Bisher hat die französische Regierung mit vollem Verständnis auf den Protest der Bauern reagiert. Die Landwirtschaft sei von grundlegender Bedeutung für die Identität Frankreichs, schwor Premierminister Attal am Freitag bei seinem Besuch auf einem Bauernhof in der Haute-Garonne.
Und trotz der zahlreichen Blockaden in ganz Frankreich würde die Polizei auf Befehl von Innenminister Darmanin nur dann eingreifen, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe. Auf Elend reagiert man nicht mit der Entsendung von Strafverfolgungsbehörden, sagte der Minister.
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Eline Huisman ist Frankreich-Korrespondentin für de Volkskrant. Sie lebt in Paris.
Letztes Wochenende änderte sich der Ton. Trotz der Zugeständnisse von Premierminister Attal geht der Protest der Bauern weiter. Die Agrargewerkschaften lehnen seine Gesten als „völlig unzureichend“ ab und bereiten sich auf eine „totale Blockade“ von Paris auf unbestimmte Zeit vor. Auch auf dem Marché de Rungis, dem größten Frischmarkt der Welt vor den Toren der französischen Hauptstadt, ist eine Bauernblockade geplant.
Als Reaktion auf diese Pläne forderte Minister Darmanin die Sicherheitsdienste auf, alles zu tun, um diese Blockaden unmöglich zu machen und die Einreise von Landwirten nach Paris zu verhindern. Die ersten Truppen wurden am Sonntag in Rungis vorbereitet. Auch die Flughäfen rund um die Hauptstadt erhalten zusätzliche Sicherheit. Bei Zerstörung und Gewalt könne man mit „Null Toleranz“ rechnen, kündigte Landwirtschaftsminister Fesneau an.
Unterstützung von Greenpeace und Extinction Rebellion
Auffällig ist der Aufruf von fünfzig Klima- und Umweltorganisationen, die zur Solidarität mit den Landwirten aufrufen. Unter anderem Greenpeace und Extinction Rebellion riefen am Sonntag dazu auf, sich den Bauernprotesten in dieser Woche anzuschließen, um die Existenz der Bauern als „Verbündete“ zu verteidigen – „eine Frage des Überlebens“, so die Initiatoren.
Letzte Woche kritisierte Premierminister Attal im französischen Parlament die Grünen, die bei jedem Problem „mit dem Finger auf unsere Landwirte zeigen“ und sie als „Banditen, Umweltverschmutzer unseres Landes und Tierquäler“ darstellen. Doch die Klima- und Umweltaktivisten weigern sich, „als Feinde der Bauern dargestellt zu werden“, sagen sie, trotz „der Propaganda der Regierung“. […] der Hass zwischen uns schürt.
Für die Regierung ist es wichtig, so schnell wie möglich eine Antwort zu finden, die die Proteste beruhigt. Bisher verlief der Widerstand geordnet und die Gewerkschaften spielten eine starke Führungsrolle. Doch je länger die Aktionen andauern, desto größer sei die Gefahr von Entgleisungen, warnten die Geheimdienste vergangene Woche.
Belgische Bauern blockieren den Brüsseler Ring bei Halle
In Belgien verursachen Landwirte schwere Verkehrsbehinderungen auf der Brüsseler Ringstraße bei Halle. Dies melden die Bundespolizei und die flämische Verkehrszentrale. Nach Angaben ihres Sprechers werden die Bauern „mindestens bis Montag“ dort bleiben, um den Berufsverkehr zu stören. Die Polizei hat den Inneren Ring ab Itter, den Äußeren Ring ab Huizingen gesperrt.
Auch die A8 Tournai-Brüssel ist in der Nähe von Halle komplett gesperrt, und im weiteren Umkreis von Halle kam es bereits am Sonntagabend auf Nebenstraßen zu einem Verkehrsstillstand, weil landwirtschaftliche Fahrzeuge aus unterschiedlichen Richtungen Richtung Halle fuhren.
Die Bundespolizei ist in großer Zahl vor Ort, greift aber vorerst nicht ein.
Regeln vereinfachen
Als erste Reaktion auf die Forderungen der Landwirte versprach der Premierminister am Freitag, die Erhöhung der Kraftstoffsteuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge zurückzunehmen. Außerdem würde er sofort zehn Regeln vereinfachen, etwa die Anforderungen für das Anlegen von Hecken auf der Weide und die Verkürzung der Berufungsfrist gegen neue landwirtschaftliche Projekte.
Den Bauern reicht es nicht. Arnaud Rousseau, der Vorsitzende der größten Bauerngewerkschaft FNSEA, rief seine Anhänger dazu auf, ruhig, aber engagiert zu bleiben. Die kommende Woche sei voller Gefahren, warnte Rousseau. „Oder weil die Regierung nicht auf uns hört, oder weil die Wut so groß wird, dass jeder Verantwortung übernimmt.“
Die Gewerkschaften erhoffen sich unter anderem Maßnahmen gegen den aus ihrer Sicht unlauteren Wettbewerb durch den Freihandel. Seit dem Krieg wird beispielsweise Hühnchen aus der Ukraine importiert, das mehr als die Hälfte billiger ist als französisches Hühnchen. Obst und Gemüse, die in großem Umfang unter anderem aus Marokko und Spanien importiert werden, sind aufgrund geringerer Arbeitskosten deutlich günstiger als in Frankreich selbst.
Landwirtschaftsminister Fesneau und Premierminister Attal versprachen am Sonntag, so bald wie möglich zusätzliche Maßnahmen einzuleiten. Darüber dürfte am kommenden Dienstag mehr Klarheit herrschen.