Kabinett macht Wärmenetze zum öffentlichen Eigentum: Was bedeutet das?

Kabinett macht Waermenetze zum oeffentlichen Eigentum Was bedeutet das


Rob Jetten, Minister für Klima und Energie (D66) vor Beginn des Ministerrates.Statue Freek van den Bergh

Mit dieser Entscheidung vollzieht das Kabinett eine markante Wende in seinem Denken über den Energiemarkt. Befürworter sehen darin eine willkommene Korrektur des neoliberalen Windes, der die Energiepolitik der letzten Jahrzehnte geprägt hat. Energie dem Markt zu überlassen, sei das Beste für die Verbraucher, lautete das Mantra. Energiekonzerne und Investoren sprechen schockiert von einer „Enteignung“ oder „Renationalisierung“ ihrer eigenen und verwalteten Wärmenetze.

Wie viele Wärmenetze gibt es und warum sind sie so wichtig?

In den Niederlanden sind mehr als eine halbe Million Häuser an ein Wärmenetz, auch Fernwärme genannt, angeschlossen. Sie haben keinen Gasanschluss, werden aber über Rohre unter der Straße mit Warmwasser für Heizung und Duschen versorgt.

Im Rahmen des Klimaabkommens soll diese Zahl bis 2030 auf rund 1,2 Millionen Haushalte ausgebaut werden. Die Idee ist, dass das Wasser mit nachhaltiger(er) Energie wie Restwärme, Erdwärme, Biomasse und Sonne und Wind erwärmt werden kann. Beispielsweise baut Vattenfall in Amsterdam einen gigantischen Heizkessel, der bei Überschuss mit Strom aus Sonne und Wind beheizt werden kann.

Wer ein Wärmenetz besitzt, hat quasi ein wichtiges Monopol auf die Energieversorgung in einem Quartier. Nun will das Kabinett nicht nur eine Mehrheitsbeteiligung an allen neu zu bauenden Wärmenetzen durch eine Kommune oder einen anderen öffentlichen Anteilseigner. Auch alle bestehenden Wärmenetze, die inzwischen zu rund 90 Prozent privaten Unternehmen wie Vattenfall und Eneco gehören, müssen in öffentliche Hände kommen. Wenn das Repräsentantenhaus dem neuen Wärmegesetz zustimmt, müssen diese Unternehmen ihre Mehrheitsbeteiligung nach einer Übergangszeit an eine öffentliche Partei verkaufen.

Warum wollen Kommunen, dass das Monopol bei einem öffentlichen Eigentümer verbleibt?

Kommunen übernehmen die Führung bei Operationen, bei denen bestehende Häuser vom Gas genommen werden. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Anwohner davon nicht immer begeistert sind. „Wir finden es kompliziert, dass wir den Bürgern bei diesen Projekten sagen: Wir wollen, dass Sie das Gas abstellen und dann zu diesem Unternehmen wechseln, das Sie mit Wärme versorgt“, sagt der Utrechter Stadtrat Lot van Hooijdonk (GroenLinks). ‚Wir glauben, dass der Widerstand nachlassen wird, wenn auch der Heizungskonzern in öffentlicher Hand ist.‘ Dieser öffentliche Eigentümer kann beispielsweise eine Gemeinde, aber auch bestehende öffentliche Wärmeunternehmen oder Provinzen sein.

Van Hooijdonk, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Klima, Energie und Umwelt im Verband der niederländischen Gemeinden (VNG), sieht ein noch wichtigeres Argument: „Die Kommunen sollten so viel Entscheidungsfreiheit wie möglich haben, um die Energiewende in ihrem eigenen Land zu gestalten Gemeinde.‘ Diese Freiheit wird erweitert, wenn die Gemeinde die Mehrheit an einem Heizungsunternehmen hält. Auch die Kommunen erwarten, dass es für den Energiepreis nicht schlecht wird, wenn der Mehrheitsaktionär kein Gewinnstreben hat.

Können Kommunen und Energieunternehmen nicht teilen?

Die Atmosphäre für eine solche Zusammenarbeit ist derzeit nicht sehr gut. Vattenfall hat die Regierung bereits davor gewarnt, dass im Falle einer „Enteignung“ alle Investitionsentscheidungen „auf Eis“ gelegt werden. Auch Eneco äußerte große Besorgnis, ebenso wie der Branchenverband Energy Netherlands und der Vermögensverwalter PGGM. Die Unternehmen geben an, dass die Wahl des Energieministers Rob Jetten (D66) den Wärmemarkt „blockiert“.

Die kommerziellen Parteien sagen, dass sie nicht beabsichtigen, Minderheitsaktionär eines von der Regierung kontrollierten Wärmeunternehmens zu werden. „Es ist nicht möglich, Kapital, Wissen und Erfahrung beizusteuern, während die Kontrolle bei einem öffentlichen Partner liegt.“ Außerdem „ist das Risiko zu groß, Projekte mit einem Investitionshorizont von 20 bis 40 Jahren der unvorhersehbaren Dynamik der lokalen Politik und Organisationen auszusetzen, die wenig Erfahrung mit dem Bau, der Wartung, der Verteilung und dem Betrieb eines Wärmenetzes haben“.

Warum entscheidet sich das Kabinett trotz dieser Warnung jetzt für die Kommunen?

Minister Jetten „versteht die Sorgen der Energieunternehmen“, und sein Ministerium sieht ein, dass sich der Ausbau von Wärmenetzen dadurch verzögern kann. Langfristig ist es aber besser für die Energiewende, findet Jetten, wenn die Kommunen möglichst viel über ihr Wärmenetz mitbestimmen. Aufgrund der von ihm im Gesetz vorgesehenen Übergangsfristen erwartet er, dass Unternehmen genügend Zeit haben, ihre Investitionen wieder hereinzuholen.

Auch die Warnung, die Kommunen hätten kein Geld, um die Investitionen zu bezahlen, beeindruckt ihn wenig. Laut dem Minister besteht großes Interesse von Pensionskassen, der Bank der niederländischen Gemeinden und Invest-NL, in Wärmenetze zu investieren. Jetten sagt auch, er habe „sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus viele Diskussionen geführt“, aus denen ihm deutlich geworden sei, dass eine breite politische Mehrheit für öffentliche Wärmenetze sei.

Bezieht sich das Gesetz nur auf Eigentum?

Nein. Es gibt einen weiteren wichtigen Teil des Wärmegesetzes, der das „Nicht-mehr-als-anders-Prinzip“ betrifft. Mittlerweile gilt, dass Häuser mit Wärmeanschluss nicht teurer sein dürfen als Häuser mit Gasanschluss. Gerade im letzten Jahr, als die Gaspreise stark gestiegen sind, führt das regelmäßig zu Frustration. Wärme ist zwar günstiger als Gas, aber auch der Wärmepreis ist stark gestiegen.

Entfällt die gesetzliche Verpflichtung, Wärme günstiger als Gas anzubieten, müssen sich beispielsweise Heizungsunternehmen nicht mehr zu höheren Preisen versichern. Bei den aktuell hohen Gaspreisen würde dies bedeuten, dass die Haushalte weniger für Wärme bezahlen würden. Grundsätzlich kann es aber auch bedeuten, dass Wärmekunden künftig (teilweise) mehr bezahlen als Haushalte, die noch an Gas angeschlossen sind.



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