Die Grünen in Bayern wussten, dass die öffentliche Stimmung feindselig wurde. Aber sie hätten nie damit gerechnet, dass jemand anfängt, Steine auf sie zu werfen.
Bei einer Veranstaltung im vergangenen Monat in Neu-Ulm hätte einer beinahe Katharina Schulze, die Spitzenkandidatin der Grünen, getroffen. Für sie war es der Tiefpunkt eines Wahlkampfs im süddeutschen Bundesland, in dem Grünen-Aktivisten regelmäßig bespuckt, beleidigt und bedroht wurden.
„Das Problem ist, dass unsere politischen Rivalen Öl ins Feuer gießen, und das schürt diese negative Atmosphäre“, sagte sie.
Bayern und das Nachbarland Hessen gehen am Sonntag zur Wahl, die als Volksbefragung über die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz gewertet wird. Alle drei Parteien seiner Koalition – die Sozialdemokraten, die Grünen und die Liberalen – sind in den letzten Monaten in den Umfragen eingebrochen, da die Wähler sie für Rezession, Inflation und hohe Energiekosten verantwortlich machen.
Doch wie der bayerische Wahlkampf gezeigt hat, sind es die Grünen, die sich zum beliebtesten Prügelknaben der deutschen Öffentlichkeit entwickeln. Und sie haben die Narben, die es beweisen.
Heckler nennen sie „Waldzerstörer“, weil sie Windparks unterstützen, und „Kriegstreiber“, weil sie die Ukraine unterstützen. Bei einer Green-Veranstaltung letzten Monat in Hart im Südosten Bayerns verteilte ein Mann Tomaten, Eier und Steine, die er auf die Lautsprecher schleuderte.
Die Teilnehmer hätten nach besonders schweren Steinen und faulen Eiern gefragt, sagte er gegenüber deutschen Medien. „Es ist nur ein Witz“, fügte er hinzu.
Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler, sagt, das sei typisch für die wilde Bierzeltpolitik Bayerns. „Norddeutschland ist einfach edler und anständiger als Bayern“, sagte er. „Wenn man im Bierzelt punkten will, kann man nicht wie in einer Mädchenoberschule eine Lesung halten.“
Ohnehin, fügt Aiwanger hinzu, seien die Grünen für die Feindseligkeit selbst verantwortlich. Schließlich war es das von den Grünen kontrollierte Wirtschaftsministerium in Berlin, das in diesem Jahr ein äußerst unpopuläres Gesetz durchgesetzt hat, das den Ausstieg aus Gaskesseln und deren Ersetzung durch Wärmepumpen vorsah.
„Sogar die Hälfte der Grünen-Wähler war dagegen [it] und die Regierung hat es trotzdem verabschiedet“, sagte er.
Doch Schulze sagte, die Feindseligkeit gegenüber den Grünen sei auch durch eine „gezielte Desinformationskampagne“, insbesondere zum Kesselgesetz, angeheizt worden. Markus Söder, der Ministerpräsident des Landes, behauptete, eine neue Wärmepumpe habe horrende 300.000 Euro gekostet, in Wirklichkeit sind es 11.000 bis 25.000 Euro.
Tatsächlich hat Söder, Vorsitzender der konservativen Christlich-Sozialen Union (CSU), Grün-Bashing zum Leitmotiv seines Wahlkampfs gemacht. Ein Politiker, der einst mit der Öko-Partei liebäugelte, wirft ihr nun das Fehlen eines „bayerischen Gens“ vor.
Bei einer Veranstaltung in Kloster Andechs bei München letzte Woche warf Söder den Grünen „ideologische Doppelmoral“ vor, weil sie sich mitten in der Energiekrise geweigert hätten, die Laufzeit der letzten drei deutschen Atomkraftwerke zu verlängern, und prangerte das Wärmepumpengesetz als „ Eingriff in die Eigentumsrechte der Menschen“.
„Die Grünen machen Politik mit der Brechstange“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber. „Sie sind so ideologisch, dass es ihnen egal ist, ob die Gesellschaft ihre Vorschläge akzeptiert.“
Söders Strategie spiegelt einen Wandel in der deutschen Politik wider. Bei Landtagswahlen standen traditionell regionale Themen wie Bildung, Polizei und Verkehr im Mittelpunkt. Doch seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Lebenshaltungskostenkrise ändert sich das.
„Mehr denn je nutzen Wähler die Landtagswahl, um über die Bundesregierung zu urteilen“, sagte Stefan Kornelius, Politikredakteur der Süddeutschen Zeitung. Söder hat das als Chance genutzt. „Es ermöglicht ihm, sich als Anführer der Opposition gegen Berlin darzustellen.“
Doch für den Bayern-Spitzenreiter lief nicht alles glatt. Im Sommer gerieten seine Koalitionspartner, die Freien Wähler, in Kontroversen, als die Süddeutsche enthüllte, dass Hubert Aiwanger als Schüler im Besitz einer antisemitischen Broschüre gefunden worden war.
Aiwanger, der auch stellvertretender bayerischer Ministerpräsident ist, warf den Medien eine „Hetzkampagne“ vor. Doch Söder geriet massiv unter Druck, ihn zu entlassen. Letztlich entschied er sich jedoch für eine Weiterführung, bestand darauf, das Bündnis mit den Freien Wählern auch nach der Wahl fortzusetzen, und schloss eine Zusammenarbeit mit den Grünen aus.
Schulze sagte, die Aiwanger-Affäre sei ein Symbol für einen „Rechtsruck“ in Bayern, wo die drei größten rechten und Mitte-Rechts-Parteien – CSU, FW und Alternative für Deutschland – zusammen bei 66 Prozent liegen.
Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass die rhetorischen Schüsse der CSU gegen die Grünen – ihre unbegründeten Behauptungen, sie wollten die Deutschen dazu zwingen, sich vegan zu ernähren und eine geschlechtsneutrale Sprache zu verwenden – auf fruchtbaren Boden fallen.
In Kloster Andechs erntete Söder großes Gelächter, als er sich über die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und ihre jüngste Reise in die Mongolei lustig machte.
„Sie marschierte durch die mongolische Steppe und fand eine Jurte. . . und erzählte der Dame des Hauses, die mit ihren Kindern, ihrer Herde und anderen Dingen beschäftigt war, alles über ihre feministische Außenpolitik in Berlin“, sagte er. Die deutsche Führung, sagte er, sollte „deutsche Interessen verteidigen“ und nicht „versuchen, die Welt zu bekehren“.
Die Menge im Kloster Andechs feuerte Söder bis unter die Decke. Anni, eine 55-jährige Einheimische, die eine Brezel isst, sagte, sie sei mit ihm in Bezug auf das Heizungsgesetz einverstanden. „Das Haus meiner Eltern hat einen Ölkessel – muss ich den jetzt rausreißen?“ Sie fragte. „Die Einhaltung der Gesetze wird mich ein Vermögen kosten.“
Die Grünen geben zu, dass ihnen in Bayern ein harter Kampf bevorsteht. Sie liegen in den Umfragen derzeit bei 15 Prozent, nach 17,6 Prozent bei der letzten Landtagswahl 2018. Die CSU liegt mittlerweile bei 36 Prozent.
Doch Katharina Schulze weist darauf hin, dass die Grünen vor 2018 bei etwa 5 bis 9 Prozent stecken blieben und in den letzten Jahren sogar bei 20 Prozent lagen. „Wir haben in Bayern immer noch eine starke Basis“, sagte sie. „Das Beste kommt noch.“