Ist Hoekstra als EU-Kommissar völlig ungeeignet? NEIN. Trotzdem bin ich gegen seinen Vorschlag

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Wopke Hoekstra im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz.Bild Getty Images

1. Mit der Nominierung ihres Kollegen Wopke Hoekstra setzt das Kabinett den Weg einer nach innen gerichteten Verwaltungskultur fort. Auf jeden Fall sollte ein Hausmeisterkabinett jeglichen Anschein von Bevorzugung und Jobkarussell vermeiden. Wie viele Reaktionen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zeigen, trägt dieser Zustand auch zu einem Vertrauensverlust in die Politik bei.

2. Bis vor Kurzem war Hoekstra das wackelige Aushängeschild einer Partei im Niedergang. Unter seiner politischen Führung verlor die CDA Wahlen, schneidet in allen Umfragen sehr schlecht ab und zeigt ein Bild interner Spaltung. Das liegt nicht in der Verantwortung der Regierung, aber warum sollte man den gefallenen Führer dieser Partei „belohnen“? Dies stärkt das Bild einer freundlichen Politik und des Lebens in der eigenen Welt Den Haags.

Über den Autor
Frans Weisglas ist ehemaliger Präsident des Repräsentantenhauses und ehemaliger Europa-Sprecher der VVD-Fraktion. Hierbei handelt es sich um einen eingereichten Beitrag, der nicht unbedingt die Position von de Volkskrant widerspiegelt. Lesen Sie hier mehr über unsere Meinungspolitik.

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3. Das scheidende Kabinett hat die Aufgabe, auf Ersuchen des Staatsoberhauptes alles im Interesse des Landes zu tun, bis ein neues Kabinett sein Amt antritt. Das ist nicht der vorläufige Abgang von Ministern. Erfahrung, Einarbeitung in das Ministerium und Kontakte verschwinden und ein neuer Minister muss das alles für (hoffentlich) kurze Zeit aufbauen. Der scheidende Rutte IV hat die Lektion des scheidenden Rutte III nicht gelernt. Minister Hoekstra lässt alles aus seinen Händen fallen und seine Kollegen und ein neuer Minister dürfen die Trümmer aufsammeln.

4. Dass eine vorzeitige Abreise unerwünscht ist, gilt für alle Minister, in der heutigen Zeit jedoch insbesondere für den Außenminister. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine haben die Niederlande eine sehr aktive und wesentliche Rolle bei der Mobilisierung und Bereitstellung aller Arten notwendiger Unterstützung für die Ukraine gespielt. Dabei spielen der Premierminister sowie die Verteidigungs- und Außenminister eine entscheidende Rolle. Sie sind sich der Situation im und um den Krieg bewusst und verfügen über hervorragende Kontakte zu wichtigen Akteuren in der Ukraine und allen beteiligten Ländern in der Europäischen Union, der NATO und darüber hinaus. Kurz vor dem Sturz seines Kabinetts sagte Premierminister Rutte zu Recht, dass eine Kabinettskrise angesichts des Krieges unerwünscht sei. Und nun ist das Kabinett gestürzt und auch der Außenminister scheidet vorzeitig aus.

5. Darüber hinaus war das Außenministerium während der vier Rutte-Kabinette ein wahrer Taubenschlag. Nicht weniger als neun Außenminister haben in diesen vier Kabinetten abgenutzt. Und nun wird Minister Nummer 10 bald sein Amt im scheidenden Kabinett antreten. Schlecht für die Kontinuität der Politik und die Position der Niederlande im Ausland.

6. Im Kabinett herrschte eindeutig Unmut über Hoekstras Nominierung. Besonders mit den Ministern von D66. Ministerin Sigrid Kaag hat das mit so vielen Worten gesagt. Ihrer Meinung nach hätte ihre Partei gute Kandidaten für die Nachfolge von Frans Timmermans in Brüssel gehabt. Sie erwähnte die Minister Kajsa Ollongren, Hans Vijlbrief und Rob Jetten sowie sich selbst. Nacheinander verantwortlich, genau wie Hoekstra, für die Ukraine-Politik, für Groningen, für die niederländische Klimapolitik (und gerade zum D66-Parteivorsitzenden gewählt) und für unsere Finanzen und den kommenden Haushalt. Sprechen Sie über Verantwortungsbewusstsein.

7. Die Regierung möchte, dass Hoekstra das Klimaressort von Frans Timmermans in der Europäischen Kommission übernimmt. Aber es ist uns in den letzten Jahren nicht gelungen, Minister Hoekstra mit klaren Ansichten zu einer dynamischen Klima- und Naturpolitik zu erreichen. Im Gegenteil: Es war CDA-Chef Hoekstra, der die Stickstoffpolitik aus dem Koalitionsvertrag und damit den Naturschutz hinauszögern wollte.

8. Während der Corona-Krise war Finanzminister Hoekstra ein gepanzerter Gegner innerhalb der Europäischen Union, als er insbesondere für die südlichen Länder der Europäischen Union einen Corona-Unterstützungsfonds einrichtete. Das hat in diesen Ländern zu großem Unmut geführt, und das werden sie und ihre Politiker im Europäischen Parlament nicht vergessen haben.

9. Unter anderem aufgrund der letzten beiden Punkte ist zu erwarten, dass zahlreiche Fraktionen im Europaparlament Hoekstras Ernennung zum EU-Kommissar äußerst kritisch sehen werden. Dies wurde unmittelbar nach der Nominierung durch die Niederlande deutlich. Damit hätte die Regierung rechnen müssen. Ich gehe nicht davon aus, dass das Parlament die Ernennung blockieren wird, aber ob Hoekstra das Klimaressort erhält, ist immer noch die Frage.

10. Ist Hoekstra für den Posten des EU-Kommissars völlig ungeeignet? Nein natürlich nicht. Er ist ein erfahrener Finanz- und Außenminister und diese Erfahrung kann in Brüssel von Nutzen sein. Aber warum gerade er, angesichts aller oben genannten Einwände? Dabei spielten haagerinterne Überlegungen und unangebrachte Kollegialität die wichtigste Rolle. Zwar gab es für Timmermans die nötigen guten anderen Nachfolger. Denken Sie an D66-Mitglied Tom de Bruijn, einen hervorragenden ehemaligen Botschafter bei der Europäischen Union und einen dieser neun ehemaligen Außenminister, und insbesondere an Diederik Samsom, Kabinettschef von Frans Timmermans und ehemaliger Vorsitzender der PvdA, der sich vollständig eingelebt hat . Dies wäre auch für die Innenpolitik viel bequemer gewesen als die Nominierung unseres eigenen scheidenden Vizepremierministers und Außenministers.

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