisennotunterkunft für etwa 225 Flüchtlinge.

Staatssekretär Van der Burg arbeitet nun an einem Gesetz, das zu einer ausgewogenen Verteilung der Asylsuchenden auf die Kommunen führen soll. Auch innerhalb der Koalition gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. Laut VVD-Abgeordnetem Brekelmans ist der Zwang jetzt „aus der Bahn“, wie es in Tubbergen der Fall war. „Soweit es mich betrifft, steht das nicht im Gesetz.“ Der Kern des neuen Gesetzes besteht laut ChristenUnie gerade darin, dass Kommunen zur Mitwirkung bei der Aufnahme verpflichtet und gegebenenfalls auch gezwungen werden können.

Starker Druck von rechten Konkurrenten

Das Kabinett muss vor allem dafür sorgen, dass die fast sechzehntausend Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel, die noch immer im Asylbewerberheim festgehalten werden, schneller in ein Heim übersiedeln. Erst wenn diese „Lücke“ geschlossen ist, wird es in den Asylbewerberzentren Platz für die neuen Asylbewerber geben, die sich bei Ter Apel melden. Allein in den nächsten vier Monaten sollen rund 7.500 Flex- und Fertighäuser hinzukommen. Weitere 30.000 in den nächsten zwei Jahren. Ob dies angesichts der Genehmigungsverfahren und des angespannten Arbeitsmarktes machbar ist, ist laut Wohnungsmarktexperten fraglich. In den letzten Jahren wurden die Ziele für die Anzahl der zu bauenden flexiblen und vorgefertigten Häuser nie erreicht.

Sollten die Prognosen zu rosig ausfallen und die Aufnahmekrise anhalten, könnte es schnell wieder zu Spannungen in der Koalition kommen. Sicherlich steht die VVD unter starkem Druck von rechten Konkurrenten wie PVV und JA21, den Zustrom neuer Asylbewerber weiter zu begrenzen. Ob noch mehr getan werden soll, will der VVD-Abgeordnete Brekelmans in den kommenden Monaten sehen. Demgegenüber sagte der ChristenUnie-Abgeordnete Ceder, er finde einige Vorschläge „einfach schmerzhaft“ und er kämpfe offenbar für einen „humaneren Empfang“.

Der Kompromiss zur Asylaufnahme hat noch nicht alle Spannungen beseitigt, aber die brüchig wirkende Koalition kann Fortschritte machen. Die kommenden Tage stehen ganz im Zeichen des Kaufkraftpakets.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar