Es könnte sein, dass Berlin hundert Jahre nach den „Nazi-Spielen“ von 1936 erneut Schauplatz der Olympischen Spiele sein wird. Zumindest wenn es nach der deutschen Bundesinnenministerin Nancy Faeser geht. Aus Sicht der SPD-Politiker werden die Olympischen Sommerspiele 2036 wieder in der deutschen Hauptstadt stattfinden. „Ich bin voll dafür“, sagte sie diesen Monat in einem Gespräch mit der deutschen Website Der Pionier.
Faeser ist mit ihren Ansichten nicht allein. In der Politik würden die Spiele 2036 zunehmend als Chance und nicht als Hindernis gesehen, schrieb die Berliner Zeitung Tagesspiegel Im April. Auch der Staatssekretärin für Sport in der Hauptstadt, Nicola Böcker-Giannini, gefällt es. „Es wäre eine Gelegenheit, die Vielfalt der Stadt hervorzuheben.“
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Erik van Lakerveld schreibt seit 2016 über olympische Sportarten wie Eisschnelllauf, Leichtathletik und Rudern.
Faesers Vorgänger Horst Seehofer hatte 2019 eine ganz andere Einstellung. „Undenkbar“, nannte er eine deutsche Kandidatur für die Olympischen Spiele 2036. „Wie würde die Welt das sehen?“ Die Deutschen feiern den 100. Jahrestag der Nazi-Spiele? Das ist nicht möglich.‘
Laut Faeser sei es eine gute Idee, hundert Jahre nach dieser schwarzen Olympia-Seite nach Berlin zurückzukehren. Sie glaubt, dass der beste Ort, um daran zu erinnern, wie das damalige Regime die Menschenrechte verletzte und versuchte, mit Sport aufzuräumen, die Stadt ist, in der die kontaminierten Spiele stattfanden. Der Deutsche Olympische Ausschuss DOSB prüft nun die Nominierung.
Deutsche Kriegstreiberei
Das Verhältnis Deutschlands zu den Olympischen Spielen ist gelinde gesagt kompliziert, abgesehen von den Sommer- und Winterspielen 1936, die unter der Hakenkreuzfahne ausgetragen wurden. Das Land war bereits zuvor mit den Sommerspielen 1916 und später mit den Winterspielen 1940 ausgezeichnet worden. Doch beide Male wurden die Spiele wegen deutscher Kriegstreiberei abgesagt.
1972 wollten die Deutschen die faschistische Schande mit fröhlichen Sommerspielen in München abschütteln, doch auch dieses Turnier sollte zu einer schwarzen Seite der Sportgeschichte werden. Bei dem Angriff auf das israelische Team und der anschließenden gescheiterten Befreiungskampagne kamen 17 Menschen ums Leben.
Im vergangenen Sommer, genau fünfzig Jahre nach diesem traumatischen Ereignis in der bayerischen Landeshauptstadt, veranstaltete München eine Multisport-Europameisterschaft. Auch das war im Vorfeld ein spannendes Turnier, das sich am Ende aber als großer Erfolg herausstellte. Es stärkte das Selbstbewusstsein der deutschen Sportwelt, denn offenbar muss eine sensible Vergangenheit einer erfolgreichen Gegenwart nicht im Wege stehen.
Für Faeser ist es wichtig, dass ein Land wie Deutschland bei großen Turnieren antritt. Als entschiedene Gegnerin der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar möchte sie Kandidatenstädten aus Ländern, in denen die Menschenrechte nicht sehr ernst genommen werden, eine Alternative bieten. „Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen.“