Immer noch Preisobergrenze für Energie? Das niederländische Kabinett war sicherlich nicht das einzige

Immer noch Preisobergrenze fuer Energie Das niederlaendische Kabinett war sicherlich
Sandrino Smeet

„Zuerst dachten wir, das geht nicht.“ Das niederländische Kabinett und insbesondere Premierminister Rutte haben viel Kritik für die späte Entscheidung erhalten, durch eine Preisobergrenze in die Energierechnung einzugreifen. Allerdings wird seit März auf europäischer Ebene die Einführung einer solchen Preisobergrenze gefordert.

Es sind sicherlich nicht nur die Niederlande erschossen worden. Auch die Europäische Kommission und der Europäische Rat sind in Gedanken. Die Kommission war und ist hin- und hergerissen zwischen politischer Notwendigkeit und technischer Machbarkeit. Der Europäische Rat scheint bereits vergessen zu haben, wie unproduktiv die bisherigen Debatten über Preisobergrenzen waren.

Über den Autor

Sandrino Smeet ist mit der Radboud-Universität Nijmegen verbunden und forscht zu den großen Krisenverhandlungen in der Europäischen Union und ist Gastkolumnist für Oktober. Jeden Monat stellt das Redaktionsteam von de Volkskrant jemanden, der vier- bis fünfmal eine Kolumne auf volkskrant.nl veröffentlicht.

Informelles Oberteil

Auf dem informellen Gipfel in Prag diese Woche diskutierten die europäischen Staats- und Regierungschefs zum sechsten Mal in einem Jahr über Preisobergrenzen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit gibt es zwei verschiedene Arten von Preisobergrenzen: einerseits einen Höchstpreis, den Europa insbesondere für den Kauf von Gas zu zahlen bereit wäre, und andererseits einen Höchstpreis, den Bürger und Unternehmen zahlen würden ihre Stromrechnung bezahlen müssen. Dabei geht es um die Frage, ob der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt werden kann.

Es ist eine Debatte mit vielen Wendungen. Im Oktober 2021 war es der spanische Ministerpräsident Sánchez, der wegen stark steigender Energiepreise Alarm schlug, was seiner Meinung nach auf die Dysfunktion der Energiemärkte zurückzuführen sei. Die Europäische Kommission und viele andere glaubten, dass dies ein vorübergehendes Phänomen sei, das durch die wirtschaftliche Erholung nach Covid verursacht wurde. Im Dezember 2021 kamen die europäischen Staats- und Regierungschefs zu dem Schluss, dass dies vielleicht doch kein vorübergehendes Problem sei, aber dass Eingriffe in die Energiemärkte alles andere als einfach seien. Daher wurde die Kommission gebeten, eine eingehende Untersuchung der Möglichkeiten durchzuführen.

Verwirrende Schlussfolgerungen

Die beiden europäischen Gipfel im März führten zu langen und äußerst verwirrenden Debatten und ebenso langen und verwirrenden Schlussfolgerungen darüber, ob und wie in die Energiemärkte und -preise eingegriffen werden soll. Infolgedessen wurde der Kommission die fast unmögliche Aufgabe übertragen, Vorschläge zu unterbreiten, die wirksam gegen überhöhte Strompreise vorgehen, aber gleichzeitig den Binnenmarkt nicht untergraben, die grüne Wende und die Versorgungssicherheit gefährden und letztendlich keine unverhältnismäßigen Haushaltsausgaben verursachen.

Anfang Mai veröffentlichte ACER – die Europäische Agentur für Energieregulierungsbehörden – ihren (aus niederländischer Sicht) lang erwarteten Bericht, der zu dem Schluss kam, dass das Funktionieren der Energiemärkte nicht das Problem sei. Auch der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission äußerte sich zurückhaltend in Bezug auf die Möglichkeit und Wünschbarkeit einer Reform der Energiemärkte.

Beim europäischen Gipfel im Mai ging die Debatte erneut in alle Richtungen. Daher beschlossen die Verantwortlichen, den ACER-Bericht „zur Kenntnis zu nehmen“ und die Akte an den Maschinenraum des Rates weiterzuleiten.

Draghi

Beim EU-Gipfel im Juni hat außer Italiens Ministerpräsident Draghi niemand auf eine weitere Debatte über Preisobergrenzen gewartet. Auf der anschließenden Pressekonferenz kündigte Präsidentin von der Leyen jedoch an, dass die Kommission die Funktionsweise der Energiemärkte erneut überprüfen werde.

Anfang September rief der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, in einem dramatischen Appell „die EU auf, jetzt zu handeln“. Laut Michel hatten die europäischen Regierungschefs die Kommission dreimal einstimmig aufgefordert, konkrete Vorschläge zur Eindämmung des Preisanstiegs vorzulegen. In Wirklichkeit war der Aufruf der Führer weder einhellig noch konkret.

Es zeigt die Logik der Brüsseler Entscheidungsfindung. Lewis Carroll beschreibt in Alice im Wunderland ein Rennen der besonderen Art, bei dem jeder Teilnehmer mit seinem eigenen Rennen beschäftigt ist und am Ende Preise gewinnen muss. Und dann geht das Rennen von vorne los. Staatssekretär Vijlbrief hat es in seiner Antwort an die belgische Ministerin, die nach dem Energierat am 9. September dieses Jahres angekündigt hatte, dass es eine Einigung über eine Preisobergrenze gebe, treffend formuliert: „Dann war sie in einer anderen Sitzung als ich.“ Bildlich gesprochen betreibt die belgische Regierung in der Tat ein anderes Rennen. Und dieses Rennen ist noch nicht zu Ende.

Nicht nur die niederländische Regierung ist überrascht, wie schnell die Runden derzeit aufeinander folgen. Der ACER-Bericht scheint politisch eine Ewigkeit her zu sein. Der Europäische Rat bereitet eine siebte Debatte über Preisobergrenzen vor. Bemerkenswerterweise hält sich nun die Kommission zurück und hat in internen Debatten angedeutet, dass die fachliche Ausarbeitung der Vorschläge viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher werden die Staats- und Regierungschefs die Kommission erneut auffordern, sich zu beschleunigen. Eine neue Runde mit neuen Preisen.



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