In allen entscheidenden Momenten versteckte sich Rutte unter seinem Schreibtisch

Der Westen sollte sich darauf konzentrieren die Putin Clique zu spalten
Thomas von der Dunk

Was wird Mark Rutte während des Great Nitrogen Survey 2027 auf die Frage antworten, wie es möglich ist, dass eine Million junge Menschen aufgrund jahrelanger Baustillstände kein Eigenheim finden? „Das habe ich an den Fachminister weitergeleitet.“ Und, ach ja, dass er wirklich erst im Jahr 2025 auf ein Interview mit einem 33-jährigen Wohnwagenbewohner gestoßen ist, der gerade vergeblich sein x-tes Gebot auf ein Tiny House abgegeben hatte und daher erst dann plötzlich sehr klein Torentje merkte, „wie bizarr hoch“ die Wohnungsnot in all seinen Kabinetten gestiegen war.

Und was wird Rutte während der Great Asylum Seekers Survey von 2029 auf die Frage antworten, wie es möglich ist, dass die Zahl der Flüchtlinge, die in Ter Apel draußen übernachten müssen, jetzt zwanzigtausend übersteigt? „Das kann ich jetzt nicht rekonstruieren.“ Außerdem hatten all diese Flüchtlinge unterschiedliche Wünsche, die „so viel Anpassung“ erforderten. Das ist „viel komplexer, als ich mir je vorgestellt habe“.

In beiden Fällen kann er dann mühelos auf den Gas Survey vom letzten Oktober zurückgreifen, aus dem die obigen Zitate stammen.

Komplex

In der Dämmerung ihrer Amtszeit als Ministerpräsident fragte ein Labour-Abgeordneter nach Liz Truss, als sie es nicht mehr wagte, zu einer entscheidenden Debatte zu erscheinen, ob sie sich unter ihrem Schreibtisch versteckte. Weniger als eine Woche später konnte sie ihren Schreibtisch aufräumen. Rutte war mehr als ein Jahrzehnt Premierminister, aber auch er war nie anwesend. In allen entscheidenden Momenten, in zehn Jahren werden alle parlamentarischen Untersuchungen abgeschlossen sein, versteckte er sich unter seinem Schreibtisch. Alles so schrecklich komplex!

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie selbst die wenigen vernünftigen VVD-Mitglieder hierzulande, manchmal nachdem sie ein drängendes Problem zunächst klar erläutert haben, dann großen beschönigenden Unsinn von sich geben, nämlich wenn in diesem Zusammenhang die eigene Partei erwähnt wird.

Senator Caspar van den Berg herein de Volkskrant vom 22. Oktober über die Vernachlässigung des ländlichen Raums (Wohnen, öffentlicher Verkehr): „Um das Jahr 2000 herum entstand die Vorstellung, die Niederlande seien räumlich fertig. Eine Fehleinschätzung. Der Regierung fehlen derzeit die notwendigen Kenntnisse und Instrumente. Da war meine Partei nicht scharf genug.‘ Ex-Parteichef Ed Nijpels in NRC eine Woche später: „Der VVD hat das Thema Klima kapern lassen“.

Nicht scharf genug? Stef Blok kam einmal, um voller Freude zu verkünden, dass er ein ganzes Ministerium getötet hatte – sein eigenes, für Raumplanung. Und als Folge der nun drohenden weiteren Fragmentierung des Tracks durch neoliberalen Marketingwahn, Nachrichtenstunde vorbei an einer alten Aufnahme mit Verkehrsministerin Annemarie Jorritsma, mit der Plattitüde, dass nur kommerzielle Unternehmen kundenorientierte Qualität liefern können.

Wurde es entführt? Dies deutet darauf hin, dass es außerhalb von Nijpels selbst (und Pieter Winsemius) jemals ein gewisses Klimabewusstsein innerhalb der VVD gegeben hat, wo die Menschen wie Rutte hauptsächlich ungestört grillen wollen. Die darin zum Ausdruck kommende naive Besserungserwartung steht auch völlig im Widerspruch zu der unverbesserlich infantilen „vroom-vroom“-Mentalität, die Nijpels in der Praxis begegnet und deren konkrete Auswüchse er in jenem Interview auch deutlich benennt.

‚Schlechtes Maß‘

Nehmen Sie Rutte selbst, der die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit als „lausige Maßnahme“ bezeichnete – als so ziemlich das Schlimmste, was ihm passieren konnte (weshalb er die Gaserdbeben, die Flüchtlingsproblematik und den Beihilfeskandal nicht rekonstruieren konnte) . Cora van Nieuwenhuizen, die, als das Stickstoffproblem nicht mehr zu leugnen war, rief: „Wir werden einen Trick finden.“

Nun, Coras Tricks sind ausgearbeitet. Das zu klären wagte vor einigen Jahren ihr Parteikollege Johan Remkes mit seinem Bericht Nicht alles ist möglich. Wer es in diesem Frühjahr wagte, daraus die logischen Konsequenzen zu ziehen, war ihre Parteikollegin Christianne van der Wal – die deshalb von Mark van den Oevers Agrarterroristen-Brigade tätlich angegriffen wurde. Und dann? Dann versagte ihre Regierung und ihre Partei steckte wieder einmal den Kopf in den Sand.

Wer gehofft hat, dass Rutte & Co. in den darauffolgenden Sommerverhandlungen wirklich standhalten würden – und das habe auch ich wider besseres Wissen eine Zeit lang gehofft –, weiß es jetzt besser. Alle konkreten Grenzen und Fristen aus Remkes‘ letztem Bericht wurden vom Kabinett sofort verwässert, von Zwang soll keine Rede sein, weil sonst die Farmers Defence Force mit neuem Triggerterror droht. Van der Wal musste tief in den Staub graben.

Kurzum: Neuer Aufschub, und das heißt: Je länger man wartet, desto härter wird der Eingriff. „Ehrenamt“ hat all die Jahre für die Landwirte nichts gebracht und wird daher ohne Stock in der Hand auch nichts bringen.

Bauen gesperrt

Das heißt auch ganz konkret: Niederländische Bauarbeiten werden wohl geschlossen. Wegen Stickstoffmangels streicht der Richter bald wieder alle Bauprogramme – für Eigenheime, aber auch für Unternehmen. Verzweifelte Unternehmer, die nicht expandieren dürfen, telefonieren bereits regelmäßig mit dem VVD, weil „ihre“ Partei immer wieder vor der Bauerngewalt kapituliert.

Ganz zu schweigen von den vielen verzweifelten Wohnungssuchenden. Um es ganz klar zu sagen: VVD und CDA halten daher die Haltung von Schweinen für wichtiger als die von Menschen. Das scheint mir ein guter Wahlspruch für die linke Opposition bei der Landtagswahl zu sein, auch wichtig für den Senat.

Schlüsselfrage: Was wird D66 tun? Akzeptiert diese Partei Ruttes Feigheit? Oder führt die erzwungene Baustilllegung zu einer Spaltung der Koalition? In diesem Fall wird der Richter mit seinem Veto indirekt die Regierung sprengen.

Thomas von der Dunk ist Kulturhistoriker.



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