Hypnotisch und geerdet: „All of Us Strangers“ ist eine bewegende Geistergeschichte über Intimität und Kontakt

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Adam (Andrew Scott) in „All of Us Strangers“.Bilder von Suchscheinwerfern

Der Wolkenkratzer ragt düster über ihm auf. Mitten in der Nacht ging der Alarm im Gebäude los und nun steht Adam, ein einzelner Drehbuchautor, allein auf dem Bürgersteig. Als er nach oben schaut, sieht er, dass nirgendwo in der Anlage Licht brennt, außer an einem einzigen Fenster, durch das ein Mann auf ihn herabblickt. Die einzigen beiden Bewohner haben in dem außergewöhnlichen Drama zueinander gefunden Wir alle Fremde.

Für seinen fünften Spielfilm kehrte der englische Filmemacher Andrew Haigh zum Roman zurück Fremde (1987) des japanischen Autors Taichi Yamada. Haigh (Wochenende, 45 Jahre) hat eine sehr persönliche Variation von Yamadas Buch geschaffen, in der die Hauptfigur nicht nur mit dem einzigen anderen Wohnungsbewohner in Kontakt kommt, sondern auch zwei Fremde trifft, die genauso aussehen wie seine vor langer Zeit bei einem Unfall verstorbenen Eltern. Das Buch Fremde spielt in Tokio; Wir alle Fremde in London, sowohl im Osten der Stadt als auch im Vorort Sanderstead, wo Haighs eigenes Elternhaus als Schauplatz diente. Und während Yamada eine Hetero-Romanze beschreibt, geht es in Haigh um zwei Männer, die auf der Suche nach Liebe sind und mittlerweile in sich selbst zu verschwinden scheinen.

Jedenfalls vorübergehend

Die satten Schattierungen all dieser Elemente werden von den Protagonisten Andrew Scott (Adam) und Paul Mescal (Harry) phänomenal dargestellt, mit einer sofort offensichtlichen Chemie. Gleichzeitig lauert etwas Unfassbares hinter dem Kontakt zwischen dem Mittvierziger Adam und dem jüngeren Harry. Als ob ihre Bindung sowieso nur vorübergehend wäre. Emilie Levienaise-Farrouchs hallende Ambient-Musik und das Sounddesign unterstreichen diese Unruhe: In Adams Wohnung raschelt im Hintergrund ständig die Lüftungsanlage, oder man hört, wie sich die Türen des leeren Aufzugs dumpf schließen. Jeder Ort wird von Haigh und dem Kameramann Jamie Ramsay als Zwischenraum gefilmt – sogar die Metropole London, die immer auf Distanz zu Adam zu sein scheint.

Der Film beschreitet eine verträumte Reise, als Adam zum Elternhaus in der Vorstadt reist, das er als Kind nach dem Tod seiner Eltern plötzlich verlassen musste. Plötzlich sind sie wieder da und bleiben für immer jung. „Wir wussten nicht, ob es funktionieren würde“, sagt Papa (Jamie Bell). Mutter (Claire Foy) setzt etwas Teewasser auf.

Rot-weißer Kinderpyjama

So wird es Wir alle Fremde eine hypnotische, aber auch bodenständige und bewegende Geistergeschichte über Intimität und Kontakt. Endlich kann Adam zu seiner Mutter kommen und sie können ihren allerletzten Heiligabend noch einmal erleben. Papa kann endlich sagen, dass er gerne öfter für Adam da gewesen wäre. Was spielt es für eine Rolle, dass Adam jetzt älter ist als sie und dass dieser rot-weiße Pyjama nicht mehr passt?

Einige Szenen gehen in puncto Sentimentalität (fast) über die Grenzen, aber Haigh und seine Darsteller geben sich auch für die düsteren, möglicherweise psychotischen Aspekte der Geschichte alle Mühe. Als Zuschauer muss man sich nur der Kühnheit des Films hingeben, bis hin zur wunderbaren Sternexplosion am Ende, begleitet von Frankie Goes to Hollywood. Die äußeren Bereiche der Vorstellungskraft, das stimmt Wir alle Fremde den Betrachter dazu Lieferungen.

Wir alle Fremde

Theater

★★★★☆

Regie: Andrew Haigh

Mit Andrew Scott, Paul Mescal, Claire Foy, Jamie Bell

105 Min., in 44 Sälen



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