Als Femke Bol auf den letzten Metern der 4×400-Meter-Staffel der Frauen bei der Weltmeisterschaft einen scheinbar unüberbrückbaren Vorsprung auf Gold schloss, erklang ein ohrenbetäubender Lärm von den Tribünen des Leichtathletikstadions in Budapest. Verständlicherweise war es eine wunderbare Apotheose des Turniers, mit Bol als Hauptfigur. Sie stürzte am Eröffnungstag dramatisch ab, gewann dann Gold und noch mehr Gold.
Für ihre Leistungen erhielt Bol im August zweimal die Jaap Eden Trophy, einmal als Sportlerin des Jahres 2023, das andere teilte sie sich mit ihren Staffelkollegen als Sportmannschaft des Jahres. Es war die Bestätigung dessen, was niederländische Sportfans schon seit einiger Zeit wissen: Bol ist etwas Besonderes.
Gleiches gilt für Leichtathletikfans in Europa. Sie staunen nicht schlecht, wenn Bol die Bahn betritt, etwa bei der Europameisterschaft 2022 in München. Sie gewann dreimal Gold (400 m, 400 m Hürden und 4×400 m Frauen). In diesem Jahr wurde Bol zum europäischen Sportler des Jahres gewählt und dies geschah erneut im Jahr 2023.
Über den Autor
Erik van Lakerveld schreibt seit 2016 über olympische Sportarten wie Eislaufen, Leichtathletik und Rudern.
Laut Sportvermarkter Michel van Grunsven liegt die Anziehungskraft von Bol auf der Hand. „Sie ist eine entwaffnende Person.“ Sehr rein. Das macht sie generationsübergreifend beliebt.“ Bei der Weltmeisterschaft kam noch etwas hinzu, eine Vertiefung ihrer Persönlichkeit, weil sie Widrigkeiten überwunden hat. „Es geht um die Geschichten und da war der Sturz und das buchstäbliche Wiederaufstehen.“
Weltruhm
Aber ist Bol auch ein Sportler von Weltruhm? Ihre Leistung bei der Weltmeisterschaft und ihr ungeschlagener Status in der Diamond League reichten jedenfalls nicht aus, um letztes Jahr zur Weltsportlerin ernannt zu werden, obwohl sie auf der Shortlist stand. Die vergangene erfolgreiche Saison brachte auch keine Nominierung für den prestigeträchtigen internationalen Sportpreis Laureus Awards hervor.
Es ist nicht so, dass sie bei den Laureus Awards kein Augenmerk auf die Leichtathletik legen. Bei den Männern sind der amerikanisch-schwedische Stabhochspringer Mondo Duplantis und der amerikanische Sprinter Noah Lyles nominiert, der WM-Gold über 100 und 200 Meter gewann. Unter den Frauen sind sogar drei Athletinnen: Sprintmeisterinnen Sha’Carri Richardsen (100 m), Shericka Jackson (200 m) und Faith Kipyegon, die in Budapest Weltmeisterin über 1.500 und 5.000 Meter wurde und auf diesen Distanzen Weltrekorde aufstellte.
Es ist nicht so einfach, in der Leichtathletik wirklich berühmt zu werden, schon gar nicht außerhalb des Kontexts dieser Sportart. Dabei spielt es auch eine Rolle, welchen Teil der Leichtathletik jemand ausübt. „Die 100 und 200 Meter sind der breiten Masse am besten bekannt“, sagt Van Grunsven. „Danach kommen die anderen Laufwettbewerbe und erst danach technische Disziplinen wie Stabhochsprung.“
Dafne Schippers
Je einfacher, desto beliebter, könnte man sagen. Das gilt auch für die 400 Meter. Aber Femke Bol läuft lieber mit Hürden. „Was die Beliebtheit angeht, liegt es irgendwo in der Mitte.“ „Die meisten Menschen werden sich im 400-Meter-Hürdenlauf keine Legenden nennen können, während sie es im Sprint können.“
Darin liegt ein wichtiger Unterschied zu Dafne Schippers, der auch innerhalb unserer Landesgrenzen sichtbar ist. Sie sprang nicht über Hürden, sondern nahm als Sprinterin an den am einfachsten zu verstehenden Disziplinen teil. Der ehemalige 200-Meter-Weltmeister belegte den fünften Platz in einer vor einem Jahr von der Forschungsagentur Markteffect veröffentlichten Liste berühmter niederländischer Sportler. Dies ergab sich aus Umfragen aus dem Jahr 2022.
Schippers hatte damals ihre Blütezeit längst hinter sich, dennoch war sie 78 Prozent der Niederländer bekannt. Bol, der bereits dreimaliger Europameister war, lag auf dem 15. Platz, hinter Churandy Martina. „Wenn wir diese Forschung noch einmal durchführen würden, würde die Liste ziemlich durcheinandergewürfelt werden“, sagt Van Grunsven, der als Berater bei Markteffect arbeitet.
Max Verstappen war die Nummer eins. Das wird jetzt nicht anders sein. „Er ist nicht im Unterricht.“ „Max ist zu einer Art kulturellem Erbe geworden.“ Dies zeigt sich auch im internationalen Kontext der Laureus Awards, bei denen Ruud Gullit zu den Jurymitgliedern gehört. Verstappen gewann diesen Preis im Jahr 2022 und wurde dieses Jahr erneut nominiert.
Eine Prise Show hilft
Zurück auf der Leichtathletik: So richtig berühmt zu werden, fällt auch den Sprintern schwer. Nicht jeder kann sich an den Namen des amtierenden Olympiasiegers über 100 Meter erinnern. Gleichzeitig ist Usain Bolt, Gewinner von 2008, 2012 und 2016, immer noch auf der ganzen Welt bekannt.
Die Bekanntheit des Namens kann ohnehin lange anhalten. Bolt gilt immer noch als der berühmteste Sportler der Welt, auch wenn er sich seit fast sieben Jahren aus dem Leichtathletiksport zurückgezogen hat. Wie nachhaltig die Markenbekanntheit ist, zeigt sich auch in den Niederlanden, denn auch die Olympiasieger Sven Kramer (2.) und Epke Zonderland (4.) rangierten in der Athletenliste von Markteffect ganz oben. Zum Zeitpunkt der Untersuchung im Jahr 2022 lagen ihre großen Erfolge bereits einige Jahre zurück.
Steig einfach da ein. Auch das fällt Marcell Jacobs nicht leicht, denn so heißt der amtierende Olympiasieger über 100 Meter. Was zweifellos eine Rolle spielt, ist, dass er ein ruhiger, manchmal fast schüchtern wirkender Mann ist. Um wirklich großartig zu werden, braucht es eine Prise Show, ein Sportler muss wie Bolt mit der Kamera spielen. Oder entscheiden Sie sich für die ausgefallenen Outfits von Frauen wie Shelly-Ann Fraser-Pryce und Sha’Carri Richardson.
Bol ist nicht in der Show. Zumindest schafft sie es nicht bewusst für die Kamera. Sie sorgt auf der Strecke für ein Spektakel. Vor zwei Wochen, als sie bei den Nationalen Hallenmeisterschaften mit einem Weltrekord von 49,24 die Erwartungen des Publikums erfüllte.
Und bei der letzten WM, als sie für einen märchenhaften Abschluss sorgte. Den Zuschauern gefiel dieser Wettkampf am meisten, laut einer Studie von World Athletics sogar mehr als der 100-Meter-Lauf der Männer. In der ungarischen Hauptstadt war sie kurzzeitig die Chefin der Sprinterinnen.
Aber dennoch. Derzeit sorgt Bol in der Leichtathletikwelt, bei Experten und in den Niederlanden allgemein bei der sportbegeisterten Öffentlichkeit für Aufsehen. Es gibt nur einen Weg zur weltweiten Markenbekanntheit: über die Spiele. Leichtathletik gehört zu den Sportarten, die eigentlich nur alle vier Jahre mit den großen globalen Volkssportarten wie Fußball mithalten können. Die Weltmeisterschaften sind ein großer Rückschritt, und die Hallenweltmeisterschaften an diesem Wochenende liegen noch weit zurück.
Nein, es gibt nur einen Moment, in dem Bol zu echtem Weltruhm aufsteigen kann. Van Grunsven. ‚In Paris. Dort wird es gemacht oder gebrochen.‘
Hingucker bei den Hallenweltmeisterschaften in Glasgow
Noah Lyles (26): 60 Yards
Noah Lyles trat bei den Weltmeisterschaften in Budapest in die Fußstapfen von Usain Bolt und gewann die 100 und 200 Meter. Nach Angaben seines Managements folgt er dem Jamaikaner auch finanziell. Seine Vertragsverlängerung bei Adidas gilt als der „reichste Vertrag seit Bolt“. Er ist ein typischer extrovertierter Sprinter, der Aufmerksamkeit genießt.
Armand Duplantis (24): Stabhochsprung
Der amerikanische Schwede Mondo Duplantis versteht es, den sonst unsichtbaren Stabhochsprung ins Rampenlicht zu rücken. Wie kein anderer spielt er im vollen Leichtathletikstadion vor dem Publikum, das ihn gerne begleitet, weil es weiß: Wenn er will, springt er einen Weltrekord.
Gudaf Tsegay (27): 3.000 Meter
Die Äthiopierin Gudaf Tsegay ähnelt Sifan Hassan ein wenig: Sie ist über viele Distanzen blitzschnell. So wurde sie beispielsweise vor zwei Jahren Hallenweltmeisterin über 1.500 Meter und gewann 2022 Weltcup-Gold über 5.000 Meter im Freien, und letzten Sommer gelang ihr dies auch über 10.000 Meter in Budapest. Seit einem halben Jahr ist sie außerdem Weltrekordhalterin über 5.000 Meter.