Kann Katar als „ultimativer Vermittler“ den Patt um die Gaza-Geiseln durchbrechen?

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Treffen zwischen dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian (links) und Hamas-Führer Ismail Haniyeh am 14. Oktober in der katarischen Hauptstadt Doha.Bild ANP

Die Freilassung zweier amerikanischer Geiseln aus der Hamas am vergangenen Freitag erfolgte nach umfangreicher diplomatischer Vermittlung. Eine bemerkenswerte Führungsrolle kam Katar zu, einem Land, das sich nach außen als ultimativer Vermittler präsentiert. US-Präsident Joe Biden dankte den Kataris ausdrücklich für ihre diplomatischen Bemühungen. Nach Angaben der Hamas war die Organisation auch bereit, zwei Israelis („aus humanitären Gründen“) freizulassen, doch die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu lehnte dieses Angebot ab. Israel selbst bestreitet dies.

Über den Autor
Jenne Jan Holtland ist Nahost-Korrespondentin für de Volkskrant. Er lebt in Beirut und ist der Autor des Buches Der Kurier aus Maputo (2021).

Es sollte niemanden überraschen, dass der wohlhabende Golfstaat – flächenmäßig doppelt so groß wie die Provinz Friesland – zu einem Dreh- und Angelpunkt wird. Katar ist die Heimat einiger der politischen Führung der Hamas, und das Land kann daher einen gewissen Druck auf die Hamas-Regierung im besetzten Gazastreifen ausüben. ein Privileg, das andere Regierungen nicht haben. Gleichzeitig ist es auch ein wichtiger Verbündeter Washingtons. Die Amerikaner verfügen seit Jahren über den Luftwaffenstützpunkt Al Udeid auf der Arabischen Halbinsel, auf dem etwa 10.000 amerikanische Soldaten stationiert sind.

Konfliktmediator

Katar ist zudem das einzige Land in der Region, das den Anspruch, als Konfliktvermittler aufzutreten, in seine Verfassung aufgenommen hat. Auf diese Weise schärft es sein globales Profil, Emir Tamim bin Hamad al-Thani sorgt für freundschaftliche Beziehungen zwischen allen und das Land hat überall einen geschäftlichen Fuß in der Tür (Katar ist ein wichtiger Erdgasexporteur). So war das Land beispielsweise bei der Evakuierung von Dolmetschern und ihren Angehörigen aus Afghanistan für die niederländische Regierung von großem Wert: Die Flüge gingen über die katarische Hauptstadt Doha, wo die Taliban ebenso wie die Hamas jahrelang ihr Hauptquartier hatten.

Gleichzeitig gibt es in ultrarechten Kreisen in Amerika mittlerweile Forderungen, gegen die Katarer vorzugehen, weil sie Verbindungen zur Hamas haben, die sowohl in Washington als auch in Brüssel auf der Liste der Terrororganisationen steht. Der republikanische Abgeordnete Max Miller forderte die „Auslieferung“ des Hamas-Führers Ismail Haniye nach dem Massaker der militanten Bewegung in Israel Anfang dieses Monats.

Im Moment nimmt niemand diesen Anruf ernst. „Man muss sich entscheiden“, sagt Andreas Krieg, Nahost-Experte am britischen King’s College. „Man kann nicht um Auslieferung bitten und gleichzeitig die katarische Linie mit der Hamas für Verhandlungen nutzen.“

Roter Teppich für Hamas

Viele Menschen scheinen vergessen zu haben, wie die Hamas überhaupt in Katar gelandet ist. Bis 2012 befand sich der Hauptsitz in Damaskus, aber da sich das Verhältnis zum syrischen Präsidenten Assad verschlechterte (die Hamas sympathisierte mit den syrischen Rebellen), wurde eine neue Heimat benötigt. Auf Drängen des damaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama rollte Katar den roten Teppich aus. „So könnten die Katarer im Auftrag der USA ein Auge auf die Hamas behalten“, sagt Krieg.

Etwas längerfristig (sprich: nach diesem Krieg) könnte die Präsenz der Hamas für Katar zu Kopfschmerzen führen, meint der Experte für die Golfstaaten Kristian Coates Ulrichsen (Rice University). „Aus Washington wird ihnen gesagt: Wir können nicht wieder so werden, wie es vor dem 7. Oktober war.“ Die Vorstellung, dass die Hamas eine Partei ist, mit der man einfach reden kann, hat einen Rückschlag erlitten.“

In der Zwischenzeit stehen die Geiseln an erster Stelle, und so kann niemand die Allianz Katar-Hamas ignorieren, auch nicht Israel. Auf dem Papier gibt es keine Verbindungen zwischen Katar und Israel, aber hinter den Kulissen reden sie miteinander. In den 1990er Jahren brachen die Katarer ein Tabu in der arabischen Welt, indem sie Israel erlaubten, in Doha eine Art „Botschaft-light“ (Handelsbüro) zu eröffnen. Im Jahr 2009, während eines früheren wochenlangen Krieges zwischen Israel und der Hamas, wurde dieses Büro geschlossen.

Sondergesandter

Der katarische Emir hat nun einen Sondergesandten für den Gazastreifen, Mohammed Al-Emadi, der das Gebiet regelmäßig über den „normalen“ Grenzübergang zu Israel besucht – in Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden. Mit der gleichen Transparenz überweist Katar jeden Monat Millionen von Euro, unter anderem für die Beamtengehälter der Gaza-Bewohner und den Wiederaufbau. Das Geld kommt auf ein israelisches Konto, woraufhin die Israelis oder die Vereinten Nationen das Geld in bar nach Gaza bringen. Jetzt, da der Krieg in vollem Gange ist, ist der Geldhahn geschlossen.

Die Frage ist, ob Katar dabei helfen kann, weitere Geiseln zu befreien. Insgesamt hält die Hamas schätzungsweise 212 Personen fest, darunter israelische Soldaten und Bürger mehrerer Nationalitäten (einen Niederländer). Das sagte ein Sprecher der katarischen Regierung am Wochenende der Deutschen Zeitung Welt am Sonntag dass an einem Abkommen zur Freilassung aller zivilen Geiseln gearbeitet wird.

„Aber um eine große Zahl freizulassen, braucht es zunächst einen Waffenstillstand“, sagte Krieg. „Und solange Israel sagt, sein Ziel sei es, die Hamas anschließend vollständig zu zerstören, wird die Hamas dabei natürlich nicht kooperieren. „Die Geiseln sind ihr wichtigstes Kapital.“ Es entsteht eine Pattsituation, die nicht so einfach durchbrochen werden kann. Nicht einmal von Katars listigen Vermittlern.



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