Italien nach Berlusconi: Der Kampf um das (politische) Erbe hat begonnen

Italien nach Berlusconi Der Kampf um das politische Erbe hat

Der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist am Montag verstorben. Als Vorsitzender der Koalitionspartei Forza Italia hinterlässt er eine Lücke in der Regierung von Giorgia Meloni. Berlusconis Tod ist der erste ernsthafte Test für die Stabilität ihres Kabinetts.

Rosa van Gool

Fast alle wichtigen Politiker waren am Mittwoch beim Staatsbegräbnis von Silvio Berlusconi (1936-2023) im Mailänder Dom anwesend. Einmal warf ein wütender Bürger dem damaligen Premierminister eine Miniaturversion des Barockgebäudes ins Gesicht.

Berlusconis Tod beendet eine Ära in der italienischen Politik. In den letzten dreißig Jahren war er ein Vorbild für eine neue Generation von Populisten weltweit und leitete vier Kabinette. Doch auch nach seiner letzten Amtszeit als Ministerpräsident gelang es ihm mehrmals, sich in eine Machtposition zu manövrieren.

Über den Autor
Rosa van Gool ist Korrespondentin für Italien, Griechenland und den Balkan de Volkskrant. Sie lebt in Rom.

Unter anderem aufgrund von Berlusconis Vorgehen scheiterte die Einheitsregierung von Mario Draghi im vergangenen Sommer. Und obwohl er ein schlechtes Wahlergebnis erzielte, war seine Partei Forza Italia in der Folge gefragt, um Giorgia Meloni und Matteo Salvini zu einer rechten Mehrheit zu verhelfen.

Er schien das schmutzige Spiel der römischen Korridore nicht vergessen zu haben. Bei den Gründungsverhandlungen im Oktober ließ er angeblich zufällig einen Zettel mit Notizen zu Gioriga Meloni abfotografieren. „Arrogant, stur, herrisch“, lautete sein Urteil.

Kleine Brände

Meloni antwortete den Medien: „Ein Punkt fehlt: Ich bin nicht erpressbar.“ Eine Woche später schlossen sich ihre Parteien zu einer Regierung zusammen, als wäre nichts geschehen. In den letzten sechs Monaten folgten weitere kleinere Brände, wie zum Beispiel die wiederkehrenden pro-russischen Rülpser Berlusconis, die Meloni zu Tode erzürnten, aber es kam nie zu einem wütenden Feuer.

Unmittelbar nach der Beerdigung veröffentlichte Meloni ein Video in den sozialen Medien. Danke Silvio, wir sorgen dafür, dass du stolz sein kannst. Was der Premierminister wirklich denkt, bleibt eine Vermutung. Etwas, auf das sich die italienische Presse einzulassen beginnt, nachdem der Tiefpunkt ihres meist lobenden Vorrats an Berlusconi-Nekrologien endlich in Sicht ist.

Laut einer Mitte-Links-Zeitung La Republica Melonis rechte Regierung leidet bereits unter dem daraus resultierenden Machtvakuum, aber der Wunsch scheint der Ursprung der Idee zu sein. Denn obwohl der Fortbestand von Forza Italia als Partei höchst ungewiss ist, steht die rechte Mehrheit nicht direkt auf dem Spiel.

Sollten die Parteimitglieder demnächst einer nach dem anderen ohne Kapitän das Schiff verlassen – kein undenkbares Szenario –, liegt es auf der Hand, dass ein großer Teil zu Melonis Fratelli d’Italia wechseln wird. Diese Partei verfolgt seit ihrer Regierungsübernahme einen gemäßigteren Kurs und steht damit bereits nahe am rechten Flügel von Forza Italia.

Berluconis Erbe

Dazu zählt noch ein weiterer ehemaliger Ministerpräsident, der bis heute zweifellos der größte Machiavellist auf der römischen Bühne ist: Matteo Renzi. Wie Berlusconi gelingt es ihm regelmäßig, sich mit einer Splitterpartei ins Zentrum der Macht zu drängen. Dazu besteht jetzt auch die Gelegenheit, indem man sich in die Jagd nach den verwaisten Parlamentariern von Forza Italia einmischt. Renzi selbst bestreitet, eine Rolle als Berlusconis Erbe anstreben zu wollen.

Auch bei Forza Italia gibt es angehende Führungskräfte. Neben einigen Oldtimern, die nun auch das Kommando übernehmen wollen, scheint vor allem Marta Fascina eine große Anwärterin zu sein. Der 33-jährige Partner, den Berlusconi zurücklässt, ist ebenfalls im Senat und hätte viel Macht in der Partei, die derzeit von Außenminister Antonio Tajani geführt wird.

Eine weitere mögliche und bei Parteianhängern beliebte Kandidatin ist Berlusconis älteste Tochter Marina (56). Neben dem milliardenschweren Vermächtnis, das verteilt werden soll, könnte auch Forza Italia bald zum Anteil eines solchen werden Nachfolge– wie ein Familiendrama, obwohl keines der fünf Kinder Berlusconis bisher großes Interesse an einer politischen Karriere gezeigt hat. Sie haben erklärt, dass sie die Partei, die 90 Millionen Euro Schulden bei der Familie hat, weiterhin unterstützen werden.

Korruption und Sexskandale

Unterdessen entbrennt auch die Debatte über Berlusconis Erbe an Italien. Im Vergleich zu anderen Ländern hat dies einen milden Ton. Die Einstimmigkeit ist zum Teil das Ergebnis des Einflusses, den Berlusconi jahrzehntelang auf den Mediensektor ausübte.

International urteilen nicht nur die Presse, sondern auch Politikerkollegen deutlich härter. Das zeigte sich auch an den Delegationen, die an der Beerdigung teilnahmen: Die einzigen amtierenden Staatsoberhäupter kamen aus Katar, Albanien, Ungarn, San Marino und dem Irak, dessen Präsident sich zufällig ohnehin in Italien aufhielt.

Doch während Berlusconis Name im Ausland als Synonym für Korruption und Sexskandale gilt, hängt sein Schatten auf der italienischen Halbinsel vorerst noch über der nationalen Politik. Der aktuellen Regierung gehören nicht weniger als neun Minister aus seinem letzten Kabinett an, darunter Premierminister Meloni selbst, der im Alter von 31 Jahren unter Berlusconi Jugendminister wurde.

Ihre Aufgabe ist es nun, den Zug auf den Schienen zu halten, während einer der Waggons zu entgleisen droht. Es kommt Meloni zugute, dass Politiker von Forza Italia ihre Partei vielleicht verlassen wollen, ihr bequemer Sitz und ihr Gehalt jedoch sicherlich nicht. Sie haben daher wenig Interesse an politischem Chaos, obwohl das keine Garantien bietet. Eine Regierungskrise ist in Rom nie weit entfernt, insbesondere wenn sich die Machtverhältnisse zu verschieben beginnen. Italien steht in den kommenden Monaten vor einem turbulenten Kampf um Berlusconis politisches Erbe.



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