Klagen der Wirtschaft über das Geschäftsklima scheinen vorerst auf Treibsand zu beruhen

Klagen der Wirtschaft ueber das Geschaeftsklima scheinen vorerst auf Treibsand


Ingrid Thijssen, Vorsitzende von VNO-NCW, wird das Catshuis nach der Konsultation verlassen.Bild Freek van den Bergh / de Volkskrant

In letzter Zeit hat der Binnenhof viel über das „Geschäftsklima“ gesprochen, das ziemlich abstrakte Konzept, das angibt, ob es Unternehmern in den Niederlanden gefällt. Tatsächlich steht das Thema permanent auf der politischen Agenda. Rechte Parlamentarier feuern linke Vorschläge für Steuererhöhungen und Sonderregelungen für Unternehmen immer wieder mit dem Argument ab, solche Pläne seien schlecht für das Geschäftsklima.

Aber die Regierung ist jetzt wirklich besorgt. Der unmittelbare Anlass für die Casthuis-Sitzung mit Vorstandsvorsitzenden ist die Diskussion des Responsible and Sustainable International Business Act. Boskalis-Chef Peter Berdowski drohte vor einem Monat damit, den Hauptsitz des Baggermultis ins Ausland zu verlegen, wenn das Repräsentantenhaus das Initiativgesetz von D66, ChristenUnie, PvdA, GroenLinks, SP und Volt annimmt.

Das Gesetz verpflichtet niederländische Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, sicherzustellen, dass ihre Produktionskette keine nachteiligen Folgen für die Umwelt hat und nicht gegen Menschen- und Arbeitsrechte verstößt. Niederländische Unternehmen müssen in ihren Jahresberichten Rechenschaft über die Arbeitsweise ihrer ausländischen Lieferanten ablegen.

Verwaltungsbürokratie

VNO-NCW-Vorsitzende Ingrid Thijssen ist wie Boskalis gegen dieses Gesetz, weil es Unternehmer mit zu viel Bürokratie belasten würde. Berdowski und Thijssen ignorieren, dass die Europäische Union derzeit eine ähnliche Gesetzgebung vorbereitet. Die Sorgfaltspflicht für eine ordentliche Produktionskette wird sich daher wohl ohnehin ergeben.

Doch die Sorgen um das niederländische Geschäftsklima betreffen nicht nur das Initiativgesetz. Ein großer Teil der Politiker ist sehr schockiert über den jüngsten Abgang von Shell, Unilever und DSM aus den Niederlanden. Shell und Unilever sind jetzt britisch und DSM wird bald seinen niederländischen Pass gegen die Schweizer Staatsbürgerschaft eintauschen. Die Boskalis-Drohung erscheint daher in Den Haag glaubwürdig.

Thijssen fasste letztes Jahr in einem äußerst alarmierenden Interview zusammen NRC eine Reihe von Entwicklungen, die die internationale Wettbewerbsposition der Niederlande untergraben würden. Ihrer Meinung nach gibt es auch in der öffentlichen und politischen Debatte eine „ständige Negativität“ um die Geschäftswelt. All diese Faktoren haben laut VNO-NCW in den letzten Jahren zu einer Abwanderung von Unternehmen aus den Niederlanden geführt.

Es sollte nicht überraschen, dass die Geschäftswelt einen freundlicheren Umgang mit Unternehmen fordert. Ein Faktencheck der Lobby-Story ist also angebracht. Wie ist also die tatsächliche Situation in Bezug auf das Geschäftsklima in den Niederlanden?

Die leistungsstärkste europäische Wirtschaft

Ausgezeichnet, laut internationalen Vergleichslisten. Laut dem internationalen INSEAD-Ranking aus dem Jahr 2022 sind die Niederlande sehr wettbewerbsfähig (Platz sechs), wenn es darum geht, talentierte Mitarbeiter anzuziehen. Im Jahr 2019 belegten die Niederlande im globalen Wettbewerbsfähigkeitsindex des Weltwirtschaftsforums (WEF) den vierten Platz als leistungsstärkste europäische Volkswirtschaft.

Ein Jahr später belegten die Niederlande den gleichen Platz in einem WEF-Ranking der Länder, die „am besten positioniert sind, um sich von der Corona-Pandemie zu erholen“. In der Weltrangliste der wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften des Schweizer Wirtschaftskollegs IMD liegen die Niederlande fünf Jahre in Folge zwischen Platz 4 und 6.

Die Steuerlast für Unternehmen ist gar nicht so hoch, wie Thijssen behauptet. Obwohl der nominale Körperschaftsteuersatz relativ hoch ist, zählt die effektive Steuerbelastung: der Prozentsatz, den Unternehmen nach Abzügen und dergleichen tatsächlich zahlen. Zwischen 2010 und 2017 ist die effektive Steuerbelastung für Unternehmer in den Niederlanden nur gesunken. In den letzten Jahren ist die Steuerlast tatsächlich wieder gestiegen, weil das Kabinett Arbeitnehmer verschonen will, die in den Niederlanden viel stärker besteuert werden als Unternehmer.

Mehr ausländische Multis

Statistics Netherlands liefert auch keine Belege für den von Thijssen beobachteten „Exodus“. Zwischen 2018 und 2020 haben etwa 500 Unternehmen in den Niederlanden einen oder mehrere Teile ins Ausland verlegt, aber das war weniger, nicht mehr als im Zeitraum 2014-2016. Andererseits ließen sich 2020 fast 15 Prozent mehr ausländische Multis in den Niederlanden nieder als 2015. Auch der Abgang von Shell, Unilever und DSM hatte wenig mit einem sich verschlechternden Geschäftsklima zu tun.

Shell und Unilever waren schon immer britisch-niederländisch und wollten ihre Unternehmensstruktur vereinfachen, indem sie auf die niederländische Identität verzichteten. DSM hat seinen Hauptsitz in den Niederlanden und sagt, dass es nur schweizerisch wird, weil der Schweizer Fusionspartner es verlangt hat.

In einer viel diskutierten Umfrage der Universität Amsterdam gaben 23 Prozent der im vergangenen November befragten Unternehmer an, einen Teil ihrer Geschäftstätigkeit ins Ausland zu verlagern.

Wichtige Überlegungen sind die hohen Lohnkosten in den Niederlanden und die jüngsten Steuererhöhungen für Unternehmen. Wenn die Regierung dagegen etwas unternehmen will, dann auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Öffentliche Dienstleistungen in den Niederlanden müssen sowieso von jemandem finanziert werden. Wenn Unternehmen also weniger Steuern zahlen, müssen die Bürger mehr ausgeben. Eine Studie nach der anderen zeigt, dass seit 2001 Arbeitnehmer in den Niederlanden relativ immer mehr Steuern zahlen und Unternehmer und Anteilseigner immer weniger.



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