Ist Starlink wirklich die Zukunft des freien Internets oder ein weiteres geopolitisches Machtspielzeug für Musk?

Ist Starlink wirklich die Zukunft des freien Internets oder ein


Internet via Satellit macht Autokraten weltweit nervös. Starlink von Elon Musk ist bereits in der Ukraine aktiv und könnte bald auch im Iran sein. Was will er damit? Und ist das der Beginn eines wirklich freien Internets?

Martin Albers

Jede erfolgreiche Revolution hat ihre eigenen Kommunikationsmittel: vom Druck in der Reformation bis zu den sozialen Medien während des Arabischen Frühlings. Eine neue Art, sich zu verbinden (und in Kontakt zu bleiben), gibt Revolutionären ein mächtiges Mittel, um die herrschende Ordnung herauszufordern. Es überrascht nicht, dass das iranische Regime vor kurzem das Internet rund um Demonstrationen abgeschaltet hat.

Die US-Regierung will den Demonstranten nun mit einem auffälligen neuen Kommunikationsmittel zu Hilfe kommen. Starlink, das Satelliten-Internetsystem des Tech-Unternehmers Elon Musk, soll den Iranern helfen, ihre Regierung zu stürzen.

Im Gegensatz zum Kabelinternet können die iranischen Behörden Starlink nicht einfach blockieren oder zensieren. Die Starlink-Verbindung verläuft von einer Bodenstation über einen Satelliten zu einer Schüssel am Boden. Bei Satelliten der neuesten Generation muss die Bodenstation nicht einmal in der Nähe der Schüssel sein, sodass Behörden den Datenverkehr nicht einfach unterbrechen können.

Auch im Krieg in der Ukraine konnte Starlink eine wichtige Rolle spielen. In weiten Teilen des Landes ist die Internetverbindung per Kabel durch Beschuss unterbrochen worden. Zivilisten und Militärangehörige verlassen sich auf das System, um Informationen zu Hause oder auf dem Schlachtfeld zu senden und zu empfangen.

Musk scheint Starlink als das Kommunikationstool der freien Welt zu positionieren. Ein Satellitennetzwerk, das Autokraten weltweit Angst machen sollte. Es gibt sogar eine Prise dessen, was seine Gründerväter dachten, das Internet hätte sein sollen: ein offenes, demokratisches und dezentrales Netzwerk, das es Bürgern auf der ganzen Welt ermöglicht, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren. Ist das wirklich das, was Musk mit Starlink erreichen will, oder bleibt das Internet so, wie wir es bereits kennen?

1 | Was ist die Philosophie hinter Starlink?

Laut Starlink selbst ist es einfach: schnelles und erschwingliches Breitband-Internet in abgelegenen Gebieten. Es ist das Mantra, das Musk und andere, die an Starlink beteiligt sind, immer wieder wiederholen. Mit dem Einsatz in der Ukraine und im Iran scheint ein weiterer Aspekt hinzuzukommen: Verbindung dort, wo andere versuchen, sie zu blockieren.

Das würde zu einem Ideal passen, das Musk regelmäßig vertritt: das Internet als Hort für Meinungen und Ideen, wo jeder sagen kann, was er will. Das ist laut Musk selbst der Hauptgrund, warum er Twitter gekauft hat. Mit dem Ausschluss von Leuten wie Donald Trump ist er nicht einverstanden, und als Betreiber von Twitter will er so gut wie alle Äußerungen zulassen. Aber soweit bekannt, hat er Starlink nie als Mittel zur Erreichung einer solch radikalen Meinungsfreiheit präsentiert.

Wahrscheinlich ist die Daseinsberechtigung von Starlink wesentlich banaler. SpaceX, Musks Raumfahrtprogramm, das die Satelliten baut, hat mit Starlink eine verlässliche Einnahmequelle, solange die Raumfahrt nicht genug Ertrag bringt. Musk hat in der Vergangenheit offen zugegeben, dass er die Einnahmen von Starlink letztendlich verwenden wird, um eine Reise zum Mars zu finanzieren. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Starlink ist sogar angegeben, unter welchen Bedingungen es auf dem Mars genutzt werden kann.

2 | Was kann Starlink für Protestbewegungen wie im Iran bedeuten?

Autoritäre Staaten scheinen sich jedenfalls davor zu fürchten. Russland hat wiederholt damit gedroht, Starlink sei ein legitimes militärisches Ziel, jetzt, wo die Ukraine es für Kriegszwecke nutzt. Musk sagte das kürzlich Finanzzeiten dass die Pekinger Regierung ihn gebeten hatte, das System nicht in China zu verkaufen. Eine Erklärung aus dem Jahr 2015 deutet darauf hin, dass er dieser Bitte nachkommen wird: „Wenn sie sauer auf uns werden, können sie unsere Satelliten in die Luft jagen. Also denke ich nicht, dass wir dort senden sollten.‘

Dass das Internet über Starlink mehr Menschen erreiche, sei laut Medientheoretiker Gert Lovink nicht das Gefährlichste für Autokraten. „Der Mehrwert liegt hauptsächlich im Hochladen von Informationen.“ Beispielsweise können Videos von Sicherheitskräften, die eine Demonstration gewaltsam niederschlagen, noch schneller um die Welt reisen.

Der Vorteil von Starlink sei, dass es deutlich schwieriger sei, das Signal zu stören, so Alexander Klimburg, Leiter des Center for Cybersecurity beim World Economic Forum. Daran scheinen die Russen in der Ukraine bisher gescheitert zu sein.

Es gibt immer noch praktische Probleme für die Demonstranten. In Ländern wie dem Iran und Nordkorea ist Geschirr bereits verboten, das Schmuggeln und ungesehene Installieren der Starlink-Empfänger wird nicht einfach sein.

3 | Wer schaut dir über die Schulter?

Natürlich weiß man nie genau. Aber immerhin war die US-Regierung eng in die Entwicklung des Systems eingebunden. Der Einsatz in der Ukraine und im Iran zeigt, dass die Amerikaner nach wie vor enge Beziehungen zu SpaceX pflegen. Ronald Prins, Gründer des Cybersicherheitsunternehmens Hunt & Hackett, glaubt, dass die Amerikaner nicht einmal eine technische Hintertür im System brauchen. „Sie könnten auch Informationen direkt von Leuten bei Starlink bekommen.“

Prins und Klimburg vermuten, dass sich auch andere Geheimdienste mit ein bisschen Hacking-Kunst einmischen können. Einem belgischen Hacker gelang es letzten Sommer, sich in die Schüssel zu hacken und Zugriff auf das System eines einzelnen Benutzers zu erhalten. Ein Hack einer Bodenstation, die noch mehr Zugriff bieten würde, ist sicherlich nicht ausgeschlossen.

Die gesamte Kommunikation über Starlink ist mittlerweile verschlüsselt, dennoch kann ein Hack laut Prins interessante Informationen liefern: „Wer kommuniziert mit wem, von wo und auf welche Weise?“ Die Signale können auch verwendet werden, um zu bestimmen, wo sich die Schüssel auf dem Boden befindet. Fühlen Sie sich nicht unbeobachtet, nicht einmal auf Starlink.

4 | Was wird Starlink der Welt (und Musk) bringen?

Ein grundsätzlich freies Internet wohl nicht, denkt Lovink. „Dafür ist eine solche Satellitenverbindung zu umständlich und zu teuer.“ Laut Lovink kann Musk mit Starlink grob zwei Wege gehen: Er wird damit möglichst viel Geld verdienen oder er wird damit geopolitische Ziele erreichen. „Die Förderung eines grundsätzlich freien Internets steht im Widerspruch zu beiden Zielen.“

Immerhin soll es für kostenloses Internet bezahlbar sein, und das ist Starlink mit 85 Euro im Monat nun mal nicht. Die Nutzung zur Erreichung geopolitischer Ziele in der Ukraine oder im Iran würde die Neutralität des Systems untergraben. Solange die US-Regierung für den Einsatz von Starlink in der Ukraine bezahlt, wird Musk zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er verdient damit Geld und positioniert sich als geopolitischer Akteur.

Solange das so bleibt, hüte dich vor Autokraten. Sie können vielleicht Starlink hacken oder das Geschirr aufspüren, aber Klimburg sagt, dass es irgendwann unmöglich sein wird, es vollständig zu glätten. „In einem Land wie dem Iran können ein paar Gerichte ausreichen. Und Starlink ist nicht das einzige System, es werden noch weitere folgen.“



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